Die „milieusensible“ moderne Pastoral

Raus aus dem Mittelstand

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Was ist wesentlich für die Kirche 2030? Heute geht es in unserem „kleinen ABC der Kirchenentwicklung“ um „Milieupastoral“. Oder anders gesagt: Schluss mit einer Kirche, die fast immer um die „bürgerliche Mitte“ kreist. Von Johannes Becher.

 


„Milieusensibel“ soll die moderne Pastoral sein. 

Eine janusköpfige Situation. Der Kirche gehe es, meinte vor einigen Jahren der Soziologe Franz-Xaver Kaufmann, wie dem doppelgesichtigen römischen Gott auf der Schwelle: „Sie befindet sich in der prekären Gegenwart der Moderne, und ihre Mitglieder suchen nach Orientierungspunkten bald in ihrer jüngeren Vergangenheit, bald in der Vision einer stärker von der ursprünglichen Botschaft geprägten Zukunft.“ 

Da blitzt er auf, der spätestens seit dem Ende des 19. Jahrhunderts im „Antimodernismus-Streit“ zelebrierte Gegensatz zwischen Kirche und Welt, Getauften und Gesellschaft. Verschärft hat er sich, seit das Zweite Vatikanische Konzil Mitte der 1960-er die Fenster zu dieser Welt hin öffnete. Seitdem verwechseln die Beharrer die „Zeichen der Zeit“ mit dem Zeitgeist. Und der moderne Mensch – herausgefordert von seinen verschiedenen Lebenswelten – verliert den Anschluss an die geschlossene Kirchen-Gesellschaft. Das Bild der „Pfarrfamilie“ trägt nicht mehr.

Inmitten dieses Flügelschwingens ist die Volkskirche zu Ende gegangen. Vertraute Reste sind für die vielen längst Folklore, für andere der Kern ihres spirituellen Zuhauses.

Im Industriezeitalter habe die Kirche die Arbeiterschaft verloren, heißt es immer. Heute hat sie durch den jahrzehntelangen Rückzug ins „Haus voll Glorie“ viele weitere unbeachtet am Wegesrand stehen lassen. Oder sie erreicht Menschen überhaupt nicht mehr, die sich in einem der modernen „Milieus“ einrichten: bei den „Hedonisten“, den „Experimentalisten“, den „modernen Performern“, aber auch im „prekären“ Milieu der sozial Schwachen. Im Jahr 2005 legte das Sinus-Institut in Heidelberg eine Studie über die religiöse Beheimatung der Menschen vor. Katholiken finden sich nur in drei von zehn „Milieus“: bei den Traditionalisten, den Konservativen und in der Bürgerlichen Mitte. An den Rändern – dort, wo für Papst Franziskus der Platz der Christen sein soll – fast Fehlanzeige.

Wer gehört zur Gemeinde? Gibt es nur die Vollmitgliedschaft qua Taufe oder auch eine gestufte Nähe? Wer entscheidet, was Programm ist? Einer der Vordenker in Sachen Kirchenentwicklung in der evangelischen Welt rät dazu, bei der Hinwendung in die Lebenswelten der Menschen – in alle Milieus – „der Spur des heruntergekommenen Gottes“ zu folgen: „Der Sohn verlässt die himmlische Herrlichkeit beim Vater. Er kommt zu uns; er hockt nicht auf seinen göttlichen Privilegien… Gott selber begibt sich in unser Milieu.“