Das Bonifatiusfest unter Corona-Bedingungen
Melancholisch und gut gelaunt
Ein Bonifatiusfest mit Wallfahrtsgruppen, Blaskapellen und Festmesse auf dem Domplatz – Hans-Joachim Stoehr hat dies über 20-mal als Reporter erlebt. Diesmal schreibt über seine Gedanken zum Fest unter Corona-Bedingungen. Von Hans-Joachim Stoehr.
Wo sonst Wallfahrer eine Menschenschlange bilden, sehe ich nur Asphalt. Wo sonst von mehreren Seiten die Bläsergruppen eine Melodie erklingen lassen, ist es still: auf dem Domplatz, auf der Pauluspromenade, vor dem Bonifatiusdenkmal. Der Anblick des leeren Domplatzes betrübt noch mehr bei dem Blick zum Himmel und den wehenden Fahnen. Das wäre ideales Pilgerwetter.
Die Gedanken, die runterziehen, verfliegen aber bald. Denn beim Fotografieren fällt eine Gruppe junger Menschen ins Auge. Sie halten sich gut gelaunt an der Mauer auf, hinter der in den vergangenen Jahren das große Bläserorchester stand und musizierte. Gott sei Dank, es gibt noch Pilger.
Die elf Mädchen der Schönstatt-Mädchenjugend sind mit Schwester Kerstin Ruh von Dietershausen nach Fulda gelaufen. „Wir haben dabei stellvertretend die Anliegen unserer Familien mitgenommen“, erklärt Schwester Kerstin. Besonders freuen sie sich, dass sie alle auch beim Festhochamt im Dom dabei sein können. Normalerweise hätten sie die Messe draußen mitverfolgt. Da aber nicht alle Pfarreien, die sonst wallen, stellvertretend zwei Vertreter entsandt haben, waren noch Plätze im Dom frei.
„Wo sind die Banner?“, frage ich mich beim Betreten des Doms. Sie sind da. Eine Bannerträgerin erspähe ich, wie sie durch das linke Seitenschiff dem Platz vor der Sakristei am Zugang zur Bonifatiusgruft zustrebt. Nur acht Bannerabordnungen gibt es. Sie ziehen ohne Begleitung in den Dom ein.
Am Ambo begrüßt Domdechant Werner Kathrein die Wallfahrer. Er ist nachdenklicher als sonst auf dem Domplatz, benennt die bedrückende Atmosphäre. Er macht aber auch Mut. Von Zeiten der Stille und der Leere könne auch eine Hoffnung ausgehen. Als wolle der Bistumspatron das bestätigen, spielt draußen vor dem Dom ein Bläser das Bonifatiuslied. Leise dringt die Melodie ins Kircheninnere. Die Melancholie muss nicht nur ich aushalten.
Unter den dort Wartenden vor der Sakristei steht auch Hubert Angelstein von den Hellebardenträgern. Sie sind coronabedingt heute nur als Zweier-Abordnung mit dabei. „Unser Chef und ich als sein Stellvertreter“, sagt er.
Familie von Sebastian Pilz in den Dom trägt, erinnert mich an das Weltjugendtagskreuz – und an das mitgeführte Kreuz beim Pilgerweg vor der Einführung von Bischof Gerber. Der Blick auf dieses einfache Kreuz gibt Kraft, tröstet, stärkt. Als Bischof Gerber das Kreuz mit Weihwasser segnet, wird dies augenfällig. An dem Kreuz werden die ersten Passbilder angeheftet. Die Botschaft ist klar: Viele Menschen stehen wie der Bistumspatron gemeinsam in der Kreuzesnachfolge.
In seiner Predigt erinnert Bischof Gerber daran, dass Bonifatius nicht der tatkräftige und erfolgreiche Glaubensbote war. Sein erster Missionsversuch bei den Friesen sei krachend gescheitert und die letzte Missionsreise habe ihn das Leben gekostet. Gerber: „Es gab genügend Momente, wo er Grund genug gehabt hätte, den Bettel oder in seinem Falle den Bischofsstab hinzuschmeißen und seine Mitra an den Nagel zu hängen. Dennoch ist Bonifatius einer, der bis zum Ende seines Lebens alles daransetzt, Menschen mit Jesus Christus in Beziehung zu bringen.“ (siehe „Zitiert“)
Die Predigtworte des Bischofs erreichen nicht nur die Menschen im Dom. Über das weltweite virtuelle Netz können Menschen im ganzen Bistum, sogar rund um den Globus das Geschehen mitverfolgen. Dazu ist der Altarraum mit mehreren Strahlern angeleuchtet. Die goldenen und silbernen Sakralgegenstände glänzen noch mehr als sie das sonst schon tun. Ja, es ist ein Festtag, Bonifatiusfest.
Zitiert
Bischof Gerber in seiner Predigt: Mühsame Kraxeltour wartet auf uns
„Letztes Jahr, am 15. Mai waren es genau 1300 Jahre her, dass der heilige Bonifatius von Papst Gregor II. seinen Missionsauftrag erhielt. In den Monaten durchzog er so manche unwirtliche Gegend, überquerte dazu möglicherweise die Alpen. Wir bekommen eine Ahnung davon, dass der Weg, der als Kirche, der als Bistum Fulda auf uns wartet, den wir zu gehen haben in diesen großen gesellschaftlichen und weltpolitischen Veränderungsprozessen keine Route sein wird, die über weite Etappen auf bewährten Fahrstraßen erfolgt. Wir bekommen eine Ahnung davon, dass der Weg, der auf uns wartet, auf großen Strecken eher einer mühsamen Kraxeltour über einen noch unerschlossenen Alpenpass gleicht, von Wegzeichen zu Wegzeichen vortastend, Nebel und Gewitter inklusive und bisweilen auf Blankeis rutschend. ...
Bonifatius: In diesem Namen und in den Erfahrungen, die er damit verbindet, kommt sein persönliches ,Warum‘ zum Klingen. Warum und wofür gibt es mich? ...
Ich glaube, dass Bonifatius uns heute zusagt: Wo du gehalten bist in jenem tiefen „Warum“, das Gott dir zusagt, wo du gehalten bist im Letzten, da kannst Du zu einer neuen Gelassenheit finden im Vorletzten. Auf diese Weise gehalten im Letzten kann Bonifatius so manches Paket schultern, alte und neue Pakete und sie – im Bild gesprochen – über den Pass tragen. So gehalten im Letzten kann Bonifatius auch so manches Paket loslassen. So gehalten im Letzten kann Bonifatius es auch zulassen, dass ihm manches Paket ungewollt und ungeplant abhandenkommt.
Denn es ist nicht nur so, dass er einen neuen Namen trägt. Vielmehr erfährt er, dass der Name ihn trägt und dass Gott ihn trägt. Dieses Kreuz, das wir hier im Dom mit diesem Tag aufstellen, soll das zum Ausdruck bringen. Wir sind eingeladen, unsere Portraits daran zu befestigen. Er, für den das Kreuz steht, er trägt uns.“