Tischlermeister Krautwald gestaltet nicht nur Möbel
Kreuze zum Nachdenken
Roland Krautwald aus Wunstorf baut natürlich Tische, Schränke und Vitrinen. Aber wann immer es seine Zeit zulässt, gestaltet er Kreuze. „Es begleitet uns Christen seit 2000 Jahren, aber seine Aussage ist immer noch aktuell“, sagt der 54-jährige Tischlermeister.
Als Tischlermeister Roland Krautwald vor acht Jahren seine Werkstatt im Wunstorfer Industriegebiet eröffnete, machte er etwas, das längst nicht mehr selbstverständlich ist: Er ließ die Halle segnen und brachte an der Eingangstür ein großes Kreuz an. Das hilft ihm in guten Zeiten, die Bodenhaftung nicht zu verlieren. Und in schlechten Tagen ist es für ihn ein Hoffnungszeichen.
Sein Geld verdient Krautwald mit Auftragsarbeiten, legt dicke Eichenbohlen auf Hobel und Kreissäge, schreinert Tische, Vitrinen, entwirft Geländer. Wenn es unbedingt sein muss, verarbeitet er auch furnierte Spanplatten, aber dann achtet er darauf, dass sich die Maserung ansatzlos in den einzelnen Teilen fortsetzt. Seine Arbeit nimmt Roland Krautwald ernst, Handwerkerehre ist für ihn keine Floskel. „Ist ja nicht für mich“ ist ein Spruch, den er für sich nicht gelten lässt. „Wenn mir etwas gut gelingt, dann schlägt mein Herz höher“, sagt er. Wie bei dem Lesepult für die alte Kirche im benachbarten Bordenau. Es fügte sich gut in die historische Ausstattung, keinem fiel auf, dass es neu war.
Auch Kirchengemeinden sind Auftraggeber
Der Wunstorfer Tischlermeister arbeitet immer wieder für Kirchengemeinden in der Umgebung – vom Rollwagen für Gesangbücher über den Schriftenstand bis hin zur neuen massiven Holzwand für eine alte Marienfigur. Für einen Privatmann hat er sogar die Grundsanierung einer Orgel übernommen. Aber zwischendurch nimmt er sich Zeit für sein besonderes Anliegen: Krautwald gestaltet Kreuze. „Für mich ist das immer wieder eine große Herausforderung und ich setze viele Gedanken und Ideen dabei um.“
Begonnen hat alles mit einem über zweieinhalb Meter hohen Holzkreuz, das Krautwald extra für die Einweihung seiner Werkstatt baute. Zwölf Stahlplatten hat er darauf verteilt, sie stehen für die Apostel, die Jesus begleitet haben. Eine davon ist nicht etwa verrutscht, sondern mit Absicht in leichter Schräglage angebracht – als Symbol für Judas. Später stand es im Rahmen der Firmvorbereitung für einige Monate in einer Braunschweiger Kirche und ging dann auf Reisen quer durch das Bistum.
Nachts kommen die besten Ideen
Was fasziniert den Tischler so sehr an diesem von der Grundform doch eigentlich schlichten Kreuz, dass er sogar nachts aufsteht, wenn ihm eine Idee durch den Kopf geht, um sie zunächst einmal in einer groben Skizze festzuhalten? „So viele Gedanken lassen sich hinein interpretieren. Es begleitet uns Christen seit 2000 Jahren, aber in dieser Zeit haben wir uns weiterentwickelt und verändert – im Guten wie im Schlechten. Das möchte ich ausdrücken in meiner Arbeit.“
In jedem Krautwald-Kreuz stecken jede Menge Gedanken. Als er kirchlichen Mitarbeitern den Entwurf für das Besprechungszimmer vorstellte, fiel ihnen auf, dass die Einzelteile wie bei einer Uhr rechtsdrehend angeordnet waren: „Ist es noch zeitgemäß, was wir entscheiden?“, wollte Roland Krautwald sie zum Nachdenken anregen. Asymmetrisch gestaltet ist dagegen ein anderes Kreuz aus Schiefer: die schmal gehaltene Seite ist ein Symbol für die kleine Zahl der Menschen, die nicht weiß, wohin mit ihrem Geld. Die breite Senkrechte steht für die breite Masse, die oft nicht weiß, wie sie über die Runden kommen soll. „Damit greife ich die Schieflage unserer Gesellschaft auf“, interpretiert Krautwald. Für ihn eines der großen Probleme unserer Zeit: „Wir verlieren den anderen aus dem Blick. Jedem juckt es in den Fingern, es geht nur noch um Gewinn. Das macht mich wild.“ Für sich und seine kreative Arbeit steht die Linie jedenfalls fest: „Als Handwerker muss ich für mich und meine Familie Geld verdienen. Aber verbiegen lasse ich mich für einen Auftrag nicht.“
Einen Traum möchte sich der 54-jährige Wunstorfer Tischler allerdings gern erfüllen: eine Ausstellung mit seinen Kreuzen. „Vielleicht schaffe ich es ja, wenigstens einen Teil meiner Ideen umzusetzen und damit zum Nachdenken anzuregen.“
Weitere Informationen im Internet: handwerk-kirche.de
Stefan Branahl