Jahresserie 2019 – Folge 3

„Ich rede mit dir, hörst Du zu?“

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„Wir müssen reden!“ heißt die Jahresserie 2019. Eine Beziehung gelingt nur, wenn man miteinander redet ... Das Ehepaar Michael und Ute Krell aus Bad Camberg-Erbach hat den Kurs KEK mitgemacht. Seitdem gibt es bei den Krells „Gespräche auf Augenhöhe“. Von Barbara Faustmann.

Michael und Ute Krell können wieder gut miteinander sprechen und einander ebenso gut zuhören. | Foto: Barbara Faustmann
Michael und Ute Krell können wieder gut miteinander sprechen
und einander ebenso gut zuhören. Foto: Barbara Faustmann

„Ich kann mit dir reden, auch wenn ich sauer bin.“ Mal ehrlich, klappt das immer? Was ist, wenn die Emotionen, die aufgestauten Gefühle hochgehen? Das führt leider oft zu Vorwürfen, zu Unsachlichkeit und endet mal wieder im Schweigen. Situationen, die Michael und Ute Krell kennen. Ihr war als erste die Situation nicht mehr angenehm, und sie wollte dagegen etwas tun.  „Konstruktive Ehe und Kommunikation“, kurz „KEK“ genannt, einem Angebot aus den Bistümern Mainz und Limburg (siehe Service), kam Ute Krell mehr zufällig auf die Spur.

Auf der Suche nach  Angeboten zur Gesprächsführung

„Meine Schwiegereltern waren im vergangenen Jahr aus dem Emsland zu Besuch und hatten eine Ausgabe der dortigen Kirchenzeitung im Gepäck. Beim Durchblättern fielen mir darin die Angebote für Paare auf“, schildert Ute Krell.  Sie dachte darüber nach und machte sich kundig, was es im Bistum Limburg dazu gibt. „Ich schaute in der Kirchenzeitung nach, ging ins Internet und telefonierte“, beschreibt sie ihre Suche. Fündig wurde sie dann bei KEK im Bistum Mainz. „Das ist genau richtig“, so ihr Endruck. Sie  erzählte ihrem Mann davon und bat ihn, den Kurs mit ihr zusammen zu belegen. Doch er war zunächst wenig angetan von dieser Idee. „Ich wollte meiner Frau diesen Wunsch aber auch nicht abschlagen“, begründet er seine Entscheidung, dabei mitzumachen.

Die Krells kennen sich 28 Jahren. Sie sind seit 20 Jahren verheiratet. Beide sind in verantwortungsvollen Berufen tätig. Sie haben zwei Söhne, und ein nagelneues Haus in Bad Camberg-Erbach gebaut. Das war Stress pur, geben sie zu. Irgendwann war für beide die Luft raus. Statt Gesprächen gab es Gemäkel an dem jeweils anderen. „Das tat uns nicht mehr gut“, begründet Ute Krell ihren Entschluss, sich für KEK anzumelden. Ehemann Michael, der als Netzwerkadministrator tätig ist, war zunächst nicht begeistert und eher skeptisch. „Brauchen wir das wirklich, bekommen wir es nicht allein hin?“, fragte er sich. Dennoch, Michael und Ute einigten sich und machten sich an einem Wochenende auf den Weg Richtung Mainz.

Zu dem Wochenendkurs im Mainzer Caritashaus waren mit Krells noch drei weitere Paare angemeldet. Geleitet wurde er von zwei Trainerinnen. Schon die Vorstellungsrunde verlief ungewöhnlich. Ute stellte ihren Mann vor, und er stellte Ute vor. „Das war schon mal ein Aha-Efffekt, nämlich wie sieht mein Partner mich“, sagt Ute. Ihr Mann ergänzt: „Ich habe zum Beispiel ein Bild von einer Postkarte einer Kursteilnehmerin beschreiben müssen. Sie saß mit dem Rücken Rücken zu mir und konnte das Bild nicht anschauen. Das Resultat war sehr interessant: „Sie hörte meiner Beschreibung zu, und sah trotzdem ein anderes Bild vor Augen“, erläutert Michael Krell.

Nach dieser Vorstellungsrunde ging es in die konkrete Arbeit. Jedes Paar hatte einen eigenen Raum zur Verfügung. Was geschieht in diesem Raum? Zunächst einmal ist die Privatsphäre komplett gewahrt. Die Trainerinnen geben maximal Tipps, wie das Gespräch verlaufen könnte. Dann sind die Paare unter sich. Anhand von Modulen wird die Gesprächsform vorgeschlagen. „Richtig zuhören“ steht auf einem der Zettel. Es geht um „Aufnehmendes Zuhören“, was bedeutet, mit dem Kopf nicken, Blickkontakt halten. Es gibt den Punkt „zusammenfassen“, also Gehörtes mit eigenen Worten wiedergeben. Ganz wichtig: Es sollen Gefühle wie Freude, Ärger, Verunsicherung zum Ausdruck kommen. Die zweite Vorlage befasst sich mit dem Thema „Richtig sprechen“. Das bedeutet, möglichst in Ich-Sätzen zu sprechen. „Ich möchte, ich wünsche, ich fühle.“ Weiterhin sollte jeder beim Thema bleiben, nicht abschweifen, stattdessen konkrete Situationen beschreiben. Immer wieder kommt in dem Modul die Aufforderung, sich auch zu öffnen. Das löst Gefühle aus, und dabei können durchaus auch mal Tränen laufen.

Sich öffnen, das tat nach und nach  auch der skeptische Michael. „Es war eine sehr harmonische Atmosphäre in diesem kleinen Kreis. Mir tat die Ruhe gut, und ich hatte endlich wieder mal Zeit. Zeit, zuzuhören, Zeit, selbst zu sprechen“, beschreibt er seine Gefühle. Die „netten“ Trainerinnen und die anderen Paare taten ihr Übriges dazu, dass Michael Krell sich nun ganz auf das Kommende einließ.

Seine Frau Ute war sich darüber schon im Vorfeld im Klaren. „Ich merkte ganz einfach, dass wir im Alltag nicht mehr gut miteinander redeten. Der Stress war hoch, und so wurden lediglich noch die organisatorischen Dinge abgeklärt. Das war es im Großen und Ganzen, und das hat mir nicht mehr gefallen. Ich wollte diese Situation verbessern und sprach deshalb diesen Kurs bei meinem Mann an.“

Der erste Tag ist vorbei, und das Ehepaar Krell fährt nach Hause. Beide hatten erst noch angedacht, eine Nacht in Mainz zu verbringen, überlegten es sich aber doch anders.

Die Partner sollen sich möglichst an die Regeln halten

Logo JahresserieDer Abend in den eigenen vier Wänden verlief ruhig. Beide waren müde und wollten  jeder für sich den ersten Tag reflektieren. Frohgemut und ausgeschlafen fuhren sie am Sonntagmorgen wieder gen Mainz. „Waren die Gespräche am Anfang des Kurses erst noch hölzern oder aufgesetzt, so brachte mich das Training am Folgetag doch entschieden weiter“, betont Michael Krell. Das Paar hielt sich an die Regeln und stellte fest: „Es geht doch.“

Mehr als ein halbes Jahr ist seitdem vergangen. Freundschaften zu den anderen teilnehmenden Paaren haben sich trotz aller Sympathie nicht entwickelt. Der Alltag hat sie wieder. Was ist hängengeblieben von KEK? Offensichtlich einiges. Die Krells lächeln sich an und geben Zeugnis davon, was sich positiv verändert hat. Zum Beispiel, dass sich Michael Krell ertappt, wenn er in alte Verhaltensmuster abdriftet. „Klar komme ich  immer noch hin und wieder gestresst und dadurch auch angespannt nach einem langen Tag nach Hause. Aber das geht Ute ja nicht anders, und sie hat noch größtenteils den Haushalt zu stemmen.“ Michael Krell hat für diese Problematik seinen Weg gefunden. „Freiraum“, sagt er. Das bedeutet, er signalisiert seiner Frau, dass der Moment nicht günstig ist und er erstmal seine Ruhe braucht, um runterzukommen. Ehefrau Ute weiß jetzt, dass sich darin kein Vorwurf an sie verbirgt, sondern dass ihr Mann jetzt ganz einfach nicht reden will. „Ich lasse ihn dann in Ruhe und warte, bis er von sich aus auf mich zukommt“, schildert sie das Gelernte.

Für das Ehepaar Krell hat sich der Kurs auf jeden Fall gelohnt

Beide sind überzeugt davon, dass es sich unbedingt gelohnt hat, sich bei KEK anzumelden, dort am Ball  zu bleiben und das Gelernte umzusetzen. Sie haben immer noch ab und an Stress, obwohl inzwischen das neue und schon seniorengerecht gebaute Haus fertig ist. Die Söhne sind mittlerweile ebenfalls aus dem Gröbsten heraus, leben aber noch im Haushalt der Eltern mit. „Wir unten und die Jungs oben im ersten Stock“, sagt Ute Krell.

KEK war für die Beiden richtig, aber sie betonen auch, dass der Kurs nicht geeignet ist für Paare, die vor einer Trennung stehen oder deren Beziehung zerrüttet ist. Bei deren Problemen müssen andere Ansprechpartner gefunden werden. „Was wir gemacht haben, hatte das Ziel, Gemeinsamkeiten neu zu entdecken, die Beziehung einfach auf respektvolle Füße zu stellen“, formuliert es Ute Krell. Denn Respekt gehört untrennbar zu einer guten Beziehung. Respekt auch davor, wenn sich ein Partner Freiräume verschafft, einfach weil diese dringend notwendig sind.  Im Miteinander, was ebenso wichtig ist, gehen sie diszipliniert an die Gespräche heran, erinnern  sich an das Gelernte. „Halt, da war doch was“, sagt Michael flachsend, wenn er in alte Rollenmuster abzugleiten droht. Verschüttete Gemeinsamkeiten hat das Paar neu entdeckt. Sie nehmen sich Zeit füreinander. gehen spazieren, mountainbiken zusammen oder unternehmen etwas Kulturelles.

Das Vertrauen in die kirchliche Einrichtung war groß

Spielt Gott im Leben der Krells eine Rolle? Bei Ehefrau Ute eine gewichtige. Sie arbeitet als Erzieherin im katholischen Kindergarten und ist zudem religionspädagogische Fachkraft im Bistum Limburg. „Über meinen Beruf bin ich mit Gleichgesinnten verbunden“, erzählt sie. Ehemann Michael ist eher ferner. „Es war allerdings für mich vertrauensbildend, dass der Kurs in kirchlicher Trägerschaft war. Ich hatte niemals das Gefühl, irgendwem oder irgendwas aufzusitzen“, sagt Michael Krell.

Bislang finden sie den richtigen Ton im Umgang miteinander. Noch ist der Kurs frisch im Gedächtnis. Eine Wiederholung ist jederzeit möglich und wird angestrebt, wenn es längere Zeit nicht so gut klappt. Derzeit sieht das nicht so aus. Ute und Michael gehen offensichtlich sehr entspannt miteinander um. Sie haben ein Grundvertrauen gewonnen, ihre Konflikte in einem, wie sie sagen, „guten Gespräch“ lösen zu können. Und sie haben den festen Willen dazu.

 

Service: Kurse für Paare in den Bistümern
 

  • Die Bistümer Limburg und Mainz bieten die Gesprächskurse „Ein partnerschaftliches Lernprogramm“ (EPL) für Paare am Beziehungsbeginn und „Konstruktive Ehe und Kommunikation“ (KEK) für Paare in mehrjähriger Beziehung an. An jeweils einem Wochenende erlernen die Paare Gesprächsregeln und wenden diese an. Infos: www.ehe-familie.bistumlimburg.de oder www.bistummainz.de/seelsorge/Erwachsenenseelsorge/beziehung
  • Die Ehe-, Familien- und Lebensberatung der Diözese Fulda bietet ebenfalls den Kurs „Ein partnerschaftliches Lernprogramm“ (EPL) und Selbsterfahrungskurse für Paare an. Infos und Termine: www.ehe-familien-lebensberatung-bistum-fulda.de/ehefamilienlebensberatung/
  • Die katholische Bewegung „Marriage Encounter“ (frei übersetzt: „Vertiefung der Beziehung in der Ehe“) bietet Kurse zur Ehevorbereitung und Beziehungskurse für Ehepaare und Familien an. Auch im Rhein- Main-Gebiet ist die Bewegung aktiv. Infos: www.me-deutschland.de
  • In der „Akademie für Ehe und Familie“ können Ehepaare eine zweijährige Ausbildung machen, in der sie ihre Beziehung besser kennenlernen und Techniken erlernen, um diese zu gestalten. Die Paare werden selbst zu Ehe- und Familientrainern ausgebildet. Kurse finden unter anderem im Schönstatt- Zentrum Rodgau-Weiskirchen und in Schönstatt-Vallendar bei Koblenz statt. Infos und Anmeldung: www.akademie-ehe-familie.de
  • In allen Diözesen werden Ehevorbereitungskurse angeboten. Infos finden Sie auf der Homepage des jeweiligen Bistums.