Warum wir den Sommer auch zuhause genießen können

Raus aus dem Gewohnten

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Sommer, Sonne, Strand und Meer: Ist das alles, was es zum perfekten Urlaub braucht? Warum es sich lohnen könnte, den Urlaub einmal zuhause zu verbringen und wie Sie dem Alltagstrott dennoch entfliehen.


Einfach durchatmen und den eigenen Ort wie Touristen erkunden: So kann Urlaub auch zuhause Spaß machen. Foto: kna/Julia Steinbrecht

"Warum in die Ferne schweifen, wenn das Gute liegt so nah?" lautet ein deutsches Sprichwort. In Zeiten von Unwägbarkeiten durch Klimakrise, Ukraine-Krieg, Inflation und Chaos an Bahnhöfen und Flughäfen mag so mancher froh sein, in diesen Sommer gar nicht zu verreisen. Denn auch Urlaubstage zu Hause können entspannend sein.

Die Seele baumeln lassen, in den Tag hineinleben, ohne Verpflichtungen sein - das kann man eigentlich auch dort, an freien Tagen sogar ganz ohne Urlaub. Warum nicht gemütlich in der Morgensonne im netten Cafe frühstücken und Leute beobachten, ohne Zeitdruck seine Bahnen im Freibad ziehen oder mit dem dicken Schmöker auf der Liege in andere Welten eintauchen? Ob man sich auch zu Hause entspannen kann, scheint reine Kopfsache zu sein. Denn das vertraute Umfeld wird meist vor allem als Ort von Erledigungen und Routinen wahrgenommen, nicht als Raum für Muße und Erholung.

Stadtführung in der eigenen Stadt

Harriet Köhler, Autorin des 2019 erschienenen Buches "Gebrauchsanweisung fürs Daheimbleiben", plädiert beim Urlaub zu Hause für einen Perspektivwechsel: "Wenn man neugierig ist und wenn es einem gelingt, den Blick, den man als Reisender in der Ferne hat, auch auf seine nähere Umgebung anzuwenden und dort genauso offen und neugierig ist, dann kann das genauso spannend sein wie ein ganz exotisches Reiseziel" sagte sie im Interview der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA). Köhler nennt als Beispiel eine Führung durch die eigene Stadt oder das eigene Viertel. Um aus dem gewohnten Trott rauszukommen, könne es helfen, "zu Hause die Sachen zu machen, die man sonst nur im Urlaub tun würde".

Um in ein neues Lebensgefühl zu gelangen, scheint es für viele dennoch kein besseres Mittel als einen Ortswechsel zu geben, quasi als Gegenentwurf zu vertrauten Gesichtern, Orten und Routinen. Dabei bleibe die angestrebte Erholung oft auf der Strecke, sagt der Berliner Tourismusforscher Hasso Spode. Er spricht von einem "Placebo-Effekt der Erholung" - zurück im Alltag sei diese spätestens nach zwei Wochen futsch, "egal, wie lange man verreist ist".

Er verweist darauf, dass Menschen erst im 18. Jahrhundert ohne triftigen Grund zu reisen anfingen. Im 19. Jahrhundert habe das Bürgertum dann "nachträgliche Begründungen" zur Legitimierung angeführt wie die "Regeneration" zur Wiederherstellung der Arbeitskraft. Für Spode ist Urlaub aber vor allem "reiner Konsum von Erlebnissen und Symbolen".

Zugleich sieht er tiefere Gründe, warum Menschen nach diesen Zeiten lechzen. "Wir brauchen solche Auszeiten, um das Leben überhaupt bewältigen und aushalten zu können." Neben profanen Alltagszeiten gebe es in allen Kulturen besondere, "heilige" Zeiten, die aus dem grauen Einerlei hervorstechen wie Feste und eben Urlaube. Ein Problem sei, dass für die meisten Menschen bei Ferien zu Hause "kein Tapetenwechsel" möglich sei. So sei auch der große Reise-Nachholbedarf nach Corona zu erklären.

Autopilot im Alltagsleben raubt schöne Momente

Warum aber sind wir im Alltag offenbar blind für die Schönheiten vor der eigenen Haustür? Nach Ansicht der Wachtberger Achtsamkeitslehrerin Tanja Büchel-Bogut liegt das "an unserem wunderbaren Autopiloten", der das Alltagsleben sehr erleichtert. Durch ihn gehe das Leben schneller, rationaler, effektiver. Dadurch entgingen uns Menschen aber zugleich die schönen Momente im Leben, Büchel-Bogut.

Dass Menschen andernorts besser abschalten können, liegt für die Achtsamkeitslehrerin auch daran, "dass wir uns im Urlaub offiziell die Erlaubnis erteilen, uns auszuruhen, zu entspannen und uns für neue Erfahrungen und Eindrücke zu öffnen". Zudem seien die menschlichen Sinne in der neuen Umgebung vielen anderen Reizen - Geschmäckern, Düften, Wetterverhältnissen, Sprachen ausgesetzt. Dies helfe, langsamer und bewusster durch den Tag zu gehen und "sozusagen im Müßiggang das Leben zu genießen".

Damit ein Urlaub im vertrauten Umfeld gelingen kann, sollte man sehr bewusst einen Gang herunterschalten, um im Entspannungsmodus anzukommen "und dann mit allen Sinnen, neugierig auf Erkundungsreise gehen". So könnten vielleicht sogar im Alltag immer mehr Momente von Urlaub gelingen.

kna/Angelika Prauß