Eine Etappe auf der Bonifatiusroute
Keltenfürst und „Hans im Glück“
Märchenfiguren und ein Dichterfürst am Wegesrand – auch das gehört zur Bonifatius-Route. Vor allem aber rege der Pilgerweg zum Lob auf den Schöpfer von Feld und Wald an. Eindrücke von einer Tagesetappe in der Wetterau von Altenstadt nach Glauburg.
Von Hans-Joachim Stoehr.
Bahnhof Altenstadt in der Wetterau – hier beginnt der heutige Pilgerweg. Der Haltepunkt der Regionalbahn in Richtung Stockheim liegt am südlichen Rand des Ortes. Das heißt, der Pilger ist gleich im Grünen. Allerdings zeigen auf den ersten Kilometern bereits zahlreiche Neubausiedlungen, dass dieser Teil der Wetterau noch zum Ballungsraum Rhein-Main gehört – auch wenn es nach Frankfurt fast genauso weit ist wie zu den Höhen des Vogelsberg.
Der dortige Taufstein hat seinen Namen sozusagen von Bonifatius. Denn der soll dort an einem Brunnen Heiden durch die Taufe zu Christen gemacht haben. So zumindest wird es überliefert. Das Etappenziel dieses Tages, Glauburg, liegt aber noch vor der Höhe – im hügeligen Vorland – und wie Altenstadt im Niddertal. Die Bonifatius-Route verbindet in einer Schleife beide Orte.
Das Pilgerwetter könnte fast nicht besser sein. Die Sonne lässt sich nur ab und an zwischen den Wolken blicken. Die Temperatur ist warm genug, um nicht zu frösteln, aber auch kühl genug, um nicht gleich ins Schwitzen zu geraten.
Limeshain – der Name der Gemeinde südlich von Altenstadt – sagt es: Diese Gegend ist altes Siedlungsgebiet. Der Limes, die Außengrenze des Römischen Reichs, verlief hier. In Altenstadt gab es ein Kastell. Und wie im Reich damals üblich, war dies mit Straßenbauten verbunden. Da waren die Römer Profis drin.
Aber auch die Nachfahren der Germanen verstehen sich auf Verkehrsachsen. Im Ballungsraum Rhein- Main ist das Netz an Straßen enger geknüpft. Zwischen zwei Ortsteilen von Limeshain verläuft die Autobahn 45, die auf diesem Abschnitt Hanau mit Gießen verbindet. Über eine Brücke überqueren Pilger die Asphalt-Trasse.
Der Lärm der Autobahn ist nach wenigen Metern vorbei. In der Ortsdurchfahrt von Himbach reihen zahlreiche denkmalgeschützte Fachwerkhäuser aneinander. Alle etwas ähnlich, aber in Farbe oder Größe unterschiedlich. Innehalten, Schauen und Staunen lohnt sich. Besonders beeindruckend: Ein kleines Fachwerkhaus – es diente als Quartier für Landarbeiter – versteckt sich hinter einer großen Linde, die auf dem Vorplatz steht.
Obstbäume sind seit Altenstadt die regelmäßigen Begleiter des Pilgers auf den Wiesen entlang des Wegs. Bis die Pilgerroute ein Waldgebiet erreicht. Da es an den beiden Vortagen geregnet hat, erzeugt die Feuchtigkeit einen herrlichen Duft aus Erde, Rinde und Blättern. Die Augenpaare wandern immer wieder nach oben in die Baumwipfel und wieder nach unten – manchmal geblendet von zwischen Ästen und Laub durchdringenden Sonnenstrahlen. Ein Specht hämmert, andere Vögel zwitschern. Verkehrsgeräusche - Fehlanzeige.
An einer Wegkreuzung mitten im Wald steht eine Sitzbank. Sie ist noch nicht verwittert, also recht neu im Wald. Beim Näherkommen nsind in der Mitte der Rückbank die Umrisse eines Gesichts erkennbar. Es zeigt die Züge des Dichters Johann Wolfgang von Goethe. Rechts und links davon ist ein Zitat des gebürtigen Frankfurters zu lesen: „Die Natur hat manches Unbequeme zwischen ihre schönsten Gaben ausgestreut.“
Beim Weitergehen ist Zeit zum Nachdenken. Etwa an Goethes „Lied des Türmers“ aus seinem „Faust“. Da heißt es zu Beginn: „Zum Sehen geboren, zum Schauen bestellt“. Und am Schluss steht geschrieben: „Ihr glücklichen Augen, was je ihr gesehn, es sei, wie es wolle, es war doch so schön!“
Wie die Verse mit ihrem Lob auf die Schöpfung so nachklingen, fällt der Blick auf einen Brunnen aus Holz. Er zeigt „Hans im Glück“ mit der Gans und dem Stein, den er für die Gans eingetauscht hat. Der Brunnen liegt im Wald am „Gänseweg“. Weitere bekannte Märchenfiguren wie Hänsel und Gretel, Rumpelstilzchen und der Gestiefelte Kater folgen entlang des Wegs, ehe der Waldrand und das offene Tal erreicht sind.
Düdelsheim liegt südlich des Glaubergs. Vorbei an Wiesen führt die Tagesetappe ein letztes Mal bergauf zu der Stelle, die an die Kelten erinnert mit ihrer Kultur, die bereits in die Zeit vor den Römern reicht.
Beeindruckend sind zwei Figurengruppen. Die einzelnen Stelen sind dem 1996 entdeckten „Keltenfürst vom Glauberg“ nachempfunden. Das Original des spektakulären Fundes steht im dortigen Museum. Auf dem Gelände zu sehen ist außerdem die Nachbildung eines keltischen Grabhügels.
Vom Glauberg führt die Route hinunter ins Tal der Nidder, nach Glauburg, dem Endpunkt der Tagestour. Durch den Talkessel der Nidder steigen die Pilger der Bonifatiusroute hinauf zu den Vogelsberghöhen und danach hinab ins Fuldatal zum Grab des heiligen Bonifatius.
ZUR SACHE
Bonifatius-Route
Die Bonifatius-Route verbindet die Städte Mainz und Fulda. Die 172 Kilometer lange Strecke folgt dem Weg, den der Zug mit dem Leichnam des heiligen Bonifatius im Jahr 754 nahm. 2004, im 1250-jährigen Todesjahr des Apostels der Deutschen, wurde die Route eröffnet. Von Mainz führt die Strecke zunächst durch das dicht besiedelte Rhein-Main-Gebiet. Nördlich von Frankfurt kommt der Weg dann in das eher ländlich geprägte Gebiet der Wetterau. Durch das Tal der Nidda geht es hinauf auf die Höhen des Vogelsbergs. Von dort führt der Weg über Blankenau und Kleinheiligkreuz zum Bonifatiusgrab im Fuldaer Dom. Auf der Homepage heißt es zur Streckenführung: „Die Bonifatius-Route verläuft in einem ,Korridor‘, der die frühmittelalterlichen Verkehrswege berücksichtigt und damit dem historischen Weg sicher nahe kommt.“
Weitere Informationen: www.bonifatiusroute.de