Jahresserie 2020: Hoffnungsgeschichten

"Ohne meinen Glauben hätte ich das nicht geschafft"

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Wenn Elisabeth Jendrsczok gefragt wird, mit welcher Kraft sie die Krisen ihres Lebens gemeistert hat, deutet sie stumm mit dem Zeigefinger nach oben. Dann sagt sie: „Ohne meinen Glauben an den Herrgott hätte ich das nicht geschafft.“ Auch in der Corona-Krise zählt sie auf seinen Beistand. Denn mit ihm hat sie schon ganz andere Erlebnisse überstanden. Von Julia Hoffmann.

Elisabeth Jendrsczok
Elisabeth Jendrsczok. Foto: Friedel Jouaux

Elisabeth Jendrsczok wurde am 25. Mai 1928 im rheinhessischen Zornheim geboren. Ihre Kindheit war geprägt vom Krieg. Sie war noch ein Schulkind, als die Bomben fielen. „Runter in den Keller!“, hieß es damals. Und dann hoffen und bangen, dass alle überleben. Leider erfüllte sich diese Hoffnung nicht ganz. Sie war das dritte von vier Kindern, ihr ältester Bruder Heinrich starb im Krieg. 

Doch auch in dieser schrecklichen Zeit gab es Momente, in denen sie unbeschwert spielen konnte. Manchmal schnitt sie heimlich Knöpfe von Blusen ab, wenn nicht genügend Murmeln zum Spielen da waren. Und zu Weihnachten gab es eine Puppenküche. Viel Zeit zum Spielen blieb ihr nicht: „Sobald wir die Ohren rücken konnten, sind wir mit ins Feld“, sagt sie. Gemeint ist die Landwirtschaft: Kartoffeln, Wein, Süß- und Sauerkirschen, Mirabellen, Spargel und vieles mehr. Dazu kamen die Tiere. Pferde, Kühe, Schweine, Hühner und Enten mussten versorgt werden. Die Hausaufgaben mussten oft bis abends warten. 

Ein Schock war es, als ihre Mutter im Alter von 44 Jahren bei einem Unfall starb. Damals war Elisabeth Jendrsczok 19 Jahre alt. 

Die Jahre vergingen, sie heiratete ihren Mann Karl und bekam drei Kinder mit ihm. Als das jüngste Kind gerade eineinhalb Jahre alt war, kam der nächste Schicksalsschlag: Ihr Mann bekam die Diagnose Krebs. „Bösartig, hoffnungslos“, sagten die Ärzte. „Wenn ich damals die Religion nicht gehabt hätte, hätte ich das nicht überstanden“, sagt Jendrsczok. Fortan musste sie allein den Hof bewirtschaften und ihre drei Kinder großziehen. 

Wenn sie morgens um 6 Uhr im Kuhstall die Kühe melkte, hörte sie die Kirchturmglocken zum Gottesdienst rufen. Doch sie konnte nicht hingehen, weil sie arbeiten musste. Damals versprach sie Gott, dass, wenn alles überstanden sei, sie immer in die Kirche gehen würde, wenn die Glocken läuteten. An dieses Versprechen hat sie sich gehalten. 

Auch das Katholischsein war nicht immer ganz einfach: „Fronleichnam war der schlimmste Tag“, erinnert sie sich. Da mussten vorher alle Fenster geputzt und Fahnen am Haus angebracht werden. Sie stellte eine Muttergottesfigur im Fenster auf und schmückte die Straße mit grünem Blumenschmuck. Das Fest lag mitten in der Spargelzeit, und auch die Kühe mussten morgens noch gemolken werden. Und einmal schloss sich genau an diesem Morgen eines ihrer Kinder aus Versehen im Wohnzimmer ein. 

Neben ihrem Glauben war der Zusammenhalt in der Familie eine wichtige Stütze. Der Mann ihrer Schwester etwa half ihr bei allen Aufgaben, die besonders schwer allein zu meistern waren. „Er war die Rettung, ohne ihn hätte ich den Hof nicht halten können“, sagt sie. Auch die anderen Familienmitglieder halfen, wo sie konnten. 

Außerdem wichtig, um Krisen zu überstehen: „Eiserner Wille. Wenn du den nicht hast, bist du verloren.“ 

Leicht war es nicht, sagt sie mit Blick zurück. „Ich hätte das Buch schreiben können: Mein Kampf.“ Doch wie hat sie das alles ertragen, die Mühsal, die Schicksalsschläge? Glaube, Familie und Disziplin waren dazu wichtig. Und außerdem Humor. „Wir haben immer viel gelacht“, sagt sie. „Wir waren froh zusammen. So haben wir das alles geschafft.“ 

Das ist auch heute noch so: „Ich lache mit jedem, der zu mir kommt. Niemand soll hier rausgehen, ohne, dass ich mit ihm gelacht habe“, betont sie. Früher hat sie in der Fastnacht mitgemacht und viele Vorträge gehalten. Heute schneidet sie aus jeder Zeitung und aus jedem Magazin Witze aus. Damit brachte sie vor der Corona-Krise die Senioren bei ihren Treffen zum Lachen. Derzeit liegt sie im Krankenhaus, aber „Frau Jendrsczok geht es gut und wir haben unseren Spaß mit ihr“, sagt die Krankenschwester am Telefon.