Besuch aus dem Libanon zum Weltmissionssonntag

Mit wenig viel bewegen

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Eine Ordensschwester steht mit Mikrofon vor einer Gruppe von Schülern
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Foto: Thomas Osterfeld

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Schwester Donatella erzählt den Schülerinnen und Schülern des Graf-Stauffenberg-Gymnasiums von ihren Erfahrungen im Libanon.

Foto: Thomas Osterfeld

In einem städtischen Gymnasium ist eine Ordensschwester zu Besuch und erzählt von ihrer Arbeit im Libanon. Die Schülerinnen und Schüler wollen wissen, warum sie dort ist und ob es Momente gibt, in denen sie zweifelt.

Eine große Zeder steht einsam in einer Winterlandschaft. Auf ihren Zweigen ruht eine Masse aus Schnee. Trotz des Gewichts bleibt der Baum standhaft. Trotz der Kälte leuchtet der Baum in einem satten Grün. „Die Zeder repräsentiert die Bevölkerung des Libanon. Es ist ein großer, stolzer Baum mit langen Zweigen und tiefen Wurzeln. Trotz der schwierigen Bedingungen bleibt der Baum stark.“ So beschreibt Schwester Donatella den Libanon, ihren derzeitigen Wohn- und Einsatzort. Die Italienerin ist Ordensschwester und wurde 2019 als Missionarin in dieses Land geschickt. Seitdem lebt sie dort in einer Gemeinschaft von sieben Schwestern.

Um auf die prekären Lebensumstände in Syrien und dem Libanon aufmerksam zu machen, ist sie im Monat der Weltmission für eine Woche im Bistum Osnabrück. Vor Ort besucht sie mehrere Schulen und erzählt den Schülerinnen und Schülern von ihrer missionarischen Arbeit. Ihren Vortrag im Graf-Stauffenberg-Gymnasium Osnabrück beginnt sie mit dem Bild von der Winterlandschaft. Dazu zitiert sie Psalm 92: „Der Gerechte sprießt wie die Palme, er wächst wie die Zeder des Libanon.“ 

Dann zeigt sie eine schier endlos lange Liste an existenziellen Nöten der libanesischen Bevölkerung: Armut, Wassermangel, Elektrizitätsmangel, keine intakte Regierung, Korruption, Ungerechtigkeit, fehlende Sicherheit, bei vielen Menschen Depressionen mit Gedanken an Suizid, Abwanderung der jungen Generationen und vieles mehr. Sie schaut in die Runde der Schülerinnen und Schüler und fragt: „Könnt ihr euch das vorstellen, auch nur einen Tag auf Wasser und Strom zu verzichten?“ Allgemeines Kopfschütteln. „Wir müssen manchmal fünf Tage ohne auskommen“, sagt sie. 

„Hast du unter diesen Umständen schon einmal darüber nachgedacht, die Arbeit im Libanon aufzugeben?“, fragt eine Schülerin. Diese Frage beantwortet Schwester Donatella mit einem klaren Nein. Ein Ortswechsel stand für sie auch in ihrer Anfangszeit im Libanon, in den Jahren 2019 und 2020, nicht zur Debatte. In dieser Zeit kam es im Libanon beinahe zu einem Bürgerkrieg. Anschließend brach Corona aus. Für Schwester Donatella war klar: „Ich kann jetzt nicht gehen, wenn wir am meisten gebraucht werden.“ Während der Pandemie stirbt ihr Vater in Italien. Sie kann sich nicht von ihm verabschieden. „Das war für mich natürlich eine harte Zeit. Aber in meinem Glauben und in den Menschen um mich herum habe ich Kraft gefunden“, sagt sie. 

Ihre enge Verbindung zu der libanesischen Bevölkerung wird auch bei ihrem Besuch in Osnabrück spürbar. Angesichts des Nahostkonfliktes möchte Schwester Donatella schnellstmöglich wieder in den Libanon zurück, um den Menschen beizustehen. Sie fürchtet, dass sich der Konflikt ausdehnt. In der Vergangenheit haben die Schwestern ihre Schule schon mehrfach zu Unterkünften umgebaut, um den Flüchtlingsströmen Herr zu werden. Trotz dieser angespannten Situation verliert sie die Hoffnung nicht. Sie hat die Erfahrung gemacht, dass sich immer ein Weg findet, egal wie aussichtslos die Lage ist.
 

„Wir tun, was wir können. Der Rest kommt von allein.“

Neben diesen politischen Herausforderungen stellt vor allem die Armut ein großes Problem dar. In der Schule wird Schwester Donatella immer wieder mit hungrigen Schülerinnen und Schülern konfrontiert. Mittlerweile wurde eingeführt, dass jedes Schulkind ein Sandwich am Tag zu essen bekommt. „Darf ich noch ein zweites Sandwich für meinen Bruder mit nach Hause nehmen?“, wird Schwester Donatella oftmals gefragt. Grundlegende Güter, wie Wasser, Essen und medizinische Versorgung sind knapp oder zu teuer für den Großteil der Bevölkerung.

Angesichts dieser Lebens- und Arbeitsumstände will eine Schülerin wissen: „Was liebst du an deiner Arbeit?“ Schwester Donatella antwortet: „Wenn man merkt, dass man mit wenigen Mitteln einen Unterschied machen kann.“ Sie ergänzt: „Bei unseren Hilfsangeboten bekommen die Menschen keine falschen Versprechungen, sondern handfeste Lösungen für ihre Probleme.“ 

Im Hintergrund ihrer Arbeit steht die Erzählung der wundersamen Brotvermehrung (Johannes 6,1-13). Von fünf Broten und zwei Fischen werden letztlich 5 000 Menschen satt. Schwester Donatella ist davon überzeugt: „Das Wenige, was wir haben, wird durch Gott vermehrt, sodass alle das bekommen, was sie brauchen. Wir tun, was wir können. Der Rest kommt von allein.“

Besuch von einer Ordensschwester an einer staatlichen Schule: Was nimmst du von dieser Veranstaltung mit? Celine Junker sagt: „Wir haben viele Einblicke bekommen, wie schwer das Leben für die Schwestern und die Bevölkerung vor Ort ist.“ Jasmin Turrek ergänzt: „Es ist etwas Besonderes, dass die Schwestern ihr Leben der Arbeit widmen und die Hoffnung nicht verlieren.“ Auf die Frage, ob sich ihre Sicht auf die Weltkirche durch diese Veranstaltung geändert hat, antwortet Aurelius Krätzig: „Nicht wirklich. Die Kirchen hier und da lassen sich nicht vergleichen.“

Was die Schwestern vor Ort leisten

Schwester Donatella ist Schulleiterin und Englischlehrerin an einer Schule in Ghebaleh. An der Schule unterrichten die Schwestern 285 Schülerinnen und Schüler im Alter zwischen drei und zwölf Jahren. Sie finanzieren die Schule über eigene Projekte und Spenden. So haben sie beispielsweise ein Recycling Center aufgebaut, mit dem sie die Bevölkerung über Mülltrennung aufklären. Das gepresste Plastik können sie für ein wenig Geld verkaufen. 
Eine Mitschwester ist ausgebildete Krankenpflegerin und kümmert sich um Patienten, die sich das Krankenhaus nicht leisten können. Darüber hinaus führen die Schwestern das sogenannte PAD Center. Hier werden Kinder unterstützt, die besondere Bedürfnissen haben. Dazu zählen beispielsweise Konzentrationsschwäche, Sprachhindernisse und psychische Probleme. Heute gewährleisten 30 Spezialisten in zwei Einrichtungen die Betreuung von Kindern, Jugendlichen, Erwachsenen und Familien. Für eine Behandlung in dieser Einrichtung wird nur ein symbolischer Betrag von 1,50 US-Dollar (ungefähr 94 Cent) fällig. Die meisten Familien können diesen Betrag nicht aufwenden und erhalten die Betreuung kostenlos. Da die Spezialisten angestellt sind und eine faire Entlohnung bekommen, kann es am Ende des Monats mit dem Geld knapp werden. Spenden sind deshalb lebensnotwendig. Am Weltmissionssonntag, 22. Oktober, widmen viele Gemeinden ihre Kollekte den Projekten in Syrien und im Libanon.

Jasmin Lobert