Impuls zur Sonntagslesung am 30. Februar 2025: 4. Fastensonntag

Kleine Schritte zum Frieden

Ein Kind malt eine Friedenstaube

Ftoo: istockphoto/Dusan Stankovic

Ein Kind in Serbien malt seinen Traum vom Frieden.

Gott hat uns den Dienst der Versöhnung aufgetragen, schreibt der Apostel Paulus an die Gemeinde in Korinth. Dieser Auftrag gilt für Christen auch heute noch. Drei Beispiele, wie Versöhnung und Frieden gelingen können – im Kleinen wie im Großen.

Versöhnung im Land

„Suchen nach dem, was verbindet, beiseitelassen, was trennt“:  Diesen Satz von Papst Johannes XXIII. hat sich die katholische Gemeinschaft Sant’Egidio ins Stammbuch geschrieben. Seit 1968 engagieren sich die Ehren- und Hauptamtlichen weltweit unermüdlich für Frieden und Versöhnung. In besonderer Weise gelang das 1992 in Mosambik: Mehr als 16 Jahre dauerte der Bürgerkrieg in dem afrikanischen Land, eine Million Menschen starben, 4,5 Millionen wurden vertrieben. Sant’Egidio schickte Helfer ins Land, um Nahrungsmittel und Medikamente zu verteilen – und wurde schließlich zum Vermittler zwischen der Regierung Mosambiks und der Rebellengruppe Renamo.

Die christliche Laiengemeinschaft zeigte, was Paulus in seinem Schreiben auch der Gemeinde in Korinth sagt: Gott ist es, der uns aufgetragen hat, den Dienst an der Versöhnung zu übernehmen. Dazu gehört, nicht aufzurechnen, wer was getan hat, sondern – ganz im Sinne von Papst Johannes XXIII. – den Blick nach vorne zu richten: Wie kann Frieden gelingen? Was braucht es für eine Versöhnung zwischen Kriegsparteien?

Im Sommer 1990 trafen sich die Feinde erstmals im Kloster von Sant’Egidio in Rom zu Gesprächen. Die Gemeinschaft wurde als Vermittler akzeptiert, weil sie keinerlei wirtschaftliche oder politische Interessen in Mosambik hatte. Die Gespräche brauchten viel Geduld. Das Vertrauen musste erst wachsen. Doch schließlich unterzeichneten die beiden Parteien einen Friedensvertrag. Jedes Jahr erinnern seitdem die Ehrenamtlichen von Sant’Egidio in Mosambik an diese Leistung: mit Märschen, Treffen in Schulen, Gebetsstunden und interreligiösen Treffen.

 

Versöhnung in der Gesellschaft

Jugendliche aus Kolumbien bei einer Tanzaufführung in Bogota
Die Jugendlichen aus Kolumbien halten die Namen ihrer Angehörigen hoch und bekennen sich zu ihrem Schmerz.
Foto: Ulrike Purrer

Vor einigen Wochen hat Ulrike Purrer mit einer Tanzgruppe aus ihrem Jugendzentrum eine besondere Reise unternommen: Sie fuhren von ihrem Dorf in der kolumbianischen Provinz in die Hauptstadt Bogotá, um dort in einem Theater das Tanzstück „Normalität“ aufzuführen. Es handelt von den Vätern, Brüdern und Onkeln der Tänzer, die im Drogenkrieg umgebracht wurden. „Die Jugendlichen tanzten mit einer großen Ernsthaftigkeit, konzentriert, mit Tränen in den Augen und Wut im Bauch“, sagt Purrer. „Und sie tanzten mit dem Wissen, dass Tanzen besser ist als Rache.“

Ulrike Purrer leitet ein katholisches Jugendzentrum in einem Armenviertel der Stadt Tumaco im Südwesten Kolumbiens. In diese Region führt nur eine einzige Straße, die Gesundheitsversorgung ist schlecht, oft fällt der Strom aus. Tumaco ist von der Welt abgehängt – und genau deshalb blüht hier der Drogenhandel. Gewalt, Prostitution und Schießereien gehören zum Alltag der Kinder und Jugendlichen. Der Dienst an der Versöhnung, den Paulus anmahnt, ist Teil von Purrers täglicher Arbeit.

Sie lebt in einer einfachen Hütte in dem Viertel. „Ich möchte den Kindern hier zeigen, dass es Alternativen gibt zum Drogenhandel und zur täglichen Gewalt. Dass es für Frauen mehr gibt, als früh Mutter zu werden. Dass es möglich ist, Abitur zu machen und eine Universität zu besuchen“, sagt sie. In der Tanzgruppe lernen die Mädchen und Jungen, ihre Körper zu beherrschen. „Das ist superwichtig für ihr Körperbewusstsein und ihr Selbstbewusstsein – auch gegenüber Männern“, sagt Purrer.

Bei dem Auftritt im Theater in Bogotá hatte sie Tränen in den Augen, obwohl sie den Tanz zuvor schon zig Mal gesehenhatte. „Für die Jugendlichen war es ein riesiger Schritt in Richtung Versöhnung. Sie stehen zu ihren Verletzungen, sie erobern sich ihre Würde zurück und zeigen die Namen ihrer Brüder und Väter, die ermordet wurden, öffentlich“, sagt Purrer. Sie weiß, dass für eine vollständige und ehrliche Versöhnung Täter und Opfer aufeinandertreffen und miteinander reden müssten. Doch davor liegen „andere erste, nicht weniger mutige Schritte“, sagt sie. Der Tanz in Bogotá war einer davon.

 

Versöhnung mit Gott

In der Liebfrauenkirche im Zentrum von Frankfurt am Main kann jeden Tag gebeichtet werden: Sechs Stunden nehmen sich die Kapuzinerbrüder täglich Zeit für Seelsorge, Gespräche und das Sakrament der Versöhnung. Regelmäßig sitzt auch Bruder Bernd Kober, der Kirchenrektor der Gemeinschaft, im Beichtstuhl. Er sagt: „In den sechs Stunden gibt es vielleicht eine halbe Stunde, in der niemand da ist.“

Zu ihm kommen Menschen aus aller Welt, viele aus Asien oder Südamerika, für die die Beichte fest zu ihrem Glaubensleben gehört. Es kommen aber auch Männer und Frauen, die zuletzt vor Jahren gebeichtet haben, nun aber das Bedürfnis spüren, mit einem Geistlichen zu sprechen. Es kommen Menschen, die keiner Konfession oder Religion angehören, die aber ein Gespräch in einem geschützten Raum suchen. „Sie alle erzählen von Beziehungsproblemen, von Brüchen in ihrem Leben, von wirtschaftlichen Nöten, von Abhängigkeiten von Drogen oder von Prostitution“, sagt Bruder Bernd. Er möchte ihnen helfen, sich mit sich selbst und mit Gott zu versöhnen. „Ich spreche ihnen die Barmherzigkeit Gottes zu und sie spüren, dass Gott sie nicht verurteilt. Manchmal kann das ein erster Schritt sein, sein Leben umzukrempeln“, sagt er.

Bruder Bernd erlebt täglich, wie die Beichte die Menschen verändert. Obwohl er die meisten nicht kennt, spürt er das. „Sie sind erleichtert und ermutigt, wenn sie gehen. Das Reden hat ihnen geholfen“, sagt er. Die Sorgen und Ängste auszusprechen, sei ein heilsamer Weg, glaubt Bruder Bernd. „Sich das selbst einzugestehen, ist ein Schritt auf dem Weg der Versöhnung mit sich selbst und mit Gott.“

Kerstin Ostendorf