Notre-Dame ist auch Symbol der deutsch-französischen Freundschaft
Neuer Glanz im Herzen von Paris
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Barbara Schock-Werner ist gespannt, wie die Besucherinnen und Besucher reagieren werden, wenn sie die Kathedrale Notre-Dame in Paris besuchen. „Ich denke, sie werden sich wundern“, sagt sie. Von außen sehe die Kirche zwar aus wie vor dem verheerenden Brand 2019, aber innen habe sich vieles verändert: „Vor dem Brand waren die Wände steinsichtig. Man konnte das Mauerwerk erkennen. Jetzt ist es verputzt.“ Der Raum wirke dadurch wesentlich heller. Außerdem wurden die Seitenkapellen neu gestaltet und neues Mobiliar angeschafft. Schock-Werner sagt: „Es sieht schon sehr anders aus.“
Am 8. Dezember wird die Kathedrale mit einem Gottesdienst wiedereröffnet. Fünf Jahre lang haben mehr als 1000 Handwerker, Künstler und Spezialisten an der Großbaustelle gearbeitet. Sie errichteten unter anderem einen neuen Dachstuhl und den Vierungsturm, der bei dem Brand eingestürzt war. Allein dafür wurden 2000 Eichen benötigt. 700 Millionen Euro soll der Wiederaufbau gekostet haben. Und bis zuletzt waren Baukräne an der Kirche zu sehen. „Auch am 8. Dezember wird noch nicht alles fertig sein“, sagt Schock-Werner. „Fertig ist bei einem solchen Bauwerk auch ein relativer Begriff.“
Sie weiß, wovon sie spricht: Von 1999 bis 2012 war Schock-Werner Dombaumeisterin des Kölner Doms. Nach dem Brand von Notre-Dame beauftragte die damalige Kulturstaatsministerin Monika Grütters sie mit der Organisation der deutschen Hilfe. Denn innerhalb weniger Tage meldeten sich damals Unternehmer, Handwerker und Künstler, die ihre Hilfe anboten.
„Wir als Deutsche nehmen doch auch Anteil an dieser Katastrophe“, sagt Armin Laschet. Er war 2019 Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen und Kulturbevollmächtigter in der deutsch-französischen Zusammenarbeit. „Notre-Dame ist schließlich ein Weltkulturerbe. Es ist eines der bedeutendsten Gotteshäuser Europas. Und wir müssen dankbar sein, dass diese Kirche überhaupt noch steht. Das war in der Brandnacht ja nicht abzusehen.“
Gemeinsam mit Schock-Werner reiste Laschet damals nach Paris. Sie trafen Politiker, Architekten und Denkmalpfleger. Schnell wurde ihnen klar: Die Hilfe deutscher Handwerker wird auf der Baustelle nicht benötigt. „Eigentlich wollten die Franzosen nicht so gerne ausländische Hilfe annehmen“, sagt Schock-Werner. „Staatspräsident Emmanuel Macron hatte den Wiederaufbau von Notre-Dame ja als eine nationale Leistung ausgerufen.“
Klar war aber auch: Die deutsche Hilfe sollte mehr sein, als nur eine üppige Spende zu überweisen. „Frankreich hätte Geld genug gehabt – das war nicht die Frage“, sagt Laschet. „Aber symbolisch sollte auch Deutschland beteiligt werden.“
Zusammenarbeit als Beweis für das Vertrauen zwischen den Ländern
Schock-Werner und er entwickelten die Idee, vier Fenster aus den rechten südlichen Obergaden von Notre-Dame in Deutschland restaurieren zu lassen. Denn Philippe Villeneuve, der Chef-Architekt für den Wiederaufbau, hatte als eine der ersten Rettungsmaßnahmen nach dem Brand alle Obergadenfenster ausbauen lassen. „Nicht der Fenster wegen, sondern um die Fensteröffnungen mit Holz massiv auszusteifen, damit dieser Bereich stabilisiert wird“, erklärt Schock-Werner.
Die Dombaumeisterin wusste: Glasfenster werden nie vor Ort, sondern immer in Werkstätten restauriert. Warum nicht in Deutschland? „So konnten wir helfen und ein sinnvolles Projekt umsetzen“, sagt Schock-Werner. Doch zunächst gab es Bedenken von französischer Seite. „Das ist ja keine leichtfertige Entscheidung. Das wurde intern in Frankreich intensiv erörtert“, sagt Laschet. „Dass die Franzosen schließlich aber bereit waren, einem anderen Land dieses Kulturgut zu übergeben, zeigt unser großes Vertrauensverhältnis.“
Ostern 2022 kamen die Scheiben von vier Obergadenfenstern in der Kölner Dombauhütte an. Sie wurden von dem gefährlichen Bleistaub, der beim Brand entstanden war, befreit. „Zusätzlich gab es die ganz normalen Verschmutzungen, die wir abgetragen haben“, sagt Schock-Werner. Auch Schäden durch den raschen Ausbau wurden nun ausgebessert: Ein Teil der Verbleiung war gebrochen, und die Bleirahmen, die das Glas einfassen, mussten erneuert werden.
Ein Jahr lang arbeiteten die Experten der Dombauhütte an den Fenstern – in enger Zusammenarbeit mit den Franzosen. Ab dem Frühjahr 2023 bauten sie die vier Fenster wieder ein. Im Sommer, als das letzte Stück eingesetzt wurde, war auch Schock-Werner dabei. „Wir hatten einen gewissen Zeitdruck, denn die Gerüste im Innenraum mussten frühzeitig abgebaut werden. Denn erst dann konnte mit dem Stimmen der Orgel begonnen werden“, erzählt sie.
Anfang kommenden Jahres will sie erneut nach Paris fahren und gemeinsam mit Freunden die neue Kathedrale besichtigen: „Ich freue mich, ihnen dann die Fenster zu zeigen, die in Köln restauriert wurden.“ Auch Laschet ist froh über das deutsche Projekt zum Wiederaufbau. „Wir zeigen damit, dass Deutschland und Frankreich eng zusammenstehen“, sagt er. „Und wenn jetzt die Kathedrale wiedereröffnet wird, dann sieht man auch den Beitrag Deutschlands. Das wird bleiben.“
Zu den Personen:
Barbara Schock-Werner ist Kunsthistorikerin und Denkmalpflegerin und war von 1999 bis 2012 Dombaumeisterin in Köln.
Armin Laschet ist Bundestagsabgeordneter der CDU und war von 2017 bis 2021 Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen.