Der Alltag der Flughafenseelsorger

Menschen am Boden

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Am Frankfurter Flughafen ist einiges los. Oft hinter den Kulissen. Der Ort der Reisefreiheit ist durch Corona für manche zur Sackgasse geworden. Ganz unterschiedliche Sorgen und Nöte beschäftigen die FlughafenseelsorgerVon Theresa Breinlich.

Leere Wartehallen. Flugzeuge am Boden. Wer Bilder vom Frankfurter Flughafen sieht, könnte meinen, dass man dort ein Ticket fallen hören könnte. Doch dieser Eindruck stimmt nur bedingt. 

Der katholische Flughafenseelsorger Pallottinerpater Heinz Goldkuhle, die evangelische Flughafenseelsorgerin Pfarrerin Bettina Klünemann, Pfarrvikar Jonas Failing, der kirchliche Sozialdienst der Diakonie mit Leiterin Bettina Janotta und die 18 ehrenamtlichen Helfer haben derzeit viel zu tun. Denn trotz vieler geschlossener Grenzen zum Zeitpunkt der Recherche für diesen Artikel sind Menschen unterwegs. Manche erreichen ihr Ziel, manche werden auf halber Strecke gestoppt. Sie sitzen fest im Nirgendwo der Transit Zone, fast unsichtbar. 

Die kirchlichen Mitarbeiter am Flughafen haben aber ein Auge für sie. Auch wenn die Gebetsräume noch geschlossen sind, ein Büro der Flughafenseelsorge, katholisch oder evangelisch, ist jeden Tag besetzt. Pater Goldhuber ist dort oder auf seinem Handy zu erreichen. Eine Gruppe Seelsorger, Berater und Ehrenamtlicher versucht jeden Tag eine Runde durch die Bereiche hinter der Grenze der Bundespolizei zu drehen, zu schauen, ob jemand in Not ist. Manchmal geben ihnen auch Fluggesellschaften und die Bundespolizei Bescheid.

Es gibt vielfältige Gründe, warum Menschen sich trotz der schwierigen Lage auf den Weg machen, weiß Pfarrerin Klünemann. Im Ausland arbeitende Mitarbeiter und Angestellte von Kreuzfahrtschiffen werden nach Hause geschickt. Studenten treten nach Beendigung des Lockdowns die Heimreise an oder über die Kontinente verstreute Eltern, Kinder und Ehepartner wollen wieder zusammen sein. „Sie sind vielleicht mit ungenügenden Informationen gestartet, mit Tickets für Flüge, die nicht fliegen, ausgestattet worden oder die Einreiseregeln ihres Ziellandes haben sich plötzlich geändert. Wir betreuen immer zehn bis 20 Menschen intensiv“, erzählt die Seelsorgerin. Sie ist seit anderthalb Jahren am Flughafen im Einsatz. Die Gestoppten haben einen eigenen Bereich. Der Flughafenbetreiber versorgt sie mit dem Lebensnotwendigen, mit Mahlzeiten, Feldbetten, Decken und Duschen. Es ist an den Kirchen, für sie Kontakt zu Angehörigen zu halten, E-Mails auszudrucken, mit den Botschaften zu telefonieren und Besorgungen zu machen, denn die meisten Geschäfte sind geschlossen. 


Mit Neon-Weste erkennbar als ansprechbar: eine Ehrenamtliche von der Flughafenseelsorge bei ihrer Arbeit im Terminal.

„Ich fühle mich nicht mehr gefährdet, als wenn ich in den Supermarkt gehe. Beim Erstkontakt nehme ich die Maske ab, um ein Gefühl für meinen Gesprächspartner zu bekommen. Die Kommunikation in einer Fremdsprache ist sonst schwierig“, sagt Pfarrerin Klünemann. Ein Fall ist ihr besonders in Erinnerung. Eine Äthiopierin wollte zu ihrem Ehemann reisen, der schon länger in Kanada arbeitet und dem es gesundheitlich nicht gut geht. Sie hatte in Äthiopien alles aufgegeben, ihren Job und ihre Wohnung gekündigt, ein Visum erhalten. Doch plötzlich verweigerte ihr Kanada die Einreise. Sie wurde nach Frankfurt zurückgeschickt. „Das sind oft Einzelfallentscheidungen der Behörden, die über ein Schicksal entscheiden.“

Die Pfarrerin hört die Sorgen der Menschen aus vielen Krisengebieten der Erde. Die Reisenden verbringen oft viel Zeit im Transitbereich, weil die Anschlussflüge erst Tage später starten. Menschen etwa, die nach den Lockerungen in Norditalien in ihre Heimatländer reisen, berichten ihr von ihren Ängsten. „Jetzt, wo die Stresssituation des Lockdowns nachlässt, spüren sie die Panik der vergangenen Wochen. Sie haben die Bilder der Leichentransporte im Fernsehen gesehen und dachten, dass sie nie mehr nach Hause zurück könnten.“

Im Flughafen sind aber auch die Nöte der Menschen aus der Umgebung zu spüren. Immer mehr Mitarbeiter des Flughafens und der Fluggesellschaften suchen bei den Helfern Rat. Die Seelsorger halten auch Kontakt zu den Betriebsräten. „Bis jetzt haben sich viele gut abgesichert gefühlt. Erst langsam merken sie, dass sie von Entlassungen betroffen sein könnten. Bei manchen Familien arbeiten beide Elternteile beim gleichen Arbeitgeber. Ganz langsam nimmt das Gefühl zu, dass das Unvorstellbare passieren könnte, dass sie bedürftig werden könnten, und sie schämen sich dafür“, sagt die Pfarrerin. „Tür-und-Angel-Gespräche sind unheimlich wichtig, um erst einmal zu zeigen, dass man da ist.“ Ihre große Hoffnung für die Zukunft: „Es wäre gut, dass die Grenzen bald wieder so weit geöffnet werden, dass Menschen Chancen bekommen, dass Familien wieder zusammenfinden können und Menschen Arbeitsmöglichkeiten erhalten.“

Wer sich für einen Einsatz als ehrenamtlicher Mitarbeiter bei der Flughafenseelsorge oder dem kirchlichen Sozialdienst interessiert,
muss einen Sicherheitscheck durchlaufen. Sach- und Geldspenden sind willkommen. Weitere Infos dazu unter folgenden Adressen: 

Katholische Flughafenseelsorge: E-Mail: seelsorge-fraport@bistumlimburg.de,
Telefon 069 / 69 05 06 11, evangelische Flughafenseelsorge: Telefon 069 / 69 07 31 78,
E-Mail: seelsorge.evangelisch@flughafen-frankfurt.de

 

Zur Sache

Beistand für Geflüchtete

In normalen Zeiten sind 30 bis 50 Betten in der Flüchtlingsunterkunft am Frankfurter Flughafen belegt. Der Flüchtlingsdienst der Caritas und Diakonie kümmert sich um sie. Derzeit wohnt dort nur eine Frau. „Wir haben keinerlei Erfahrung mit dieser Situation. Ich kann nur vermuten, dass die Menschen in die Nachbarländer fliehen, sich neue Fluchtrouten suchen und irgendwo ausharren“, meint Flüchtlingspfarrerin Anke Leuthold. „Die Menschen werden nicht einfach zu Hause bleiben. Die bei uns ankamen, sind immer vor einer extremen Not geflohen. Wenn Menschen am Flughafen stranden, ist das eine schlimme Erfahrung. Aber was ich schon erlebt habe, dass Menschen nach vielen Anstrengungen erfahren, dass sie kein Asyl erhalten und zurückgeschickt werden, dieses Leid ist viel massiver.“ (thb)