"Alte Mauern, neues Leben"
Kapelle war Brauerei und Stall
Wohnen in ehemaligen Klostergebäuden – in Oberkaufungen hat das durchaus Vorzüge.
Denn die mittelalterliche Anlage liegt ruhig oberhalb des Ortskerns. Inklusive schöner Aussicht. Ein Besuch an der Wirkungsstätte der heiligen Kaiserin Kunigunde in der nordhessischen Diaspora. Eine neue Folge in unserer Serie „Alte Mauern – neues Leben“.
Von Hans-Joachim Stoehr
Schöne Aussicht – so heißt die Straße, die am Stiftsareal vorbeiführt. Eigentümer des historischen Gebäudeensembles mit der mittelalterlichen Stiftskirche ist seit der Reformation die Stiftung Althessische Ritterschaft – eine der Ältes-
ten in Hessen. Gegründet wurde sie von Landgraf Philipp dem Gutmütigen. Es ist derselbe Fürst, der auch in Marburg die Universität gründete.
Die Reformation vor 500 Jahren bedeutete nach ebenfalls etwa 500 Jahren das Ende des Klosters in Kaufungen, an dessen Anfang 1017 die Gründung durch die heilige Kunigunde stand (siehe „Chronik“). Für Anne Ottowitz, die seit Jahren Gruppen durch das Stiftsareal führt, war Kunigunde eine für die damalige Zeit gleichberechtigte Frau. „Wenn Heinrich unterwegs war, führte sie für ihn die Regierungsgeschäfte. Es war auch ungewöhnlich, dass sie zur Königin und später zur Kaiserin gesalbt wurde.“
Das älteste Gebäude auf dem Areal, das noch vor der Stiftskirche errichtet wurde, ist die Georgs-Kapelle. Sie diente auch als Gotteshaus für die Menschen der Umgebung. Diese Kapelle hatte eine wechselvolle Geschichte seit der Auflösung des Klosters. Zunächst wurde der Sakralraum als Hütte zur Produktion von Messing genutzt. Daraus erinnert noch die Bezeichnung für den Platz vor der Kapelle: Hüttnerhof. Danach war dort fast 300 Jahre eine Brauerei untergebracht. „Im Ersten und Zweiten Weltkrieg nutzen Bauern den Bau als Stall“, weiß die Kirchenführerin. Ab 1958 wurde aus der ehemaligen Kapelle ein Heimatmuseum.
Ökumenische Gemeinschaft
1983 kam es zu einem Ereignis, das Auswirkungen auf die Nutzung der Georgskapelle hatte. Damals kamen 1000 Frauen aus Bamberg, wo das Kaiserpaar Heinrich und Kunigunde begraben ist, zum Kloster Kaufungen. Und 1986 gründete sich dann der Kaufunger Konvent, eine ökumenische Gemeinschaft, die sich dem Erbe Kunigundes verpflichtet weiß. Der Konvent nutzte die Kapelle wieder als Andachtsraum. Ottowitz zeigt auf das Kreuz über dem Altar. Die Linien sind ineinander verflochten – Symbol dafür, wie eng Christen der verschiedenen Konfessionen miteinander verflochten sind. Das Original dieses Kreuzes befindet sich an einem Pfeiler in der benachbarten Stiftskirche.
Von der Georgkapelle gelangt der Besucher über den neu angelegten Kreuzgang zur Stiftskirche, die 1025 geweiht wurde. In der Stiftskirche erinnert nur ein Bronzerelief an die Kaiserin. Eine Wandmalerei an einem der Kirchenpfeiler, die einst Kunigunde zeigte, ist so verblasst, dass nichts mehr zu erkennen ist. Kirchenführerin Ottowitz weist darauf hin, dass die Farbe bei den Wandmalereien auf bereits trockenen Kalkputz aufgetragen wurde – so genannte Secco-Malerei – im Gegensatz zu Fresken, bei denen die Farbe auf den feuchten Putz aufgebracht werden. „Das hält dann nicht so gut.“
Die Stiftskirche ist dem heiligen Kreuz geweiht
Apropos Wandmalereien: Drei Heiligendarstellungen an Pfeilern des Kirchenschiffs stehen laut Ottowitz für das, was das Klosterleben in Kaufungen ausmachte. Da ist zum einen die heilige Katharina von Alexandrien, antike Märtyrerin und Patronin der Gelehrten. Zu ihren Füßen ist eine kleine Darstellung eines Orgelspielers erkennbar. „Das soll heißen: Im Kloster wird Bildung vermittelt. Eine andere Darstellung zeigt Elisabeth von Thüringen. Sie steht für das soziale und caritative Tun der Nonnen. „Frauen aus Eschwege pilgerten mit ihren Kindern zum Grab von Elisabeth in Marburg und sie wurden dort geheilt“, berichtet Ottowitz von einer Legende. Die dritte im Bund ist Maria Magdalena. Sie steht für die enge Verbindung der Nonnen zu Jesus.
Die Stiftskirche ist dem Heiligen Kreuz geweiht. Kunigunde vermachte ihr einen Splitter vom Kreuz Jesu. Die Reliquie wurde in den Altar eingelassen.
Das um die Stiftskirche herum errichtete Kloster verfügte über große Ländereien, vor allem Waldbesitz. Bis heute ist in der Renterei die Oberförsterei für den Kaufunger Wald untergebracht. Weitere Einkünfte hat die Stiftung aus der Vermietung von Wohnungen, die im ehemaligen Dormitorium oder anderen Gebäuden eingerichtet wurden. Die evangelische Kirchengemeinde kann die Stiftskirche für Gottesdienste, aber auch Konzerte nutzen. Zu den kulturellen Angeboten zählen auch Open-Air-Konzerte im Herrenhof. Dort findet auch ein Weihnachtsmarkt statt.
Das Kloster war vermutlich von Anfang an auch ein Kanonissenstift, in dem reiche Witwen lebten – mit Bediensteten. Diese lebten in Häusern, die außerhalb des Klos-
terbezirks lagen. Der so genannten Freiheit. Sie hatten eine eigene Wasserversorgung, durften Holz zum Heizen im Wald sammeln. Die Bauern hingegen mussten ihre Abgaben leisten ans Klos-ter. Die Abgaben – der Zehnte – wurde in der Zehntscheune gesammelt. Das Gebäude befindet sich wie die Renterei am Herrenhof.