Live-Übertragung von Dom-Gottesdiensten
Immer ein paar Sekunden schneller
Foto: Thomas Osterfeld
Behutsam öffnet Hermann Haarmann die eisenbeschlagene Holztür. Gleich neben dem Eingang zur Sakristei im Dom befindet sich die unscheinbare Pforte. Haarmann, früherer Pressesprecher des Bistums Osnabrück, ist jahrzehntelang im Dom ein und aus gegangen. Diese Tür ist ihm nie so richtig aufgefallen. Aber seit zwei Jahren ist sie der Eingang zu einem neuen Arbeitsplatz, den er mehrmals im Monat ehrenamtlich besetzt.
Hinter der Tür geht eine steile Stiege nach oben. Haarmann zählt laut mit, bei Stufe 17 ist Schluss. Er steht jetzt in einem knapp drei mal drei Meter großen Raum, an der einen Seite ein Schrank, an der anderen ein Regal. Dazwischen jede Menge technisches Equipment, das so gar nicht zu dem uralten Gemäuer passen will. „Das war der Eingang zum Schlafsaal der Mönche, die im Mittelalter hier lebten“, sagt er. An Schlaf denken kann er aber an diesem Ort nicht, stattdessen muss er hoch konzentriert und hellwach sein.
Haarmann drückt ein paar Schalter, der Computer fährt hoch und zeigt nach wenigen Sekunden ein Bild auf dem Bildschirm. Nachdem er eins der Programme gestartet hat, sieht Haarmann eine Kameraaufnahme aus dem Inneren des Doms. Gleich beginnt eine Messe, Computer, Tatstatur und Mischpult dienen dazu, den Gottesdienst live im Internet zu übertragen. Was früher von der Kirchenleitung gar nicht erwünscht war, nämlich die private Übertragung von Gottesdiensten, ist durch Corona möglich geworden.
Als im März 2020 wegen der Pandemie das Leben plötzlich stillstand, durften auch keine öffentlichen Messen gefeiert werden. Schnell sorgten die Verantwortlichen rund um den Dom dafür, dass es durch die Liveübertragung im Internet ein Lebenszeichen aus der Bischofskirche gab. Der Bischof stand nahezu allein am Altar, Gläubige im Kirchenschiff waren nicht zugelassen. Der wöchentliche Livestream war geboren. Zuerst mit einer mobilen Anlage, jetzt mittels festinstallierter Kameras, wird die Abendmesse am Samstag und darüber hinaus manch wichtiger Gottesdienst auf der Homepage des Bistums übertragen. Inzwischen längst wieder mit Beteiligung der Gläubigen. So auch die Bekanntgabe des neuen Bischofs am 28. Mai 2024: Der Dom war rappelvoll, zusätzlich waren rund 3500 Nutzer online dabei. Zudem haben sich seit dem Tag mehrere Tausend Besucher das Ereignis noch einmal angesehen.
Kleine Einspielfilme vor dem Gottesdienst
Hermann Haarmann gehört zum Übertragungsteam, das aus sieben Frauen und Männern besteht. Wenn er in dem Kabuff vor dem Computer sitzt, geht für ihn ein Kindheitstraum in Erfüllung. Dann ist er Kameramann, Tontechniker und Regisseur zugleich. Als seine Familie in den 1950er Jahren einen Schwarzweißfernseher erwarb, war der kleine Hermann fasziniert. Und dachte sich: Kameramann oder Regisseur, das wäre ein Beruf für mich. Im Ruhestand setzt er das jetzt um. So wird er auch am 8. September in seinem Kabuff sitzen, wenn er ab 15 Uhr die Messe zur Einführung von Bischof Dominicus überträgt.
Für den 69-Jährigen, der schon immer gerne fotografierte und filmte, beginnt die Vorbereitung auf seine Tätigkeit in der Regel mehrere Tage zuvor. Dass er sich mit der Liturgie auskennt, kommt ihm dabei zugute. Er will während der Liturgie allem zuvorkommen, was da passieren könnte. Erwähnt der Priester in der Predigt zum Beispiel die Osterkerze, möchte er sie auch in dieser Sekunde im Bild haben. Für die Gottesdienste am Samstagabend ist das schon Routine, denn der Ablauf ist immer ähnlich. Er weiß, wer wann im Altarraum wo steht und kann die Kameras entsprechend programmieren. Anders ist es Ostern oder Weihnachten, wenn Chor und Orchester beteiligt sind, wenn es einen „großen Einzug“ durch den Mittelgang gibt. Sein Anspruch an sich selbst ist hoch: Die Zuschauer am Computerbildschirm sollen sich fühlen, als säßen sie vor dem Fernseher. Haarmann möchte mit seiner Arbeit allgemeinen Sehgewohnheiten entsprechen.
In der Regel hat er für den Gottesdienst einen Ablaufplan, oft kennt er auch schon die Predigt. Gerne bereitet er dafür kleine Einspielfilme vor, die er einstreuen kann, wenn es in der Messe meditativ wird – eine Luftaufnahme des Doms, eine brennende Kerze am Seitenaltar, ein Blick auf den Orgelprospekt. Drei Kameras gilt es zu bedienen, eine im Altarraum für Nahaufnahmen, eine unterhalb der Kanzel, um die Gläubigen zu zeigen, eine an der Orgel, die den gesamten Kirchenraum abdecken kann. Mithilfe der Tastatur kann er sie ansteuern und bewegen.
Und Haarmann selbst? Kann er dem Ereignis, das er überträgt, innerlich folgen, die Messe mitfeiern? Da schüttelt er entschieden den Kopf. Zu groß ist die erforderliche Konzentration auf die Technik. Das macht ihm großen Spaß, deshalb ist er auch mit Eifer dabei. Und zieht aus dem Engagement auch noch etwas Positives: „Ich bin jetzt 69. Da ist es gut, die kleinen grauen Zellen in Schwung zu halten.“
Wie die Einführung von Bischof Dominicus am 8. September aussehen wird, verrät der Domzeremoniar Martin Rohner in dem Artikel: "Feierlich, aber schlicht".
Wie Bischof Dominicus durch die Abtei Königsmünster in Meschede geprägt wurde, lesen Sie in dem Artikel: "Prägung durch das Kloster".
Jeden Samstag um 17 Uhr wird die Vorabendmesse aus dem Dom live übertragen, dazu kommen weitere zentrale Feiern.