Bechers Provokationen

Hinaus ins Leben

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Unsere Provokationen suchen nach der Glut unter der Asche. Heute geht’s um den Abschied vom klassischen Priesterseminar. Eine Einladung an die Weihekandidaten in die Alltagswelt: Nehmt Wohnung mitten unter uns! Von Johannes Becher.

Wo lässt sich die eigene Berufung besser prüfen: im Schutzraum Priesterseminar oder im Seelsorge-Alltag? Foto: kna
Wo lässt sich die eigene Berufung besser prüfen: im Schutzraum
Priesterseminar oder im Seelsorge-Alltag? Foto: kna

In der Kirche ist derzeit allenthalben vom „Klerikalismus“ die Rede. Und von dessen zerstörerischen Folgen für ein gesegnetes Leben aller im Volk Gottes. Klerikalismus. Eine Ahnung davon habe ich bei einem Besuch in einem diözesanen Bildungshaus bekommen: Beim Mittagessen sitzen rund zwei Dutzend Gäs-te an verschiedenen Tischen. In einem zweiten Raum im hinteren Bereich haben sich die Priesteramtskandidaten eingepfercht. Separiert. Geschlossene Gesellschaft. Die Chance, sich unters Kirchenvolk zu mischen – mit dem sie doch spätestens nach der Weihe gemeinsam unterwegs sein werden: vertan.

Eine klerikale Momentaufnahme, zugegeben. Und es mag gute Gründe gegeben haben, bei diesem Essen unter sich zu sein. Doch ist dieses „Unter-sich-Sein“ eben nicht die Ausnahme, sondern die Regel. In jedem Pries-terseminar. Schon strukturell so angelegt. Jene, die berufen sind, werden in gemeinschaftlichem Leben und Glauben zum Elite-Kader ausgebildet. Zum „Geistlichen“, zum „Hochwürden“. Als wären Nicht-Geweihte per se nicht geistlich und hätte eine niedere Würde ... Es ist Zeit darüber nachzudenken, wie wir mit- und voneinander sprechen.

Und wie wir wohnen, leben, arbeiten. Jedenfalls ist das Priesterseminar ein schwer zu rettendes Konstrukt. Und es gäbe Alternativen: Hinaus in die Welt, hinaus ins Leben. Nicht nur für ein „Freisemes-ter“, wie es Seminaristen heute tun, wenn sie für ein Jahr an einer zweiten Uni studieren – ohne in einer Seminar-Oase zu wohnen. Mal abgesehen davon, dass dort schon die frühzeitige Vereinsamung droht und die Kälte langer leerer Gänge wenig von der Freude am Glauben ausstrahlt.

Johannes Becher Foto: privat
Johannes Becher
Foto: privat

Die jungen Herren könnten sich ins wirkliche Pfarrleben werfen oder könnten praktikabel an pastoralen Orten andocken. Es gibt so viele Priester, die ihren Auftrag mit Leidenschaft und allen Kenntnissen tun. Hier können die Kandidaten viel lernen, sie können erleben, was auf sie zukommt in ihrem schönen Beruf als Pfarrer. Und ein paar Mal im Jahr machen sie geistliche Tage in einem Bildungshaus. Dann setzen sie sich beim Essen an die Tische der anderen Gäste, kommen miteinander ins Gespräch …

Wo lässt sich denn besser „die eigene Berufung prüfen“ als im wirklichen Pfarrleben? Als an Segensorten auf den Straßen dieser Welt? Wo ist die stärkende „Jüngergemeinschaft“, von der Papst Benedikt XVI. einst schrieb, denn unmittelbarer erfahrbar als in Gruppen, Kreisen, Gebetszeiten inmitten der Gemeinde?

 

„Gemeinschaft der Jünger“

„Das Priesterseminar ist Weggemeinschaft auf den priesterlichen Dienst zu. Damit ist schon etwas sehr Wichtiges gesagt: Priester wird man nicht allein. Es braucht die ,Jüngergemeinschaft‘, das Miteinander derer, die der gemeinsamen Kirche dienen wollen.“
Aus einem Brief von Papst Benedikt XVI. an Seminaristen, 2010

„Die Zeit im Priesterseminar ist sinnvoll und notwendig, um in die Gemeinschaft des Presbyteriums (= Priesterschaft einer Diözese) hineinzuwachsen und im Kreis der künftigen Mitbrüder, aber auch durch die qualifizierte Begleitung der Hausleitung, die eigene Berufung zu prüfen und zu einer überlegten und tragfähigen Lebensentscheidung zu finden.“
Der Regens eines bayerischen Priesterseminars