Professor Richard Hartmann zu Krankensalbung und -segnung
"Krankensegen ein heilsames Zeichen"
Richard Hartmann ist Pastoraltheologe und Seelsorger. Der Professor an der Theologischen Fakultät in Fulda erklärt im Interview, welchen Wert die Krankensalbung hat, warum nur Priester sie spenden dürfen – und warum der Krankensegen immer wichtiger wird.
Professor Hartmann, für wen ist die Krankensalbung gedacht?
Vor vielen Jahren war ich selbst schwerkrank im Krankenhaus. Damals hätte ich mir gewünscht, dass mich jemand fragt, ob ich die Krankensalbung haben möchte. Es hat aber niemand gefragt. Und ich dachte: Mach’ nicht so viel Aufhebens um dich selbst! Heute weiß ich, dass das falsch war. Die Krankensalbung ist für einen Menschen, der schwerkrank und in Sorge ist, der auf Heilung hofft oder auf Begleitung auf dem Weg zum Tod. Es geht um eine existenzielle Situation.
Von der Krankensalbung in der Seniorenmesse halten Sie also nichts?
Nein, ich war mal dabei und halte mich seitdem davon fern. Ich erinnere mich, dass die recht fitten Senioren nach vorne kamen zur Salbung. Eine hatte sogar ihren Enkel dabei und meinte: „Der auch, schadet ja nichts.“ Bei einer solchen Praxis verliert das Sakrament seinen Wert. Das ist ein Ausverkauf.
Was ist denn sein Wert?
Es ist für den gläubigen Menschen ein Geschenk, in dem Gott selber ihm zusagt: Ich begleite dich in deiner Krankheit, ich stärke dich, wenn du gesund werden kannst, und ich lasse dich nicht los, wenn du in den Himmel gehst.
Das In-den-Himmel-Gehen ist die Verbindung zur letzten Ölung, wie es früher hieß.
Ja, und daran zeigt sich, dass die Krankensalbung ein Ja-aber-Sakrament ist: Ja, es geht um Heilung. Aber es geht auch um Unterstützung im Sterben. Die ursprüngliche Idee ist ja der Versehgang: dass der Sterbende noch einmal die Kommunion empfängt, die Salbung erhält und das Bußsakrament empfängt. Aber das entspricht kaum der Realität, denn Sterbende können oft nicht mehr kommunizieren oder beichten; da bleibt die Krankensalbung, weil sie selbst dazu wenig tun müssen. Und gerade dann ist sie ein großer Trost für Sterbende und für ihre Angehörigen, das weiß ich aus eigener Erfahrung, denn ich bin ja Pries-ter und werde auch manchmal zu Krankensalbungen gerufen.
Warum ist es nur Priestern erlaubt, die Krankensalbung zu spenden? Das wird ja von vielen in der Krankenseelsorge kritisiert.
Das hat mit der Sündenvergebung zu tun. Schon im Jakobusbrief, in dem die Krankensalbung biblisch grundgelegt ist, heißt es: „Das gläubige Gebet wird den Kranken retten … und wenn er Sünden begangen hat, werden sie ihm vergeben.“ Diese Verbindung gibt es bis heute, und die Lossprechung von Sünden ist in der katholischen Kirche eben mit dem Priesteramt verbunden. Wenn man daran etwas ändern will, müsste das weltkirchlich passieren. Aber ich sehe nicht, dass das realistisch ist.
Bedauern Sie das?
Ich habe viel zu tun mit den Ständigen Diakonen und würde sagen: Welches sakramentale Zeichen könnte wichtiger sein für Diakone? Wenn sie Auge und Hand des Bischofs bei den Notleidenden sind, dann sollte die Krankensalbung ihnen anvertraut werden.
Natürlich muss man dann auch über die für die Krankenseelsorge beauftragten Laien sprechen, ob es ihnen auch anvertraut werden sollte. Aber noch einmal: Wenn die Krankensalbung so eng mit der Sündenvergebung verbunden ist, werden wir die Spenderfrage lokal nicht ändern.
Diese Verbindung von Krankensalbung und Sündenvergebung ist aber den wenigsten bewusst, oder?
Ja, das stimmt, und das hat auch damit zu tun, dass das sakramentale Bewusstsein der Menschen abnimmt. Es geht vielen weniger um das objektive Sakrament, sondern um einen Segen in ihrer Krankheit oder auch in ihrer Sterbestunde. Deshalb gewinnt der Krankensegen in der Seelsorge immer größere Bedeutung. Den Krankensegen können alle Seelsorgerinnen und Seelsorger spenden und das ist auch gut so. Denn die Kranken und ihre Angehörigen sind darüber wortwörtlich heilfroh und dankbar.
Was genau ist der Krankensegen?
Im Krankensegen vertrauen wir einen Menschen Gott an, der sagt, es ist und es wird gut mit dir. Das geschieht in amtlichen Riten – schon im offiziellen Segensbuch der Kirche gibt es eine Form, das machen Seelsorgerinnen und Seelsorger, aber das ist auch allen Getauften in ihrem Bereich anvertraut: Es ist ein Zeichen für die Gegenwart Gottes, nicht in der amtlichen Form der großen Sakramente, aber doch für viele spürbar und wirksam. Menschen spüren eben nicht nur im Sakrament, sondern auch in dieser Form, dass sie der Liebe Gottes anvertraut sind.
Wären Sie dafür, den Krankensegen zu stärken?
Ja, auf jeden Fall, denn er ist ein heilsames Zeichen und in der Praxis gerade im Krankenhaus wird er sehr gerne angenommen. Wenn wir aber auch das Sakrament der Krankensalbung stärken wollen, dann müssen wir kirchlich neu über die Spender diskutieren, erst recht in Zeiten des Priestermangels.
Interview: Susanne Haverkamp