Paramentenwerkstatt im Benediktinerinnenkloster in Osnabrück

Kirchliche Schätze in Handarbeit

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Paramentenwerkstatt Osnabrück
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Astrid Fleute

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Nicole Jansen hat in der Paramentenwerkstatt den Beruf der Textilgestalterin, Fachrichtung Sticken, erlernt. Gerade stellt sie eine Fahne für den Bürgerschützen­verein Füchtorf fertig.

Kunsthandwerk mit großer Geschichte begegnet Bernadette Düvel in der Paramentenwerkstatt im Benediktinerinnenkloster in Osnabrück. Als eine der wenigen noch aktiven Meisterinnen näht sie liturgische Gewänder nach Maß, entwirft Motive und bessert liebevoll alte Stoffe, Fahnen und Stickereien aus.

Paramentenwerkstatt
Messgewand Ruller Wallfahrtskirche, es wurde gereinigt und ausgebessert. Foto: Astrid Fleute

Liebevoll streicht Bernadette Düvel über den Stoff. „Das ist hochwertige Seide. Und diese filigranen Stickereien. Die Pupillen in den Gesichtern sind aus Haarseide. Das sind wahre Kunstwerke“, erzählt sie begeistert. In der Hand hält die Paramentenmeisterin ein Messgewand, das versehen ist mit aufwendigen christlichen Motiven und Bildern, alle vor langer Zeit von Hand gestickt. „Diese aufwendige Kunst, das hochwertige Material – das gibt es heute gar nicht mehr“, erklärt sie. In ihrer Paramentenwerkstatt im Dachgeschoss des Benediktinerinnenklosters Osnabrück begegnen Leiterin Bernadette Düvel und ihrer Kollegin Nicole Jansen viele dieser „kirchlichen Schätze“, wie sie sie nennen. Auf Nähtischen stapeln sich Gewänder, Rochetts und Fahnen, die gereinigt oder aufgearbeitet werden müssen. Sie bessern Stickereien aus oder nähen alte Motive auf neue Stoffe und verleihen ihnen so neuen Glanz. 

Aber auch neue Alben, Soutanen und Talare hängen an den Schränken – als Muster für Kunden, die sich ein eigenes liturgisches Gewand schneidern lassen möchten. Bernadette Düvel berät, nimmt Maß, entwirft individuell die gewünschten Motive und überträgt sie auf den Stoff – alles in Handarbeit, ohne Computer. Jeden Tag nähen und sticken die beiden Frauen. Für sie ist es ihr Traumberuf. Beide sind seit 40 Jahren in der Werkstatt tätig, beide handarbeiten für ihr Leben gern, haben ihr Hobby zum Beruf gemacht. Bernadette Düvel erzählt: „Die Liebe dazu muss man haben. Das Schöne bei uns ist, dass wir hier immer individuell arbeiten, Schritt für Schritt. Das unterscheidet uns vom Katalog.“

Bilder und Motive vermitteln die göttliche Botschaft

Auch ihr Glaube trägt Bernadette Düvel bei ihrer Arbeit. In den Motiven und Symbolen spiegeln sich auch ein wenig ihre Überzeugungen, Vorstellungen und Bilder. Sie entwirft Motive selbst, vermittelt in der Beratung Ideen und Sichtweisen. Wertschätzung und Ehrfurcht sind für die Paramentenmeisterin sehr wichtig. Auch das wurzelt in ihrer christlichen Haltung. „Dass wir diese Gewänder ehrfürchtig behandeln, das schulden wir unserem Glauben“, betont sie und erklärt: „Wir verhüllen den Priester mit dem Gewand zur Ehre Gottes.“ Die sakralen Stickereien auf den Messgewändern stammten ursprünglich aus der Zeit, in der viele Menschen noch nicht lesen und schreiben konnten. Bilder und Motive auf Stolen und Gewändern sollten ihnen die göttliche Botschaft vermitteln. Auch heute sei das noch so, sagt sie, und zeigt das Messgewand des Wallfahrtsortes Rulle, das zur Reinigung und Ausbesserung in der Paramentenwerkstatt ist. Es zeigt Motive des „Blutwunders von Rulle“. Gestickt wurden sie vor fast 40 Jahren von Nicole Jansen in ihrer Lehrzeit, entworfen hat das Motiv Schwester Benedicta, die frühere Leiterin der Werkstatt. 

Ohne Gewand wird man oft nicht ernst genommen.

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Aufarbeitung einer kfd-Fahne. Foto: Astrid Fleute

Bernadette Düvel erinnert sich an viele Gewänder, an denen sie mitgewirkt hat. Manche sieht sie mit der Zeit wieder – nicht immer in einem guten Zustand. Das ärgert die Meisterin: „Wertvollste Gewänder werden in den kleinsten Postkarton gesteckt und zu uns geschickt“, erzählt sie. Oft seien sie gerade am Hals und am Saum stark verschmutzt oder kaputt. Ihr Rat an die Gemeinden: einmal im Jahr die Messgewänder reinigen lassen. Für die Pflege der Gewänder sind in den Gemeinden oft die Küsterinnen und Küster zuständig. Daher besucht Bernadette Düvel seit mehreren Jahren ihre Ausbildungskurse und gibt Pflegetipps. Auch bietet sie an, die Gewänder reinigen zu lassen, sie zu bügeln und wenn nötig auszubessern. Das wird von immer mehr Gemeinden in Anspruch genommen. 
Diese Ausbesserungs- und Reinigungsarbeiten nehmen in der Paramentenwerkstatt heute immer mehr Raum ein. Neubestellungen werden seltener, auch wenn sich mittlerweile viele Pastoralreferenten und -referentinnen eine Albe als liturgisches Gewand bei Bernadette Düvel anfertigen lassen. Sie freut sich und betont: „Wer in der Kirche etwas zu sagen haben möchte, sollte ein Gewand tragen. Sonst wird man oft nicht ernst genommen.“ Diese Erfahrungen spiegelten ihr die Kunden oft wieder – zu Recht, wie sie meint: „Ich finde, man sollte in der Kirche dem Anlass angemessen angezogen sein. Und der Anlass ist eine ernste Sache. Ich verkündige ja nicht irgendetwas.“ 

Seit den Anfängen der Klostergründung in Osnabrück 1865 unterhalten die Benediktinerinnen eine eigene Paramentenwerkstatt, in der liturgische Gewänder in Handarbeit gefertigt werden. Das Handwerk ist nicht nur in kirchlichen Kreisen nachgefragt, auch zum Beispiel Schützenvereine sind gute Kunden am Hasetorwall. Gerade ist Nicole Jansen dabei, eine neue Fahne für den Schützenverein Füchtorf zu besticken. Über 200 Stunden haben die beiden Frauen bereits an diesem Projekt gearbeitet, nun ist die Fahne nahezu fertig. Wichtige kirchliche Aufträge haben für Bernadette Düvel jedoch nach wie vor Vorrang. Neben Gewändern und Fahnen zählen dazu auch Stolen, Alben, Tücher, Taufkleider, Kommuniongewänder, die Gewänder und Hauben der Ordensschwestern, Altar- und Kelchwäsche – „eigentlich alles, was für die Kirche gebraucht wird“, erklärt Bernadette Düvel. Aufträge kommen mittlerweile von überall her, die gute Qualität spricht sich herum. Auch die Stickereien am Bischofsstuhl im Osnabrücker Dom, die nach dem Rücktritt von Franz-Josef Bode entfernt wurden, stammen aus ihrer Werkstatt. 

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Wertvolle Stickereien aus echten Goldfäden und Haarseide. Foto: Astrid Fleute

Gerne berät Bernadette Düvel bei Neubestellungen zu Farben, Symbolen und Motiven, die auf die Stoffe gestickt werden sollen. „Wir haben ja eine so reiche Symbolsprache“, sagt sie und gerät ins Schwärmen: Regenbogen, Fische, Kreuze, Tauben, Anker, Herzen, Flammen, Wege, Schiffe – alles haben sie in Osnabrück schon gestickt und entworfen. Bernadette Düvels Lieblingsmotiv ist das Labyrinth. Sie sagt: „Das drückt für mich aus, wie wir als Christen leben.“ Aber auch den brennenden Dornbusch haben die beiden Frauen schon in allen Varianten gestickt – „wir brannten fast selber schon“, sagt die Stickmeisterin und muss schmunzeln. 

Ein wichtiges Thema in der Werkstatt ist auch die Nachhaltigkeit. Gewänder und Tücher, die nicht mehr benötigt werden, arbeiten die Frauen auf und geben sie weiter in die Mission oder in die Ostkirche, wo zum Beispiel Rochetts, die hier aus der Mode gekommen sind, noch getragen werden. Große Lieferungen sind so bereits von Osnabrück aus in die Welt gegangen. „Die Priester weinen teilweise vor Freude“, erzählt Bernadette Düvel. Ist ein Stoff nicht mehr zu retten, trennt sie die wertvollen Stickereien ab, um wenigstens sie zu erhalten. Der Stoff selbst müsse dann aber verbrannt werden, erklärt sie. Vorgabe der Kirche sei es, die Gewänder so zu vernichten, dass sie nicht außerkirchlich weiterverwendet und damit missbraucht werden können: „Für Karneval oder Okkultismus wird so etwas schon mal gerne genommen.“ 

Die Fingerfertigkeit steckt in uns Menschen drin

Bernadette Düvel liegt am Herzen, das alles erhalten bleibt, ist es doch ein Stück Kultur und wertvolle Handarbeitskunst.  „Es ist doch jammerschade, wenn was wegkommt“, sagt sie und versucht, so viel wie möglich aufzuarbeiten. Dass sie mit ihrem Beruf und ihrer Arbeit eine aussterbende Spezies ist, ist ihr bewusst: „Mittlerweile lagert hier bereits Material von fünf anderen Werkstätten, die im Laufe der letzten 40 Jahre schon aufgegeben haben“, erklärt sie. Im Flur hat sie ein kleines Museum aufgebaut mit selten gewordenen Schneider- und Handarbeitswerkzeugen und Musterbeispielen. Bernadette Düvel wäre auch gern Handarbeitslehrerin geworden und bedauert, dass viele junge Menschen nicht mehr Stricken, Häkeln, Sticken oder Nähen lernen. „Es gibt kaum noch Handarbeitsunterricht in den Schulen. Dabei steckt die Fingerfertigkeit in uns Menschen drin.“ Es sei wunderbar, zu sehen, was man mit den eigenen Händen schaffen könne, schwärmt sie. Und noch etwas ist ihr wichtig: Wer einen Pullover selber stricke oder eine Hose selber nähe, der werfe diese Kleidungsstücke nicht so schnell weg – ein wichtiger Beitrag zur Nachhaltigkeit, den jeder beherzigen könne.

Zur Sache

Als Paramente werden Textilien bezeichnet, die in der kirchlichen Liturgie verwendet werden. Dazu gehören Messgewänder und Stolen, Alben, Soutanen, Talare, Ministrantengewänder, aber auch Kelch- und Altarwäsche gehören dazu. Die frühesten Darstellungen von Paramenten sind aus dem 6. Jahrhundert bekannt. 
Im Bistum Osnabrück werden sie gefertigt und ausgebessert in der Paramentenwerkstatt im Benediktinerinnenkloster in Osnabrück: www.osb-os.de/paramenten-werkstatt

Astrid Fleute