Mariä Himmelfahrt in der orthodoxen Kirche

Marienfasten vor dem großen Fest

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Frau vor einer Marienikone in einer orthodoxen Kirche
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Foto: Anja Sabel

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Die ehemalige evangelisch-reformierte Erlöserkirche in Osnabrück-Dodesheide ist seit 2010 die Kirche der Antiochenischen Gemeinde. Jaklin Ögütveren vor der Ikone, die die „Entschlafung“ Mariens zeigt. Foto: Anja Sabel

Mariä Himmelfahrt ist der orthodoxe Höhepunkt des Sommers. Jaklin Ögütveren von der Antiochenischen Gemeinde erzählt von ihrem Verhältnis zur Muttergottes und von ihrer Geburtsstadt, der Wiege des Christentums.

Jaklin Ögütveren fastet seit dem 1. August. Die orthodoxe Christin verzichtet traditionell auf tierische Produkte und Öl. Gekochtes Gemüse zum Beispiel brät sie nicht im Fett an. Marienfasten heißt diese besondere Zeit im Jahr. Sie endet am Fest Mariä Himmelfahrt – oder Mariä Entschlafung, wie es in der orthodoxen Kirche genannt wird. „Wir bereiten uns auf jedes große kirchliche Fest mit Fasten vor“, sagt Jaklin Ögütveren. „Wer zu einer Feier eingeladen ist, schlägt sich ja vorher auch nicht den Magen voll.“ Das Fasten, ergänzt sie, erinnere an das bevorstehende Fest, „wir konzentrieren uns darauf und beten öfter als sonst“.

Für Jaklin Ögütveren, 56 Jahre alt, ist Mariä Himmelfahrt der orthodoxe Höhepunkt des Sommers. Gleichbedeutend mit Ostern und Weihnachten. Sie bedauert: „Schade, dass es kein Feiertag ist.“ Denn das Marienfest wird in der Antiochenisch-orthodoxen Gemeinde in Osnabrück ausgiebig gefeiert: mit einem Gottesdienst auf Arabisch, Deutsch und etwas Griechisch am Vorabend, mit Essen, Trinken und Beisammensein. Die ehrenamtlichen Priester – einer ist hauptberuflich Arzt im Krankenhaus, der andere im IT-Bereich tätig – nehmen sich extra Urlaub. Und Gläubige, die eine weite Anreise haben, bringen manchmal Schlafsäcke mit, um gleich in der Kirche zu übernachten. „Die Älteren kennen das noch so aus ihren Herkunftsländern.“

In der orthodoxen Kirche wird Maria besonders verehrt. Als Gottesgebärerin hat sie eine Sonderstellung innerhalb der Ikonen. „Die Muttergottes ist ein Vorbild für uns und eine Fürsprecherin. Vor allem bei Krankheit beten wir zu ihr“, sagt Jaklin Ögütveren.  

Die Antiochenische Gemeinde in Deutschland untersteht der Metropolie von West- und Mitteleuropa mit Sitz in Paris. Ihre Mitglieder stammen überwiegend aus der Südtürkei, dem Libanon, Irak, aus Palästina, Jordanien und Syrien. In den vergangenen Jahren ist die Osnabrücker Gemeinde stark gewachsen. 2010 zog sie deshalb in die ehemalige evangelisch-reformierte Erlöserkirche im Stadtteil Dodesheide.

Für Jaklin Ögütveren sind die Gemeinderäume ein zweites Zuhause, in dem sie sich ehrenamtlich engagiert, vom Kircheputzen bis zur Buchführung. Anfangs habe es keine arabischsprachige orthodoxe Gemeinde in Osnabrück gegeben. „Wir sind dann in die serbisch-orthodoxe Kirche gegangen, haben aber nichts verstanden. Das war schwierig.“

Zu Hause haben wir Arabisch gesprochen, in der Schule habe ich Deutsch gelernt und nachmittags mein Türkisch vertieft.

Die Mutter von zwei erwachsenen Kindern stammt aus der Provinz Hatay im Süden der Türkei in unmittelbarer Nähe zu Syrien – dort, wo vor einem halben Jahr heftig die Erde bebte. Geboren wurde sie in Antakya, dem früheren Antiochia, der Wiege des Christentums. Sie wuchs bei ihrer Großmutter auf, bis ihre Eltern, die als Gastarbeiter nach Deutschland gegangen waren, die Zweitklässlerin nachholten. Und plötzlich musste sie mit drei Sprachen zurechtkommen: „Zu Hause haben wir Arabisch gesprochen, in der Schule habe ich Deutsch gelernt und nachmittags mein Türkisch vertieft.“

Blick auf den Altar in einer orthodoxen Kirche
Der Vorhang vor dem Altar wird zu den Gottesdiensten geöffnet. Foto: Anja Sabel

Jaklin Ögütveren hat ein besonders inniges Verhältnis zur Muttergottes – nach einem Erlebnis, von dem sie bisher nur wenigen Menschen erzählt hat. Als Jugendliche verzweifelte sie fast an einer Schuppenflechte, die den ganzen Körper befallen hatte. Nichts half. Kurz vor einem Ferienaufenthalt am Meer in der Türkei kamen die Träume. Sie träumte mehrmals, dass sie in einem Labyrinth eingeschlossen war, bewacht von Soldaten, und vergeblich versuchte herauszufinden. Bis ihr in einem der Träume eine junge Frau im weißen Gewand begegnete mit den Worten: „Folge mir, und es wird alles gut.“ Jaklin Ögütverens Stimme zittert. Sie ist überzeugt, dass es Maria war, die ihr im Traum den Weg aus dem Labyrinth gezeigt hat. Ihre Hautkrankheit, sagt sie, habe sich danach verbessert, und nach einem Jahr sei nichts mehr zu sehen gewesen. Seitdem habe sie öfter eine Kirche aufgesucht, gebetet und  Kerzen angezündet. Und deshalb hängt ihr Herz auch an der 1996 gegründeten Antiochenisch-orthodoxen Gemeinde in Osnabrück, „die ausgerechnet Maria im Namen trägt“.

Jaklin Ögütveren pflegt nach wie vor Kontakte in der Provinz Hatay, zumal dort noch Verwandte leben. Nach dem schweren Erdbeben zögerte sie nicht lange und organisierte sofort einen Lkw, beladen mit Hilfsgütern. Die Lage im Katastrophengebiet, sagt sie, sei immer noch sehr ernst. Und sie ärgert sich, dass der wiedergewählte Präsident Erdoğan die Situation ausnutzte. „Er versprach den Menschen Wohncontainer, wenn sie ihm seine Stimme geben.“ 

Mittlerweile plant die internationale orthodoxe Kirche mit Sitz in den USA, Fertighäuser in der Erdbebenregion zu bauen – für Familien, die wieder zurückkehren wollen. Jaklin Ögütveren hat schon eine Idee, wie sie helfen kann. „Wir sammeln Spendengelder, um den Häuserbau mitzufinanzieren.“ Sobald der Aufbau staatlich genehmigt ist, soll es losgehen.

Wer die Spendenaktion unterstützen möchte, kann sich per E-Mail an David Kara wenden, den Priester der Antiochenischen Gemeinde in Osnabrück: dk@rum-orthodox.de


Großer Feiertag in der orthodoxen Kirche

Das Fest Mariä Himmelfahrt am 15. August ist nicht nur in der katholischen, sondern auch in der orthodoxen Kirche ein bedeutender Feiertag. Zwar geht es im Grunde um die gleiche Sache, aber mit unterschiedlichen Akzenten: Die ostkirchliche Theologie und Tradition spricht von der „Entschlafung“ Mariens, die westkirchliche von der „Aufnahme in den Himmel“.

Eine Besonderheit in der orthodoxen Kirche liegt auch darin, dass sich die Gläubigen auf das Fest mit einer 14-tägigen Fastenzeit vorbereiten, dem sogenannten Marienfasten.

Die Unterschiede in der katholischen und orthodoxen Akzentsetzung zum Marienfest werden auch in der Kunst deutlich. Während in der westlichen Tradition die (triumphale) leibliche Aufnahme (Himmelfahrt) Marias in den Himmel dominiert, ist auf den orthodoxen Ikonen die von den Aposteln umgebene Maria auf dem Sterbebett zu sehen.

Das Marienfest hat seine Ursprünge im ausgehenden 4. Jahrhundert in Syrien, um die Mitte des 5. Jahrhunderts ist belegt, dass es jeweils am 15. August in Jerusalem begangen wurde. Mitte des 7. Jahrhunderts fand es Eingang in die römische Liturgie.

Anja Sabel