Vom Krankenhaus nicht auf die Straße

Mehr als nur Auskurieren

Image

Vom Krankenhaus wieder auf die Straße? Frauen und Männern ohne festen Wohnsitz droht dieses Schicksal. Hier bietet die Krankenwohnung der
Caritas Hannover eine Anlaufstelle und Hilfe.


Medikamente, Verbände, ein Krankenbett: In der Caritas-Wohnung
werden notwendige Behandlungen weiter vorgenommen.

Hannover-Kirchrode, im Makler-Deutsch eine gehobene Wohnlage. Ruhig ist es hier und mit viel Grün. Aber alles, was man so braucht, ist nahe bei. Ein guter Platz, um wieder auf die Beine zu kommen.

Das dachte sich die Caritas Hannover und mietete eine Fünf-Zimmer-Wohnung. Auf 130 Quadratmetern leben dort zeitweise fünf Frauen oder Männer, die nach einem Krankenhausau­fenthalt noch weiter behandelt werden müssten – ohne diese Hilfe aber auf der Straße landen würden, weil sie zuvor wohnungslos waren. Unterstützung bekommt die Caritas dabei von der Region Hannover und der Ricarda und Udo Niedergerke Stiftung.  

Aufenthalt im Krankenhaus verkürzt

„Wir alle wissen, dass sich die Aufenthaltsdauer in Krankenhäusern drastisch verkürzt hat“, erläutert Monika Nordhorn, Koordinatorin der Krankenwohnung und der Straßenambulanz bei der Caritas. Auskurieren – das könne man auch zu Hause, so die Logik von Fallpauschalen, die die Länge einer Behandlung im Krankenhaus vorgeben. Nur: „Wo können wohnungslose Menschen ihre Krankheiten oder die Nachwirkungen von Operationen auskurieren?“ Auf der Straße geht das nicht, unterstreicht Monika Nordhorn: „Schon allein kleine Schnittwunden und Infektionen können nicht behandelt werden.“

Daher die Entscheidung, eine Krankenwohnung einzurichten. Zum Beispiel für Ralph. 51 Jahre ist er, groß, wuchtig. Aber schwerkrank. „Ende April hatte ich Schmerzen in der Brust“, erzählt er. Der Notarzt wurde alarmiert. An mehr kann er sich nicht erinnern: „Herzinfarkt, 14 Tage war ich im künstlichen Koma.“ Eine kranke Lunge hatte Ralph schon vorher.

Nachdem Ralph zurückgeholt wurde, stand auf einmal ein Polizist an seinem Bett. Sein Mitbewohner war plötzlich verstorben. Ralph hatte zuvor sieben Jahre in einer Wohngemeinschaft gelebt. Sein Mitbewohner war deutlich älter: „Er war verwitwet und ich habe mich ein bisschen um ihn gekümmert.“ Kränklich sei sein Mitbewohner  schon immer gewesen, medizinische Hilfe habe er häufig abgelehnt.
 


Waschen, Kochen, Haushalt – das gehört für die Bewohner
der Krankenwohnung mit dazu. Regina Koepp unterstützt.

Dann war er auf einmal tot. Für Ralph kam noch ein Problem hinzu: „Er war der Hauptmieter.“ Während Ralph im Koma lag, wurde die Wohnung geräumt, er war auf einmal obdachlos. Nach der Reha-Klinik ist er dann Anfang August in die Krankenwohnung gezogen.

Ralph hat sich immer so durchgeschlagen: „Jobmäßig bin ich in der Gastronomie hängen geblieben.“ Und zu viel getrunken habe er über viele Jahre auch. „Ich habe die falschen Leute kennengelernt“, sagt er.  Unterstützt in der Caritas-Wohnung sucht Ralph einen Weg ins geregelte Leben zurück: wieder eine Wohngemeinschaft, eine Tätigkeit für drei Stunden am Tag – die Zeit, die er noch arbeiten kann: „Das wäre das Beste“.

Wieder ein Ziel vor den Augen

Jan ist 15 Jahre älter. „45 Jahre  habe ich gearbeitet, als Handwerker, dann als Bauleiter“, erzählt er. Heirat, zwei Kinder – doch die Ehe zerbricht. Jan wird ziellos, wohnt in einer Pension.  Er lernt eine junge Frau kennen, über 30 Jahre jünger als er. Sie ziehen zusammen, eine Tochter wird geboren. „Aber der Altersunterschied war zu groß“, sagt Jan. Auf einmal steht er auf der Straße. Die Obdachlosigkeit verschweigt er – auch gegenüber seinen eigenen Kindern.

Doch auch er ist krank: Verdacht auf Lungenkrebs, die Hüfte muss operiert werden. Im April wird er der erste Bewohner in der Krankenwohung. Nach der Reha sucht er jetzt eine kleine Wohnung: „Ich bin Rentner und das Finanzielle ist gesichert.“ Wieder ein Ziel vor Augen. „Die Krankenwohnung ist mehr als ausschließlich das Auskurieren“, sagt Monika Nordhorn: „Es geht auch darum, Orientierung ins Leben und in den Alltag zu bekommen.“

Die Pflege übernimmt der Pflegedienst SIDA, beim Alltag hilft Regina Koepp. Sie steht den Bewohnern zur Seite in Sachen Waschen, Verpflegung, Küche, Wohnzimmer, Bad und das eigene Zimmer sauber halten. Tatkräftig, freundlich und manchmal auch mit einer klaren Ansage. Das gehört dazu“, berichtet sie. Für Ralph und Jan ist sie schlicht „die gute Fee“.

Rüdiger Wala