Bundesvorsitzende des Sozialdienst katholischer Frauen Hildegard Eckert

„Maria 2.0 leben wir seit 120 Jahren“

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Beratung und Hilfe für Frauen: Das leistet der Sozialdienst katholischer Frauen (SkF). In 120 Jahren hat sich der Verein immer wieder neu erfunden. Seit Juni ist die Mainzerin Hildegard Eckert ehrenamtliche Bundesvorsitzende des SkF. Hier lesen Sie, was sie sich vorgenommen hat und wie sie für die Frauen kämpft. Von Karin Weber

Kurz nach 16 Uhr ist es still am Mainzer Sitz des Vereins Sozialdienst katholischer Frauen (SkF), die Pforte ist nicht mehr besetzt. Hildegard Eckert wartet am Eingang des dreigeschossigen Eckhauses. Eine Etage höher liegt das helle Vorstandszimmer.

Sich austauschen und beraten – und dann aktiv werden. SkF-Frauen im Gespräch mit Hildegard Eckert.
Sich austauschen und beraten – und dann aktiv werden.
SkF-Frauen im Gespräch mit Hildegard Eckert. Foto: privat

Hildegard Eckert lädt ein, am langen Besprechungstisch Platz zu nehmen. Die Juristin ist gerade erst aus der Anwaltskanzlei eingetroffen, in der sie im Bereich Arbeits-, Verwaltungs- und Sozialrecht tätig ist. „Ich muss kurz umswitchen“, sagt Eckert, denn nun stehen ihre ehrenamtlichen Tätigkeiten im SkF im Vordergrund. 

Seit 2015 ist Hildegard Eckert Mitglied des Bundesvorstandes des Sozialdienstes katholischer Frauen. Am 26. Juni wurde die 63-Jährige von der Delegiertenversammlung zur neuen Bundesvorsitzenden gewählt. „Frauen zu unterstützen. Das ist das Anliegen des SkF und daher auch meines“, sagt die Mainzerin. Sie möchte Frauen solidarisch eine Stimme geben und Verantwortung für Schwache übernehmen, sie in Nöten und Krisen unterstützen. Sei es Schutz vor Gewalt oder ganz klassisch in der Schwangerschaftsberatung.

Dabei fühlt sie sich verbunden mit der Gründerin des heutigen Sozialdienstes. Erklärend wirft sie einen Blick auf die Historie des katholischen Sozialdienstes: Agnes Neuhaus kümmerte sich vor 120 Jahren um Mädchen und Frauen in prekären Lebenssituationen und begann für diese ein Netzwerk der Hilfe aufzubauen. Als eine der ersten Frauen gehörte die Vereinsgründerin seit 1919 der Nationalversammlung an. Der Reformerin sei klar gewesen, sagt Hildegard Eckert, dass wichtige caritative Hilfe alleine nicht genüge. Denn für ein gerechtes Leben müssen darüber hinaus Gesetze, Bedingungen und Strukturen geschaffen werden.

Um ihr neues Amt im Bundesvorstand gut auszufüllen, braucht Hildegard Eckert ein gutes Auge für die überörtlichen Dinge. Denn die politischen und kirchlichen Netzwerke sind andere als die auf den regionalen Ebenen. „Der SkF ist bundesweit sehr bunt, vielfältig und heterogen – eine besondere Herausforderung, bei aller Vielfalt eine Einheit zu bilden.“ Zusätzlich benötigt die Mainzerin nun ein gutes Zeitmanagement. Denn die Zentrale des SkF liegt in Dortmund, zudem stehen viele Reisen an. 

Schutz der Frauen: Gewalt kann psychisch und ökonomisch sein

Persönlich sehr am Herzen liegt der neuen Bundesvorsitzenden der Schutz der Frauen vor Gewalt. Sie lehnt sich zurück, schließt für einen Moment die Augen. „Ich habe Jura studiert, an der Uni Mainz als wissenschaftliche Mitarbeiterin gearbeitet und damals schon gewisse Nöte wahrgenommen. Auch durch meine Arbeit in der Kanzlei habe ich viel mitbekommen: Die Würde der Frau, die durch Gewalt in engen Beziehungen verletzt wird. Dabei heißt Gewalt nicht nur, geschlagen zu werden. Gewalt kann vielfältig, psychisch und ökonomisch sein.“ 

Früher, erinnert sich die Juristin, seien Frauen meist aufgrund körperlicher Gewalt ins Frauenhaus geflohen. Heute stellen viele Betroffene mithilfe eines Anwalts einen Antrag auf Gewaltschutz. „Die Frauen, die heute zu uns kommen, sind nicht nur von körperlicher Gewalt betroffen. Sie kommen oft aus einer Welt voller patriarchalischer Wertevorstellungen und haben vielschichtige Probleme, darunter Verschuldung, Migrationshintergrund, Flucht und Sprachprobleme.“ Dadurch wird die benötigte Hilfe immer umfangreicher.

Hildegard Eckert – Ehrenämter gehören zu ihrem Leben. Foto: privat
Hildegard Eckert –
Ehrenämter gehören
zu ihrem Leben.
Foto: privat

Sie selbst sei wohlbehütet aufgewachsen, erzählt die Mutter dreier inzwischen erwachsener Töchter, die seit 40 Jahren verheiratet ist. „Ich konnte studieren, was ich wollte, hatte viele Freiheiten und kann in einer Kanzlei arbeiten. Ich finde, da muss ich diesem Leben etwas zurückgeben. Denn wenn man authentisch christlich die Botschaft des Neuen Testaments lebt, ist es die logische Konsequenz, sich gesellschaftlich zu engagieren. Für mein Handeln heißt das, anderen Menschen nach dem Beispiel Jesu zu dienen.“ 

Dies sind für sie keine Worthülsen. Die ehemalige Schulelternsprecherin wirkte viele Jahre in Elterngremien von Schulen und im Landeselternbeirat. Zudem ist sie seit zwölf Jahren Mitglied im Pfarrgemeinderat der Pfarrei Mariae Himmelfahrt in Mainz. Dort hat sie versprochen, trotz des neuen Amts wieder zu kandidieren. „Ich glaube, ich brauch‘ das“, sagt sie.

Trotz der vielen Aufgaben bleibt ihr Zeit zum Lesen und zu regelmäßigen Theaterbesuchen. Als langjähriger Fußballfan genießt sie es, die Partien der Mainz-05er mit ihrer Tochter im Stadion zu verfolgen und die Mannschaft einmal pro Saison bei einem Auswärtsspiel zu unterstützen. Darüberhinaus ist sie seit zwei Jahrzehnten im Tanzkreis einer Tanzschule aktiv. 

Möglichst jährlich nimmt Hildegard Eckert an Schweigeexerzitien teil. Da sie sonst viel reden muss, findet sie es großartig, mal nicht zu sprechen. Im November steht eine solche Auszeit zum Thema „Hoffnung“ an. „Die Hoffnung des Neuen Testaments – diese Botschaft ist so großartig: Liebe deinen Nächsten wie dich selbst. Oder das Kreuz – was für ein Hoffnungszeichen.“ 

Kritisch merkt die Pfarrgemeinderätin jedoch an, dass die Frohe Botschaft in der Kirche zu wenig betont werde. „Ich denke oft, lebt sie doch und sprecht darüber. Es braucht Mut, einfach mal etwas Neues zu wagen, ohne dabei ins Blaue hineinzurennen. Das gilt ein bisschen auch für mich: Denn in so ein Amt reinzugehen braucht auch gewissen Mut.“

Etwas Neues wagen, wie die Aktion „Maria 2.0“? „Nein“, lächelt die Bundesvorsitzende, die im Mainzer Ortsverein des SkF zweite Vorsitzende ist. „Neu ist das nicht. Wir im Verband leben Maria 2.0 seit 120 Jahren. Unsere Ämter sind ausschließlich von Frauen besetzt: Frauenpower, von Frauen für Frauen.“

„Mit Frauenkompetenz Machtstrukturen aufbrechen“

Persönlich begrüßt Eckert die Protestbewegung gegen klerikale hierarchische Strukturen in der Kirche. Mit Frauenkompetenz könnte man die festgefahrenen Machtstrukturen aufbrechen. 

„Ein notwendiger Weg, um die Kirche dauerhaft lebendig zu halten. Und mit lebendig meine ich, dass überhaupt noch Menschen kommen“, sagt sie.

 

Stichwort: 120 Jahre SkF

Der Sozialdienst katholischer Frauen (SkF) ist ein Frauen-und Wohlfahrtsverband im Deutschen Caritasverband. Bundesweit gibt es 138 Ortsvereine, die Schwangerschaftsberatungsstellen, Betreuungsvereine, Frauenhäuser, Adoptions- und Pflegekinderdienste und verschiedene Jugendhilfeeinrichtungen betreiben. Rund 10 000 Mitglieder und 15 500 ehrenamtliche und hauptberufliche Mitarbeitende engagieren sich im 120. Jahr nach der Gründung. (pm)

www.skf-zentrale.de