Telefonseelsorge im Emsland

Hier hört immer jemand zu

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Wer bei der Telefonseelsorge im Emsland oder der Grafschaft Bentheim anruft, kann sicher sein: Hier hat jemand Zeit für mich. Der Verein sucht Ehrenamtliche, die diese Aufgabe übernehmen. Ein Benefizkonzert soll helfen.


Gefragte Hilfe: 11 000 Anrufe gab es 2017 bei der
Telefonseelsorge im Emsland und der Grafschaft Bentheim.
Foto: fotolia

66 Ehrenamtliche engagieren sich derzeit für die Telefonseelsorge im Emsland und der Grafschaft Bentheim. „Sie sind unser Fundament“, sagt Vorstandsmitglied Ulla Witza. Sie schaut in die Bilanz des vergangenen Jahres. Aus 11 000 Anrufen hatten sich 2017 knapp 7600 intensive Gespräche ergeben. Fast 5300 Arbeitsstunden macht das für die Mitarbeiter: an sieben Tagen in der Woche, im Vier-Stunden-Takt, auch nachts. Geduldig hören sie zu – hören dabei oft erschütternde Geschichten von Leid und Schmerz, von Einsamkeit und Resignation, auch von Missbrauch und Gewalt. Sie trösten und ermutigen, geben den Menschen am anderen Ende der Leitung nicht auf – bieten ihm die Wertschätzung, die sonst offenbar fehlt. „Sie verschenken ein Stück ihrer Zeit“, sagt Ulla Witza und hat größte Hochachtung vor der Arbeit der Ehrenamtlichen.

Eine aus dem Team ist Julia W. – die Ehrenamtlichen bleiben grundsätzlich anonym. Seit mehreren Jahren engagiert sich die 65-Jährige aus dem südlichen Emsland in der Telefonseelsorge, Ende 2018 werden in ihrer persönlichen Bilanz weit über 100 Stunden Gesprächszeit stehen. Früher war sie Chefsekretärin in einem großen Unternehmen, im Ruhestand will sie „nicht einfach nichts tun“.

„Ich will ein Licht in diesem Leben anzünden“

Daher hatte sie sich bei der Telefonseelsorge gemeldet und die gründliche Ausbildung mitgemacht. Wie sie Gespräche führt, wie sie Konflikte und Schweigen aushält – all das hat sie dort gelernt. Und was muss man mitbringen, wenn man Telefonseelsorgerin werden will? Julia W. überlegt einen Moment. „Interesse an Menschen“, sagt sie. „Empathie, Charakterstärke und eine gewisse Lebensreife“ – womit sie nicht das Alter meint.

Das Interesse an Menschen und das Bedürfnis zu helfen – das treibt auch Julia W. an. Sie möchte ergründen, „warum manche Seele so verdunkelt ist“ und sie möchte dann versuchen, „wieder ein Licht in diesem Leben anzuzünden“. Nicht immer ist das möglich, das weiß sie auch. Manche Telefonate sind nur schwer zu ertragen, führen sie und die Kolleginnen oft nahe an ihre Grenzen. Da helfen der Austausch im Team, der Spaziergang mit dem Hund nach dem Dienst und mit der Zeit eine gewisse professionelle Distanz. „Man darf es nicht zu nah an sich heranlassen.“

Oft übernimmt die Emsländerin Nachtschichten von 19 Uhr abends bis 7 Uhr in der Früh. Wer ruft dann an – und warum? „Das ist ganz verschieden“, sagt sie. Das können Ängste wegen einer bevorstehenden Trennung sein, die Trauer um den verstorbenen Mann, finanzielle Sorgen wegen einer drohenden Arbeitslosigkeit oder Mobbing im Job. Gar nicht selten hört Julia W. diesen Satz: „Sie sind die Erste, die heute mit mir spricht.“ Dann ahnt sie, wie einsam der Anrufer sein muss.

Auch von Missbrauch in der Kindheit hört sie, von Schlägen und Demütigungen, von tiefster Verzweiflung. Manchmal spricht sie lange mit diesen Menschen, die keinen Ausweg mehr sehen und sich oft nur noch den Tod wünschen. Sie wirft dann nicht mit Ratschlägen um sich, sondern bestärkt die Anrufer, sich Hilfe zu holen. Wer seine Probleme in Worte fassen muss, sieht sie klarer – entdeckt im Gespräch mit einem neutralen Zuhörer, welche Kräfte in ihm stecken. Und sie verspricht den Anrufern – wenn sie das wünschen –, für sie eine Kerze anzustecken und für sie zu beten, mit meinem „lieben Freund, unserem Gott“.

Das Gespräch hat sie selbst bereichert

Ist jedes Gespräch tieftraurig? Sie schüttelt den Kopf und erinnert sich an den Anruf einer älteren Dame, die allein lebt und „nur mal reden wollte“. Eine Stunde nimmt sie sich Zeit, hört den Erinnerungen zu, lacht und scherzt mit der Frau. Und ist danach richtig glücklich. „Sie hat mir so viel zurückgegeben.“

Dass die Telefonseelsorger bei ihrer Arbeit viel Dank und Anerkennung erhalten, bestätigt auch Ulla Witza. Um noch mehr helfen zu können, braucht der Verein aber neue Ehrenamtliche. „Es wäre gut, wenn wir unser Team auf 80 vergrößern könnten.“ Ein nächster Ausbildungskurs soll im nächsten Frühsommer starten.

Petra Diek-Münchow

Wer Hilfe braucht, kann rund um die Uhr kostenfrei bei der Telefonseelsorge anrufen: 08 00/1 11 01 11 oder 1 11 02 22. Neue Mitarbeiter können sich an den Verein wenden. Telefon: 0 59 31/1 27 22; E-Mail: telefonseelsorge-emsland@t-online.de


Konzert für die Telefonseelsorge

Am Sonntag, 2. Dezember, findet um 19 Uhr das „Meppener Weihnachtskonzert“ im Windthorst-Theater statt. Der Erlös des Abends kommt der Telefonseelsorge Emsland/Grafschaft Bentheim zugute. Auf der Bühne stehen lokale Künstler sowie ein 60-köpfiger Projektchor. Sie führen Advents- und Weihnachtslieder sowie Songs in deutscher und englischer Sprache auf. Tickets zum Preis von 25 Euro gibt es an den Vorverkaufsstellen und unter www.meppen-theater.de

Die Telefonseelsorge ist ein selbstständiger Verein in katholischer Trägerschaft und Mitglied im Diözesancaritasverband.