Franziskaner Helmut Schlegel: Ideen für kreative Gottesdienste

"Liturgie darf nicht priesterzentriert sein"

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Der Franziskaner Helmut Schlegel hat gerade sein zweites Buch mit Ideen für kreative Gottesdienste vorgelegt. Im Interview erklärt der langjährige Leiter des Meditationszentrums Heilig Geist in Frankfurt, wie es gelingen kann, den Glauben meditativer und kreativer zu feiern.



Pater Helmut Schlegel: "Wegkommen vom Liturgismus".

 

Pater Helmut, an Eucharistiefeiern in Deutschland nehmen immer weniger Menschen teil. Lässt sich das als Zeichen deuten, dass es andere Formen braucht?
Dass die Gottesdienstteilnahme sinkt, das geht ja schon ziemlich lang so und hat viele Gründe. Dazu gehört, dass Liturgie oft nicht lebendig genug, und ja, auch nicht mystisch genug ist. Eine fertige Sprache, ein abgehobener Ritus, der Mangel an Stille – das spricht offensichtlich Menschen nicht im Kern ihrer Seele an. 

Sie wollen mit kreativen Gottesdiensten Menschen die Feier des Glaubens erlebbar machen als etwas, das für ihr Leben relevant ist. An wen richten Sie sich?
Nicht nur an junge Leute. Ich werbe dafür, dass die Ausdrucksformen unserer Liturgie –  Sprache, Symbole, Raumgestaltung –  sehr demütig und einfach sind und sich nicht verselbstständigen. Liturgie sollte in einer sehr aufrichtigen Weise das zum Ausdruck bringen, was Jesus wollte: Menschwerdung. Darum geht’s. Um Erlösung. Jesus spricht Menschen ihre Möglichkeit zu, zu wachsen, frei zu sein.

Wie geht das denn, aufrichtig den Glauben feiern?
Wichtig ist, wegzukommen von einem Liturgismus, der sich versteigt, nicht nur in barocke Gewänder. Das lässt sich genauso in manchem Jugendgottesdienst erleben, wenn es selbstdarstellend, aktionistisch wird. Ich bin überzeugt: Je einfacher und demütiger ein Gottesdienst ist, desto mehr kommt zum Ausdruck, was Jesus will. Liturgie ist Gefäß, nicht Inhalt. Der Inhalt ist Gott.

Warum wünschen sich Menschen nach Ihrer Erfahrung andere als die tradierten Formen?
Weil sie Sehnsucht haben nach Formen, die sie in ihrem Mensch-Sein zutiefst ansprechen, in denen zum einen ihr Leben vorkommt in seiner Not, seinem Schmerz, seiner Hoffnung und seiner Freude. In denen das Leben aber nicht um sich kreist, sondern vor Gott kommt.  
 

Welche Rolle spielt der Raum?
Der Raum ist für mich etwas ganz Wichtiges. Schlicht und einfach sollte er sein und allen das Gefühl geben: Wir sind gemeinsam um den Tisch versammelt. Vielleicht können wir da von Jesus lernen. Er ist ja auch nicht in den Tempel gegangen, sondern hat den Menschen am See oder auf einem Feld von Gott erzählt.

Von Gott erzählen, das klingt so einfach. Wie sollte Sprache im Gottesdienst sein?
Sie darf nicht verfälschend sein, keine Kunstsprache, aber auch nicht banal, keine Gassensprache, nicht bewusst Menschen nach dem Mund redend. Sie muss ins Wort bringen, was den Menschen angeht, was sein Leben betrifft. Da ist Jesus schlechthinnig der Meister. Er zeigt uns, dass Gott nicht erklärt, aber erzählt werden kann.

Viele wünschen sich, dass Kirche den Frauen mehr Möglichkeiten zugesteht. Wird sich das auch auf Gottesdienste auswirken?
Liturgie darf nicht klerikalistisch, nicht priesterzentriert sein. Es geht um die Menschen, nicht um die Priester. Da braucht es noch Ermutigung zur Freiheit. Frauen haben oft einen anderen Blickwinkel als Männer, sind empathischer, finden eine andere Sprache und andere Formen. Ihren Beitrag wünsche ich mir schon in der kirchlichen Liturgie.
Gerade die Pandemie hat zudem gezeigt, dass es viele Chancen gibt, Liturgie breiter anzulegen. Wir können mehr als Eucharistiefeiern streamen.

Interview: Barbara Schmidt

Helmut Schlegel: "Verwandlung feiern – kreative Gottesdienste in der Fasten- und Osterzeit",
Verlag Friedrich Pustet, 128 Seiten, 14,95 Euro