Traditionalisten sehen in Joseph Strickland einen Märtyrer
Papst entlässt konservativen US-Bischof
Foto: kna/Vatican Media/Romano Siciliani
An einen Zufall glaubt für den Zeitpunkt der Entlassung der Ikone der US-Rechtskatholiken kaum jemand. Viele Gründe sprechen dafür, dass der Vatikan die Personalie Joseph Strickland vor Beginn der Herbsttagung der US-Bischöfe (13. bis 16. November) erledigen wollte. Mit der seltenen Maßnahme zieht Papst Franziskus nach Ansicht von Kennern der US-Kirche eine Linie in den Sand, als Warnung für andere seiner Kritiker: bis hierher und nicht weiter.
Was das Fass zum Überlaufen brachte, bleibt Gegenstand von Spekulationen. Da der Vatikan offiziell keine Gründe für die Entlassung des Bischofs nannte. Sie folgt einer kirchenamtlichen Überprüfung (Visitation) des Bistums vom Juni. Die beiden Visitatoren - Bischof Dennis Sullivan von Camden und der frühere Bischof von Tucson, Gerald Kicanas - hatten dem Papst berichtet, ein Amtsverbleib des texanischen Bischofs sei nicht mehr möglich.
Anlässe bot Strickland genügend. So äußerte er in einem seiner Postings öffentlich Sympathie für ein Video, das Franziskus als "teuflisch verirrten Clown" angreift. Im Mai hielt er dem Papst via "X" vor, die "Fundamente des Glaubens zu unterminieren". Und die Weltsynode in Rom qualifizierte der texanische Bischof als "Müll" ab. Die Versammlung habe "nichts damit zu tun, in der Wahrheit zu leben".
Diese Wahrheit nimmt der Bischof, glühende Unterstützer Donald Trumps und Corona-Leugner vielmehr für sich in Anspruch. Der Kirchenhistoriker Massimo Faggioli von der Villanova University kann sich nicht erinnern, dass sich ein katholischer Bischof derart "abfällig wie ein fundamentalistischer Protestant gegenüber der Autorität der Kirche verhalten hat".
Strickland brüstet sich mit seinem Ungehorsam
Tatsächlich brüstet sich Strickland regelrecht mit seinem Ungehorsam; etwa bei der Implementierung der Richtlinien über die Feier der lateinischen Messe 2021. Er habe das Papstdokument "Traditiones Custodes" nicht umgesetzt, "weil ich Teile meiner Herde nicht aushungern darf", erklärte der Bischof in einem Interview des Onlineportals LifeSiteNews (LSN).
Demselben Medium sagte er nun nach seiner Demission, er würde im Rückblick nichts anders machen: "Ich stehe zu all jenen Dingen, die als Beschwerden gegen mich aufgelistet sind." Es sei ihm schleierhaft, was er getan haben könnte, um diese Behandlung zu verdienen. Es gebe zurzeit "Kräfte in der Kirche, die die Wahrheit der Frohen Botschaft ablehnen", so Strickland.
In der Darstellung seiner rechtskatholischen Gefolgsleute ist die Entlassung des Bischofs das Ergebnis eines großen Willkürakts. "Ich kann kein kirchenrechtliches Vergehen erkennen, das eine Strafe verdiente", beschwert sich Fox-Kommentator Gerald E. Murray, selbst katholischer Priester in New York. Tausende Traditionalisten protestierten in einer Petition gegen die Entlassung. Und selbst ernannte "Ritter der Republik" - wohl in Anspielung an die Star-Wars-Saga - rufen für Samstag (18. November) zu einer Rosenkranz-Prozession "zur Verteidigung der Heiligen Mutter Kirche und Bischof Strickland" auf.
Seit der Bischof von Tyler 2018 in einem Offenen Brief eine Lanze für den früheren Papstbotschafter in den USA und Franziskus-Widersacher Erzbischof Carlo Maria Vigano brach, gelangte Strickland in der Welt der Rechtskatholiken zu Ruhm und nationaler Bekanntheit. Er hat auf "X" (Ex-Twitter) mehr Anhänger, als seine Diözese an Mitgliedern zählt. Das trug ihm unter Traditionalisten den Ehrentitel "Amerikas Bischof" ein.
Unter den Gläubigen vor Ort ist Strickland umstritten. Seine Entlassung sei längst überfällig gewesen, äußern Kritiker in den Medien. Etwa Amanda Martinez Beck, die früher für das Kirchenmagazin des Bistums arbeitete. Sie sagte dem "National Catholic Reporter", sie sei durch Strickland so desillusioniert worden, dass sie nicht wisse, ob sie je wieder in die Kirche gehen kann. Das habe nicht nur mit Stricklands radikalen Positionen zu LGTBQ+-Themen, Abtreibung, Zuwanderung und der lateinischen Messe zu tun, sondern auch damit, wie er diese vertreten habe.
Die Maßregelung vor der Herbsttagung der Bischöfe wird so auch als Mahnung des Papstes verstanden, die Polarisierung in der US-Kirche zu überwinden. Ob Franziskus' Warnung bei den Scharfmachern ankommt, oder ob die nun nurmehr einen neuen Märtyrer haben, müssen die kommenden Wochen zeigen.