72-Stunden-Aktion

„Ich brenne dafür“

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Lagebesprechung 72-Stunden-Aktion
Nachweis

Foto: Thomas Osterfeld

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Lagebesprechung: Elias Kölker (2. v. r.) koordiniert die Arbeit der Ehrenamtlichen für die 72-Stunden-Aktion im Bistum Osnabrück.

Mit Anfang 20 hatte Elias Kölker einen gut bezahlten, sicheren Job mit Perspektiven. Trotzdem hat er auf eine Ausschreibung des Bistums Osnabrück reagiert und koordiniert nun die in wenigen Tagen anstehende 72-Stunden-Aktion. Für viele seiner Freunde kommt Kirche als Arbeitgeberin nicht infrage. Er aber will gerne bleiben.

„Spinnst du?!“ Die Reaktionen waren heftig, als Elias Kölker im Freundeskreis erzählte, er werde den Arbeitgeber wechseln. Dabei hatte er alles, was sich ein junger Mensch wünschen kann: besser bezahlter Job, Dienstwagen, Termine im Ausland, ein gut funktionierendes Team, unbefristeter Vertrag. Und Spaß machte die Arbeit auch noch. Kölker gehörte zu den ersten Absolventen einer neuen Fachrichtung: Als E-Commerce-Kaufmann begleitete er die Einrichtung eines Online-Shops seiner Firma und übernahm dann die Vertriebsleitung. „Ich habe da mein Ding gemacht“, sagt er.

Elias Kölker
Elias Kölker. Foto: Thomas Osterfeld

Für die Freundinnen und Freunde kam erschwerend hinzu, dass er ausgerechnet bei der katholischen Kirche anheuern wollte – zu schlechteren Konditionen als bisher. Eine Institution, die gerade in der jüngeren Vergangenheit aus ihrer Sicht viele Fehler gemacht hat. „Kirche gilt da als uncool“, sagt Kölker, der demnächst 24 Jahre alt wird.

Elias Kölker ist mitten im Emsland aufgewachsen, in Geeste, einem Ort mit knapp 2000 Einwohnern, gelegen zwischen Meppen und Lingen. In der Region gibt es eine hohe Katholikendichte, und so ist es keine Überraschung, dass Elias Kölker in einer Kirche getauft und gefirmt wurde, in der auch schon seine Großeltern und Eltern zu Hause waren. Heute sagt er, er habe sich in der Gemeinde sehr wohl gefühlt, war Messdiener, aber als diese Zeit endete, gab es von der Kirche kein Angebot mehr für seine Altersstufe.

Es sollten einige Jahre vergehen, bis Elias Kölker wieder auf die Kirche aufmerksam wurde. „Es zog mich da hin“, sagt er. Warum, das könne er gar nicht sagen. Er machte als Ehrenamtlicher mit bei Ausbildungskursen für junge Menschen, gestaltete Gruppenleiterkurse oder Schulgemeinschaftstage. Gerne moderierte er dabei die Runden, in denen ein Priester befragt wurde. „Ich habe gemerkt, dass da besser zugehört wird, als wenn man sich verkatert am Sonntagmorgen in die Kirchenbank setzt, nur weil es sich Eltern oder Großeltern so wünschen.“

"Ein solches Angebot fehlte mir in Geeste."

Dann sprach ihn der örtliche Dekanatsjugendreferent an und erzählte ihm vom Bund der Deutschen Katholischen Jugend (BDKJ). „Mein Ruf, ein lockerer Typ zu sein, der bei Kirche wohl mitmachen wollte, hatte sich offenbar herumgesprochen“, sagt er augenzwinkernd. 2,05 Meter Körpergröße ließen sich wohl nicht so leicht übersehen. Er stellte sich als Ehrenamtlicher zur Wahl und wurde tatsächlich in den Regionalvorstand berufen. Mit Bewunderung blickte er als 18-Jähriger auf die Dörfer im näheren Umkreis, wo es kirchliche Jugendverbände gab. „Ein solches Angebot fehlte mir in Geeste.“ Und weil er inzwischen die Katholische Landjugendbewegung näher kennengelernt hatte, setzte er sich für die Gründung einer neuen Ortsgruppe ein, die Jahre zuvor eingeschlafen war.

Kölker hatte Geschmack gefunden. Es blieb nicht beim Engagement für die Landjugend. „Ich habe mir die Angebote des BDKJ angesehen und fünf Jahre ehrenamtlich mitgemacht“, sagt er. Mit dem Motto „Katholisch, politisch, aktiv“ konnte er sich gut arrangieren. Er lernte die Arbeit von Gemeindereferenten kennen und von Jugendreferenten, fand heraus, was in Jugendbildungsstätten passiert – „das alles ist eine gute Sache“, sagt er heute.

"Kirche macht viele gute Sachen - auch für junge Leute."

Und dann kam der Moment, als er von der Stellenausschreibung in Osnabrück erfuhr. Ein Referent für die 72-Stunden-Aktion wurde gesucht, halbtags, begrenzt bis Ende Juli 2024. Kaum eine der geforderten Voraussetzungen erfüllte der junge Emsländer. Trotzdem bekam er den Posten. Womit sich das, was er inzwischen seit fünf Jahren ehrenamtlich unterstützte, nun auch beruflich zeigen sollte – Einsatz für das soziale Gesicht der Kirche. Und das entgegnete er dann auch auf die „Spinnst-du-Fragen“ der Freunde: „Kirche, das ist nicht nur der Laden, in dem Missbrauch passiert ist und in dem die Gotteshäuser im Winter nicht mehr geheizt werden. Kirche macht viele gute Sachen – auch für junge Leute.“ Wobei er die alltägliche Liturgie da für sich ausklammert: Der letzte Besuch im Sonntagshochamt ist schon ein wenig her. Zu veraltet sei das für ihn, sagt er. Ein auf Jugendliche zugeschnittener Gottesdienst am Ende einer Gruppenleiterausbildung – da ist er hingegen gerne dabei.

Und jetzt also Arbeitgeber Kirche, Organisation der 72-Stunden-Aktion im Bistum Osnabrück. Mit einer halben Stelle, aber mit vollem Einsatz. Natürlich hat er sich ein Ziel gesetzt, das passt zu ihm: 180 angemeldete Gruppen wollte er schaffen. Und das ist tatsächlich gelungen. Dass nicht nur kirchliche Gruppen mitmachen, sondern zum Beispiel auch eine Jugendfeuerwehr, macht ihn stolz. Ebenso die Teilnahme von Partnergruppen der Jugendverbände in Peru und Ghana. „Ich brenne dafür“, sagt er und ergänzt, daran lasse sich auch erkennen, dass er ein gläubiger Mensch ist.

Wenn die 72-Stunden-Aktion im April vorbei ist, wartet noch weniger spannende Arbeit: Alles muss abgerechnet werden, am 31. Juli ist der letzte Arbeitstag. Ob Elias Kölker dann ein kirchlicher Mitarbeiter bleibt? „Schön wäre es, wenn ich dann Vollzeit bei der Kirche arbeiten kann, um junge Menschen von dem zu begeistern, was ich selbst erleben darf“, sagt er. Zudem hat er übrigens ein zweites Standbein, mit dem er Geld verdient: Elias Kölker macht als Discjockey Musik bei Hochzeitsfeiern. Eine runde Sache.
 

Zur Aktion

Tausende junger Menschen engagieren sich bundesweit vom 18. bis 21. April unter dem Motto „Uns schickt der Himmel“ für soziale Projekte. In der Regel erfahren sie erst mit dem Start um 17.07 Uhr, was sie genau tun sollen – und haben dafür dann bis Sonntagnachmittag Zeit. Infos im Internet: www.72stunden.de

Wenn Sie mehr über die 72-Stunden-Aktion wissen wollen, lesen Sie das Interview mit dem BDKJ-Bundesvorsitzenden Gregor Podschun.

Matthias Petersen