Anstoß 27/20
Kleinigkeiten

Normalerweise brauche ich mit dem Fahrrad 13 Minuten bis zur Arbeit. Ich gehöre zur wachsenden Zahl von Menschen, die glauben, dass man in der Großstadt kein eigenes Auto braucht.
Erstens ist man mit dem Rad viel schneller unterwegs, zweitens spare ich mir auf dem Drahtesel die Maske, hinter der ich in der Bahn bei sommerlichen Temperaturen schwitze.
Allerdings habe ich seit einigen Tagen das Gefühl, ich komme nicht so recht vom Fleck. Dabei trete ich ordentlich in die Pedale. Bin ich nicht in Form? Bin ich krank? Zu meiner Schande muss ich gestehen, dass ich erst ziemlich spät auf den Gedanken komme, den Reifendruck zu prüfen. Gut zwei Bar sind definitiv zu wenig. Kein Wunder, dass es nicht rollt. Wenig Druck, mehr Auflage, größerer Reibungswiderstand. So viel weiß ich noch aus dem Physikunterricht. Ich laufe in den Keller, angle mir die Luftpumpe und zwei Minuten später läuft es wieder. Unterwegs muss ich über mich selbst lachen. Von wegen nicht in Form oder krank.
Ich glaube, dass es uns oft so geht. Irgendetwas läuft nicht rund und wir vermuten das Schlimmste. Dabei fehlt vielleicht nur eine Kleinigkeit – so wie die Luft in meinen Reifen. Aber auch das lerne ich von der Geschichte mit dem Rad: Kleinigkeiten sind wichtig. Sie können wie der Sand im Getriebe sein.
Im Alten Testament beschwert sich Mose über das Volk Israel: „Was soll ich mit diesem Volk anfangen? Es fehlt nur wenig und sie steinigen mich.“ (Exodus 17,4) Die Kleinigkeit, von der Mose spricht, ist das Wasser. Mitten in der Wüste sitzen die Israeliten auf dem Trockenen. Kein Wunder, dass nichts mehr geht.
Auch im Glauben spielen solche „Kleinigkeiten“ eine wichtige Rolle. Wenn es nicht mehr läuft, sind es vielleicht nur ein paar Minuten Stille, die ich mir und Gott gönnen sollte.