Woche für das Leben

Mit Eule Milly über alles reden

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Katharina Hohmann ist eine junge Frau voller Lebensfreude. Sie lacht gern, ist viel mit dem Rucksack in der Welt unterwegs. Und sie beschäftigt sich mit dem Tod. Jetzt hat sie ein Buch veröffentlicht: Die Eule Milly tröstet ein Kind, dessen Vater sich selbst getötet hat.


Katharina Hohmann hat das Thema Suizid in einem
Buch für Kinder erklärt. | Fotos: Stefan Branahl

Als Katharina Hohmann acht Jahre war, nahm sich der Großvater das Leben. Von einem Tag auf den anderen war er nicht mehr da. „Niemand hat mir so richtig erklären können, was da passiert ist“, sagt die heute 28-Jährige. Lange hat sie dieser Verlust beschäftigt: Trauer, Angst, Ungewissheit. Und viele Fragen. Nach der Schule macht Katharina Hohmann ein Freiwilliges Soziales Jahr in einem Hospiz, begleitet Menschen auf ihrem letzten Weg. Wieder wird sie mit dem Thema Tod konfrontiert. Während des Psychologiestudiums beginnt sie nebenher eine Ausbildung zur ehrenamtlichen Trauerbegleiterin. „In dieser Zeit hat sich der Vater meiner besten Freundin umgebracht“, erzählt die junge Frau.

Wenn niemand über das Unfassbare spricht

Der Opa, der Vater der Freundin – zwei von 10 000 Menschen, die jedes Jahr freiwillig aus dem Leben scheiden. Jedes Mal sind im Schnitt sechs Menschen von dieser endgültigen Entscheidung betroffen, darunter viele Kinder. „Und so gut wie keiner weiß, wie er mit ihnen darüber sprechen kann“, weiß Katharina Hohmann inzwischen. Das wollte sie ändern. „Eule Milly und ein Koffer voller Fragen“ heißt das Buch, das sie kürzlich geschrieben hat.

Es geht um Pippas Papa. Pippa ist ein kleines Mädchen, ihr Vater ist plötzlich tot. Kein Mensch sagt ihr, was passiert ist. „Bei Suizid ist das ein typisches Verhalten gegenüber Kindern und es kann sie in eine große Krise stürzen“, sagt Katharina Hohmann. Denn nicht nur die in aller Regel verschwiegene Todesursache führt zu einer kaum auszuhaltenden Unsicherheit. „Den einen wichtigen Menschen in seinem Leben hat das Kind verloren. Aber der andere sagt nicht, was passiert ist und wird als unehrlich empfunden. Weil das schlimme Erlebnis nicht eingeordnet und verarbeitet werden kann, entwickelt es möglicherweise sogar Schuldgefühle. Bin ich vielleicht schuld, dass Mama oder Papa nicht mehr da ist?“.
 


Die Geschichte von Pippa und der Eule Milly regt
zum Gespräch an.

In genau dieser Situation ist die kleine Pippa, die zum Glück die verständnisvolle Milly trifft. Eine Eule hat Katharina Hohmann bewusst gewählt: „Der Vogel ist weise, aber er hat nicht die Funktion eines Kuscheltieres, das ein Kind möglicherweise emotional zu sehr an sich heran lässt.“  Trotzdem beantwortet Milly jede der vielen Fragen, die Pippa mit sich herumschleppt. Die wichtigste: Warum hat Papa das getan? Die Eule: Papa war sehr traurig, er hat keine Freude mehr gehabt. Sein Leben ist wie eine ganz dunkle Nacht gewesen. Darum ist er krank geworden und hat keinen Ausweg mehr gesehen. Am Ende ist ein ganzer Koffer voller Fragen beantwortet und Milly weiß: Sie kann ihren Papa in Gedanken bei sich haben und sich gerne an ihn erinnern.

Ein schweres Thema kindgerecht erklärt

„Das ist natürlich keine Gute-Nacht-Geschichte“, sagt Katharina Hohmann, die sich viele Gedanken gemacht hat, wie sie das Thema Suizid kindgerecht erklären kann. „Aber es kann hilfreich sein, darüber ins Gespräch zu kommen.“ Denn auch wenn Kinder erst ab etwa dem zehnten Lebensjahr den Tod bewusst begreifen, ihnen klar wird, dass ein geliebter Mensch niemals wieder kommt – Fragen haben sie schon viel früher. Und die sollten in jedem Fall beantwortet werden.
Der Name der Eule erinnert Katharina Hohmann übrigens an ihre eigene Kindheit: „Milly war der Name meiner Großmutter, einer Frau mit großem Gottvertrauen. 104 ist sie geworden, und ich verbinde mit ihr Weisheit und Lebenserfahrung.“

Das Buch „Eule Milly und ein Koffer voller Fragen. Was Pippa über Suizid lernte“ von Katharina Hohmann, illustriert von Carolin Gallacher, kostet 17 Euro und kann bezogen werden über den Kolping-Diözesanverand, E-Mail: kolping@bistum-hildesheim.de

Stefan Branahl

 


Kinder nicht ausklammern

Kinder dürfen beim Suizid eines nahen Angehörigen nie allein gelassen werden mit ihren Fragen. Trauerbegleiterin Katharina Hohmann rät: „Kinder dürfen die Ohnmacht der Erwachsenen spüren. Aber sie dürfen aus vermeintlicher Rücksicht nicht ausgeklammert werden. Darum ist es wichtig, offen und deutlich mit ihnen zu reden.“