Restaurierter Kreuzweg in Künzell
Kreuzwege sind Lebenswege
Vor 66 Jahren erhielt die Künzeller Kirche St. Antonius ihren Kreuzweg von Agnes Mann in Ölmalerei. Frisch restauriert und auf Glasstelen angebracht, ergänzen ihn Auferstehungsgedanken der Künstlerin Ingrid Moll-Horstmann. Von Evelyn Schwab.
„Das Werk ist gelungen“, freut sich Pfarrer Rudolf Liebig. „Viele Hände, Köpfe und Herzen haben mitgeholfen!“ Der 1952 von Agnes Mann geschaffene Kreuzweg kehrte aufgefrischt wieder in die St.-Antonius-Kirche zurück. Diplom-Restauratorin Michaela Heckel aus Hünfeld überarbeitete die 14 Stationen der 1994 im 87. Lebensjahr verstorbenen Künstlerin aus der Rhön. Ingrid Moll-Horstmann aus Paderborn ergänzte die 15. Station „Auferstehung“, brachte die Bilder auf Glasstelen mit symbolischen Auferstehungsgedanken an und verband alles mit den von ihr farbig gestalteten Glastüren und einem neuen Altarbild in Blautönen.
„Sieben Jahre hat es gedauert, bis der Kreuzweg fertig war“, so Liebig im Blick zurück. Er danke allen Unterstützern und Helfern, nicht zuletzt auch dem Dombaumeister und Kunstbeauftragten des Bistums, Dr. Burghard Preusler, sowie Martin Matl, stellvertretendem Leiter der Bauabteilung des Bistums. Auch in der eigenen Gemeinde habe es viele engagierte Menschen gegeben: „Wir waren oft unterwegs. Bis nach Paderborn ins Atelier!“
Korrespondenz zwischen den Kunstwerken
„Alles wird gut, weil Gott mitgeht“, das sei die Zusage der neuen 15. Station in strahlendem Gelb. Sie lade den Betrachter nach eingehender Meditation der eher dunkel gehaltenen Bilder von Agnes Mann dazu ein, in das neue Leben aufzubrechen. Im unteren Bereich der Stelen brachte Moll-Horstmann Scheiben an, welche die Kreuzwegstationen auf die heutige Zeit hin interpretieren.
„Alle 14 Stationen sind Erlebnisse dessen, was der Mensch in seinem Leben erfahren kann“, formuliert Rudolf Liebig in einer Deutung des Kreuzwegs. So fragt er etwa: „Lassen wir uns benutzen?“, „Können wir unsere Verletzungen annehmen?“ oder „Mit wem gehen wir Dornenwege?“
Drei Grundgedanken nannte Liebig in der Predigt des Segnungsgottesdienstes. Wer verzweifelt sei, dem helfe von einem zu wissen, der Schmerz, Verzweiflung und Gottverlassenheit kenne. Lebensbrüche gebe es bei jedem Menschen. Jesus auf seinem Kreuzweg rufe zu: „Du darfst das Aufstehen nicht vergessen!“ Und: Der Weg zum Berg Golgotha ist schwer, doch ohne Aufstieg geschehe keine Erlösung. Die Kreuzigung werde zum leuchtenden Zeichen der Ewigkeit. Liebig wünschte gute und tiefe Meditation und schon in der Fastenzeit eine Vorahnung der Auferstehungsfreude.
Zur Sache: Mit 50 Jahren Meisterschülerin
Agnes Mann wurde am 4. Oktober 1907 in Paderborn geboren und ging nach der Lyzeumsreife 1926 als Kunstschülerin in die private Malschule von Hans Karp nach Düsseldorf. Von 1928 bis 1931 folgte eine Ausbildung in der Kranken- und Säuglingspflege. Bis November 1935 übernahm sie in Berlin die Privatpflege einer kranken Dame. In der Hauptstadt lernte sie Ehemann Josef Humer kennen, einen Schriftsteller. Bereits 1935 übersiedelten beide in die Rhön.
Während der Zeit des Nationalsozialismus arbeitete Agnes Mann illustrativ für den Bonifatiusboten. Von 1939 bis 1943 befand sie sich als Krankenschwester im Kriegseinsatz in Polen und Russland, wo sie selbst schwer erkrankte. Nach der Rückkehr in die Rhön starb 1945 ihr Ehemann. Ihren Lebensunterhalt sicherte sie sich zunächst durch Mithilfe in der Landwirtschaft und Herstellung von Kunsthandwerk.
Beim Fuldaer Katholikentag 1954 begegnete die Künstlerin Erzbischof Lorenz Jäger, Paderborn, und Bischof Adolf Bolte, Fulda. Beide gaben ihr Anregung und Hilfe zu einem Kunststudium. Über Stationen in Freiburg und Krefeld absolvierte Agnes Mann 1958 die Abschlussprüfung der Werkkunstschule Krefeld.
Wieder in der Rhön, in Poppenhausen-Güntersberg, schuf die „spätberufene Künstlerin“ in ihrem Atelier zahlreiche Arbeiten für den kirchlichen Bereich. Erster Auftrag: Fenster für die Kirche St. Wigbert in Wabern bei Fritzlar.
Farbfenster, Mosaiken, Bildstöcke, Plastiken, Goldschmiedearbeiten für die Liturgie. Neben kirchlicher Kunst widmete sich Mann allerdings auch in realistischen Darstellungen von Natur und Mensch der religiösen Dimension. Warum? Sie berichtete einmal, dass die große Schürze des Kindermädchens ihr in jungen Jahren Schutz bot. Doch wo könne ein Erwachsener hinlaufen? Agnes Mann persönlich hielt Religion „für etwas ganz Wichtiges, etwas, ohne das Leben kaum möglich ist. Das Leben – unter dem Kreuzweg!“ (ez)