Berlins Erzbischof Heiner Koch öffnet seine Haustür

„Ich wohne gern hier“

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Für den Tag des Herrn hat Berlins Erzbischof Heiner Koch seine Tür geöffnet, sein Wohnzimmer und seine Kapelle gezeigt. Er spricht über seinen Weg zum Priestertum und das Gebet als Kraft seines Lebens.


Einrichtungsgegenstände, die dem Erzbischof viel bedeuten: Eine Marienfigur, die ein befreundeter Künstler geschnitzt hat und das Bild „Der Hirte“. | Fotos: Cornelia Klaebe

„Herzlich willkommen bei mir zuhause und einen schönen Sonntag“, mit diesen Worten öffnet Heiner Koch, Erzbischof von Berlin, die Tür. Im Krieg wurde hier in Berlin-Lichterfelde wenig zerstört. So blieb auch das denkmalgeschützte Pfarrhaus in Fachwerkoptik erhalten mit seinen Balkonen und Schnitzereien, den von dunklen Balken durchzogenen Zimmerdecken, den Erkern und großen Fenstern. „Ich wohne gern hier“, sagt Koch, und es fällt nicht schwer, ihm das zu glauben. Dabei ist seine Wohnung im zweiten Stock nicht groß: zwei Zimmer, Küche, Bad, Balkon und Wintergarten.
Dass er so weit draußen wohnt, hat Gründe: Die alte Bischofswohnung im Lichtenberg-Haus, die Kardinal Sterzinsky bewohnte, ist nicht verfügbar, die von Kardinal Woelki im Wedding zurückgegeben an die Caritas. Ein Domizil in Kathedralnähe – „da fuhr man mit dem Aufzug in die Wohnung, und alles war mit Gold“ – sei ihm zu teuer gewesen: „Die Miete war so hoch wie zwei Erzieherinnengehälter.“ Als dann das Pfarrhaus in Lichterfelde, das bereits saniert wurde, in den Blick geriet, habe er zugegriffen.

Ein Kniestuhl am Fenster in die Kirche
Außerhalb der Wohnung im zweiten Stock geht direkt vom Treppenhaus die kleine Privatkapelle ab; ein länglicher Raum mit einem Fenster in die Kirche an der Stirnseite. Davor ein Kniestuhl zum Beten. Den nutze er oft, sagt der Erzbischof: „Am Abend, wenn es dunkel ist und da unten die Opferlichter brennen, das ist wunderschön.“ In der Mitte der Kapelle steht der kleine Altar, auf dem Altargerät, Messbuch und zwei Kerzen gerade Platz haben. Daneben steht auf einer Marmorstele der winzige weiße Tabernakel mit der großen schwarzen Taube. Feiert er die Messe hier alleine? „Nein, da ist immer das ganze Erzbistum dabei“, entgegnet Koch.
An den Wänden hängen Emaillebilder von Egidio Weinert; eines davon zeigt den heiligen Benno. Den habe er aus Dresden-Meißen mitbekommen und mit ihm sei das Bistum immer präsent. Auch Köln ist vertreten, durch eine Skulptur der Himmelskönigin. Das Ambo ist von Kardinal Sterzinsky, ebenso wie der aus dunklem Holz geschnitzte Lehnstuhl. Hier sitzt Heiner Koch, wenn er das Stundengebet betet – mit dem Blick auf das große Kreuz an der Wand gegenüber. Laudes, Komplet und Matutin, „Stützpfeiler“ seines Tages, bete er hier – „aber nicht im Sommer“.

Die Privatkapelle: „Auf diesem Stuhl sitze ich, wenn ich Brevier bete – mit dem Blick auf das Kreuz gegenüber.“

Da gehe er in den Wintergarten, seine „Naturkapelle“. Der ist angeschlossen an das große Wohnzimmer und verspricht schon jetzt einen herrlichen Ausblick, sobald die Bäume wieder grün werden. Dann verdecken sie die dahinter liegenden Wohnblocks. Nach unten blickt man in den Garten; zwei junge Füchse wohnen dort. Das Gebet sei die prägende Kraft seines Tagesablaufs, erzählt der Bischof. Nicht immer bete er mit Begeisterung, vor allem am Ende anstrengender Tage, aber in Treue zu seinem Versprechen und im Bewusstsein, „dass es gut ist für mich und für die Kirche, wenn ich bete“. So nehme er sich im Büro Zeit für Terz, Sext oder Non und unterbreche manche Sitzung für den Engel des Herrn.
Die Wohnzimmermöbel, erzählt Koch, sind noch aus seiner Kaplanswohnung. Dunkel sind sie, eine Polstercouch und zwei Sessel, ein Couchtisch. In der Ecke ist ein Fernseher, in der anderen ein kleiner Tisch, auf dem – es ist noch vor Lichtmess – eine Weihnachtspyramide steht, daneben ein Strauß Narzissen. Dahinter allerdings ist die Palme geschmückt mit Luftschlangen. Als bekennender Karnevalist kann der Düsseldorfer nicht anders.
Auf das Bild über dem Sofa zeigt der Erzbischof als erstes, als es darum geht, welcher Einrichtungsgegenstand ihm am meisten bedeutet. Es heißt „Der Hirte“ und er bekam es von seinen Eltern zur Priesterweihe. Daran gefalle ihm, dass der Hirte den Blick auf seine Herde gerichtet habe, sie beschütze, führe und zusammenhalte – aber dahinter auch in die Weite schaue, ins Licht. Die Eltern hätten ihn unterstützt auf dem Weg ins Priestertum, sich gefreut, „aber sie haben mich nicht gedrängt – niemals“. Der Weg seiner Berufung begann, als der Mann der 13 Jahre älteren Schwester totkrank war. Die tiefen Gespräche mit ihm hätten Koch zur Frage geführt, was er aus seinem Leben machen wolle. Der Schwager starb mit 29 Jahren und der 17-jährige Heiner entschied sich fürs Theologiestudium. Es sei nicht sofort eine Entscheidung gewesen, sondern eher ein Prüfen, ob das etwas für ihn sei. Alternativ

St. Gertrud in Düsseldorf-Eller – die Heimatkirche des Erzbischofs.

wäre der Lehrerberuf möglich gewesen, mit den Fächern Deutsch, Geschichte und Religion. Auch der Schreibtisch steht im Wohnzimmer. Aus ihm holt Koch einen Bierdeckel mit dem Bild seiner Heimatkirche St. Gertrud in Düsseldorf-Eller hervor. „In dieser Gemeinde habe ich so viel über das Priestersein gelernt wie an der Universität.“
Eine Wand des Zimmers ist geprägt von einem riesigen Bücherregal, das dennoch längst nicht alle Bände fasst. Was fehlt, ist ein zusammenhängender Ort für die Bücher; das ist der Nachteil dieses Hauses. Vom Keller über den Sitzungsraum im Erdgeschoss bis zum Gästebereich ganz oben finden sich in fast allen Räumen Regale, die nach Fachgebieten geordnet die Bibliothek des Erzbischofs enthalten. Auf die Frage nach seiner Lieblingsliteratur holt er gleich mehrere Bücher hervor, die er parallel liest. Die „Herzensbildung“ von Anselm Bilgli ist darunter, die Streitschrift „Macht die Wahrheit frei oder die Freiheit wahr“ von Karlheinz Menke, aber auch ein Buch über Berlin.

Basis für das Leben als Erzbischof
Hinter dem Schreibtisch hängen Kochs Weihe- und Ernennungsurkunden. Am kleinsten ist die zur Diakonenweihe. An ihren Falzungen zeigt sich, dass sie per Post zugestellt wurde. Kunstvoller sind die zweifarbig handgeschriebenen Bullen aus Rom mit den winzigen Unterschriften der Päpste Benedikt XVI. und Franziskus, die die Bischofsweihe sowie die Ernennung erst zum Bischof von Dresden-Meissen und dann zum Erzbischof von Berlin bekunden. An dem schmalen Abstand zum Fenster, hängt die lange Sukzessionsurkunde, die belegt, auf welchem Weg die Bischofsweihe weitergegeben wurde. An ihrer untersten Stelle steht Kardinal Joachim Meisner, der Heiner Koch am 7. Mai 2006 die Hände aufgelegt hat. Von ihm kann die Reihe verfolgt werden bis ins Jahr 1380 zu Angelo Correr, dem späteren Papst Gregor XII. „Mittlerweile käme man sogar noch 100 Jahre weiter“, sagt Koch.
Kapelle und Wohnzimmer in Lichterfelde sind die Basis, von der aus Heiner Koch sein Leben als Erzbischof von Berlin bestreitet. Seine Predigten nehmen hier ihren Anfang, er schreibt sie über die Woche hinweg. „Heute ist Sonntag, da betrachte ich am Nachmittag das Evangelium vom folgenden Sonntag.“ Am Montag liest er die Kommentare dazu, und ab da hat er immer Papier und Stift bei sich, um Gedanken aufzuschreiben. Rund wird die Predigt dann beim lauten Sprechen, „dabei erkenne ich Gedankensprünge“. Das macht Heiner Koch am liebsten, wenn er spazieren geht – und zwar hier, in Lichterfelde, am Teltowkanal.

Arbeitsecke im Wohnzimmer des Erzbischofs: In goldenen Rahmen hängen die Weihe- und Ernennungsurkunden.

Von Cornelia Klaebe