Gerechtere Bezahlung für Künstler durch neue GEMA-Regelungen?

Musik ist wertvolles Gut

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Chormusik
Nachweis

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Für ein öffentliches Chorkonzert muss die Playlist der Lieder an die GEMA gemeldet werden, die dann wiederum die Nutzungsgebühren errechnet.

Ob hochwertige Chorkonzerte, mitreißende Karnevalssitzungen oder Singspiele der Kinderschola – wer öffentlich Musik macht, muss Gebühren zahlen. Das gilt auch in der katholischen Kirche. Ausnahmen sind interne Veranstaltungen und Gottesdienste.

Es hat etwas gedauert, bis es zur Basis durchgedrungen ist. Bereits seit einem Jahr gibt es keinen Pauschalvertrag mehr zwischen der Rechteverwertungsgesellschaft GEMA und den deutschen Bistümern über Musikrechte für Veranstaltungen außerhalb von Gottesdiensten und nicht-öffentlichen Veranstaltungen. Sie unterliegen nun der Genehmigungs- und Vergütungspflicht. Das bedeutet: Gemeinden oder Chöre müssen geplante Konzerte bei der GEMA anmelden, eine Playlist mit den Liedern einreichen und weitere Angaben machen zu Eintrittshöhe und Besucherzahlen, Kartenumsatz und Veranstaltungsfläche. Ein Preisrechner ermittelt dann die anfallenden Gebühren.

Mangelnde Meldemoral führt zu unfairer Bezahlung

Verunsicherung und Kritik bei vielen Chören über die Änderungen ist groß. Dass die neuen Regelungen aber auch dazu führen können, Musik wieder als wertvolles Gut sichtbar zu machen und ihren Wert herauszustellen, das erklären Stefanie Lübbers, Bildungsreferentin in Haus Ohrbeck mit Schwerpunkt Musik, und Kai Lünnemann, Popularkirchenmusikbeauftragter im Bistum Osnabrück. Sie betonen: Künstler benötigten eine faire Abrechnung für ihr Liedgut. Das frühere Abrechnungsmodell sei dringend überarbeitungswürdig gewesen, hätten doch viele Künstler aufgrund mangelnder Meldemoral nur stichprobenartig und mit Gießkannenprinzip etwas Geld für das Aufführen ihrer Musik bekommen. „So fallen unzählige Künstler durch das Raster, und andere bekommen mehr als sie verdienen. Aus meiner Sicht ist das nicht fair“, sagt Kai Lünnemann und betont: „Ich bin absolut für eine genaue Abrechnung über die GEMA. Das sollte deren Job sein.“

Dass es für Chöre und Gemeinden Aufwand bedeutet, die Lieder zu melden, ist den beiden Fachleuten klar. „Aber es ist eben im Grunde genommen auch nicht fair, einfach so ohne Mitteilung und unentgeltlich etwas von jemandem zu verwenden, ohne Gegenleistung“, gibt Kai Lünnemann zu bedenken. Er ist selbst Komponist, seine Lieder werden mittlerweile in ganz Deutschland gesungen. Aufgrund mangelnder Meldemoral erhält er selbst jedoch so gut wie kein Geld von der GEMA. Und noch mehr: „Bei unseren eigenen Konzerten muss ich sogar für meine eigenen Lieder GEMA zahlen, um dann einen Teil davon zurückzubekommen. Da zahle ich quasi drauf mit dem Spielen meiner eigenen Songs“, erklärt er.

Dabei ist eine Melde- und Anmeldepflicht für öffentliche Konzerte mit mehr als zwei Zuschauern nicht neu. Nur die Kosten wurden bis 2023 durch eine Pauschale der Bistümer abgegolten. Diese gibt es jetzt nur noch für Musik in Gottesdiensten und bei nicht-öffentlichen Veranstaltungen.

Viele Chorleiter sind verunsichert, wissen gar nicht, was so ein Konzert am Ende überhaupt kostet. Grundsätzlich gilt: Je mehr Musizierende, je mehr Zuschauer, je hochwertiger die Musik und je namhafter der Verlag – desto teurer wird es. Es gibt aber auch die Möglichkeit, Rabatte und Nachlässe zu erhalten, zum Beispiel, wenn der Eintritt frei ist oder der Erlös gespendet wird.

Pastoralreferentin Stefanie Lübbers warnt davor, dass die neue Regelung der Liturgie nicht guttue. „Wenn ich will, kann ich aus allem mal eben einen Gottesdienst machen, damit ich keine Gebühren zahlen muss. Das muss man wirklich beobachten, wie sich das entwickelt“, sagt sie und spricht vom „Gottesdienst im Schafspelz“. Sie rät dazu, auf dem Teppich zu bleiben und Kostenszenarien durchzuspielen. Natürlich würde ein neuer Pauschalvertrag einiges erleichtern. „Und wenn es dazu führt, dass strukturelle Benachteiligungen da sind, dann sollte man ernsthaft drüber reden.“ Das gelte auch für die Künstler, denn natürlich bestehe die Gefahr, dass die Chöre eher günstigere Lieder singen als hochwertigere.

Ein paar Beispiele:

Karnevalssitzung: Die Karnevalskapelle oder der Alleinunterhalter müssen eine Playlist angeben. Wer den Raum zur Verfügung stellt, muss sie übermitteln.

Konzert in der Klosterkirche mit weniger Personen als geplant: Es besteht die Möglichkeit, die Teilnehmerzahl nach dem Konzert zu korrigieren.

Dauerhafte Hintergrundmusik: Auch für dauerhafte Musiknutzung gibt es einen Anmeldebogen auf der GEMA-Homepage.

Schulkonzert in der Kirche: Die Gemeinde als Besitzer des Gebäudes muss die Playlist einreichen.

Singen beim Seniorennachmittag: ist frei, da nicht-öffentlich.

Filmvorführungen: sind kostenlos und bereits über Musik- und Tonrechte abgegolten. Film und Klavier ist dagegen Livemusik und muss gezahlt werden.

Musik in der Kindertagesstätte: Alles, was intern in der Gruppe oder in der Einrichtung mit den Kindern gesungen oder gespielt wird, ist frei. Sobald es öffentlich ist, zum Beispiel beim Sommerfest, kostet es.

Musik von Spotify oder Amazon Music: kostenlos, da die GEMA hier eigene Verträge hat und die Veranstalter ja bereits Abo-Gebühren zahlen.

Kirchenmusikdirektor Martin Tigges betont: „Es gibt immer noch viel Grauzone.“ Das erlebt er auch im Gespräch mit Juristen. Nicht alle Szenarien seien bereits abschließend geklärt, auch wenn die GEMA nachgerüstet habe und viele Fragen auf der Homepage beantworte. Gleichzeitig warnt er vor Panikmache und zu großen finanziellen Sorgen. Eine stichprobenartige Umfrage bei Chorleitern und Kirchenmusikern im Bistum Osnabrück habe Beträge im zweistelligen Bereich ergeben, sagt er. „Und wenn das dazu führt, dass Verlage und Urheber nun mehr Geld bekommen, ist mir das sympathisch.“ Vom Bistum wünscht er sich einen Finanztopf, um die Mehrkosten für besondere und hochwertige Aufführungen abfedern zu können.

Astrid Fleute

Die GEMA

Die Gesellschaft für musikalische Aufführungs- und mechanische Vervielfältigungsrechte vertritt die Interessen von über 95.000 Komponisten, Textdichter und Verleger.