Radtour von Hameln nach Rinteln
Kirchen und Kultur entlang der Weser
Von Hameln nach Rinteln ist es auch mit dem Fahrrad eigentlich nur ein Katzensprung. Aber auf den wenigen Kilometern gibt es viel zu entdecken.
Sportliche Höchstleistungen waren ja bei keiner unserer vorgeschlagenen Radtouren zu absolvieren. Das gilt erst recht für den heutigen Abschluss, der – mit Ausnahme eines möglichen Abstechers – flussabwärts dem Lauf der Weser folgt. Auch die Kilometer dürften niemanden abschrecken, dafür gibt es Kultur pur. Noch ein Pluspunkt: Hameln, unser Ausgangsort, ist über Hannover bequem im Halbstundentakt mit der S-Bahn zu erreichen. Und wer mit dem Auto anreisen möchte, kann es direkt am Bahnhof im Parkhaus abstellen. Also, auf geht’s. Nutzen wir den Goldenen Oktober für eine Genusstour.
Weserrenaissance als Ausdruck des Wohlstands
Der Weg zum Weserradweg führt direkt durch die Fußgängerzone. Schon da sollten Sie sich Zeit lassen, um die prächtig herausgeputzen alten Häuser zu bewundern. Quirlig geht es hier eigentlich immer zu. Die Stadt des Rattenfängers (die in fast alle Sprachen übersetzte Geschichte vom Flötenspieler hat sie weltberühmt gemacht) ist ein gutes Beispiel für die Weserrenaissance. Der Fluss als wichtiger Verkehrsweg verschaffte den Bürgern Reichtum und um den zu demonstrieren, investierten sie viel Geld und Aufwand in ihre repräsentativen Häuser mit den typischen Giebeln. Herausragende Beispiele dafür sind in Hameln selbst das Rattenfängerhaus und das Hochzeitshaus und in der Nachbarschaft die Hämelschenburg. Bevor Sie dem Lauf der Weser folgen, sollten sie in unmittelbarer Ufernähe noch kurz ins Münster St. Bonifatius schauen.
Zumindest ein kurzes Stück müssen wir dann der Bundesstraße Richtung Westen folgen, zum Glück auf einem separaten Weg. Bald allerdings biegen wir in die inzwischen abgeernteten Felder. Wundern Sie sich nicht, wenn Sie nicht allein unterwegs sind: Der Weserradweg von Hann. Münden bis zur Flussmündung in die Nordsee ist einer der beliebtesten in Deutschland und auch im Herbst viel befahren.
Nur wenige Kilometer – und schon lohnt es sich, wieder aus dem Sattel zu steigen: Stift Fischbeck, vor über tausend Jahren von der Edelfrau Helmburg gegründet, ist in mehrfacher Hinsicht ein bemerkenswerter Ort des geistlichen Lebens. Seit dem Jahr 955 leben und arbeiten hier ununterbrochen Frauen in einer christlichen Lebens- und Arbeitsgemeinschaft, auch wenn die Zeiten manchmal schwer waren. Die Gründungslegende wird übrigens auf dem berühmten Fischbecker Wandteppich erzählt; erst kürzlich ist er aufwendig restauriert worden und erstrahlt jetzt wieder in neuem Glanz. Wenn Sie Glück haben, treffen Sie auf eine der Stiftsdamen, die Ihnen gern etwas von der Geschichte dieses spirituellen Zentrums erzählt oder einen Blick in den Stiftsgarten werfen lässt. Kurz hinter Fischbeck nähern Sie sich der neuen Weserbrücke und damit dem kleinen Städtchen Hessisch Oldendorf. Die Umgehungsstraße ist zwar für die Anwohner eine echte Entlastung, hat aber letztlich auch dazu geführt, dass Zentrum und Marktplatz eher im Dauerschlaf liegen.
Die Schaumburger Grafen schrieben Geschichte mit
Jetzt sollten Sie sich die Frage stellen, ob Sie eine kurze, aber knackige Steigung mit dem Fahrrad bewältigen können. Als Ansporn: Der Abstecher zur Schaumburg, die rechts auf dem Nesselberg am Waldrand liegt, lohnt die Anstrengung auf jeden Fall, auch wenn vor einigen Jahren die Burg-Gastronomie geschlossen worden ist. Egal, bei halbwegs guter Sicht haben Sie von hier oben aus einen Blick ins Weserbergland, den Sie so schnell nicht vergessen werden. Und auch wenn die recht überschaubare Wehranlage es nicht vermuten lässt: Die Grafen von Schauenburg und Holstein hatten zu ihrer Zeit in wichtigen politischen und kirchlichen Fragen ein Wörtchen mitzureden.
Der Schwung den Berg hinunter reicht fast bis nach Großenwieden. Dort ist die Fahrt mit der Weserfähre zu empfehlen. Sie hängt an einem Stahlseil und wird nur von der Kraft der Strömung von einem Ufer zum anderen gedrückt. Auch wenn vor allem Landwirte die Fähre nutzen – Radfahrer finden immer Platz an Deck.
Kurz vor Rinteln führt der Radweg unmittelbar an der kleinen Extener Dorfkirche vorbei. Sie hat tagsüber in der Regel geöffnet und lohnt einen kurzen Besuch. Sie ist eine der ältesten Kirchen entlang der Weser und wurde gebaut an einer Stelle, die den heidnischen Sachsen heilig war.
Friedrich von Spee und die Hexenjagd
Jetzt noch eine kurze Etappe durch die Feldmark und Sie rollen in Rinteln ein. Drei Kirchtürme bestimmen das Stadtbild: St. Nikolai mit seinem leicht schiefen Turm bestimmt das Bild des historischen Marktplatzes, direkt an der Weser steht St. Sturmius (als einzige Kirche des Bistums dem Bonifatius-Schüler geweiht), und am Ende der Fußgängerzone und etwas unscheinbarer St. Jakobi, die früher einmal zu einem Nonnenkloster gehörte, das später eine Universität beherbergte. Berühmt-berüchtigt war diese durch ihre juristische Fakultät; denn hier wurden auffallend viele Frauen als Hexen verurteilt und hingerichtet. Was das angeht, hat sich Rinteln nicht mit Ruhm bekleckert – da mag etwas versöhnlich mit der unrühmlichen Geschichte stimmen, dass nur einen Steinwurf entfernt, in der damaligen Universitätsdruckerei, die Cautio Criminalis gedruckt worden ist – ein Werk des Jesuiten Friedrich von Spee, der damit das Ende der Hexenprozesse eingeläutet hat. Wer sich näher mit diesem Thema befassen will, wird gut informiert im Heimatmuseum in der Eulenburg.
Bei sonnigem Herbstwetter können Sie den Tag bei Eis oder Kaffee und Kuchen in der Fußgängerzone beenden – oder noch wenige Kilometer den Hinweisschildern Richtung Möllenbeck folgen: Auch dort, unter den alten Türmen des Klosters, lässt es sich im Hofcafé gut ausspannen.
Der Zug bringt Sie nach 30 Kilometern (etwas mehr mit den empfohlenen Abstechern) zurück nach Hameln.
Stefan Branahl
Von Hameln nach Rinteln
Die Radtour entlang der Weser ist sehr gut ausgeschildert, wer sicher gehen will, kann sich trotzdem eine Karte einstecken (eventuell für den Abstecher zur Schaumburg). Auch ohne E-Bike sind die Kilometer gut zu schaffen – zumal der Wind in aller Regel von Osten kommt und die Radler unterstützt. Unterwegs weisen zahlreiche Informationstafeln auf geschichtliche und kulturelle Besonderheiten hin.