"Suppe am Sonntag" in Twistringen

Rezept gegen Einsamkeit und Vorurteile

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Frau und Mann kochen Suppe
Nachweis

Foto: Sabine Nölker

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Anja Thiede und Thomas Diephaus-Borchers sind die Initiatoren des Angebotes "Suppe am Sonntag" in Twistringen. Foto: Sabine Nölker

Bei der „Suppe am Sonntag“ im Pfarrzentrum Twistringen geht es nicht nur ums Essen. Das Angebot bringt Menschen zusammen und weckt die Freude an einem Ehrenamt.

Fast wäre nicht nur die Suppe gekippt, sondern auch die Stimmung. Aber Anja Thiede und Thomas Diephaus-Borchers konnten das Malheur gerade noch verhindern. Tags zuvor hatten sie im Pfarrzentrum Twistringen zwei riesige Töpfe Erbsensuppe gekocht und kaltgestellt. „Wir waren so gut vorbereitet, dass wir dachten: Es reicht, wenn wir am Sonntag um 11 Uhr hier sind“, erzählt Anja Thiede. Doch dann kamen sie in die Küche und rümpften die Nase. Es roch sauer. Die Hälfte der Suppe war verdorben. Was tun? Sie riefen schnell ihre Ehepartner an und baten: „Bringt alles mit, was wir an Möhren, Erbsen, Sahne und Kokosmilch vorrätig haben!“ Es wurde in Windeseile geschnippelt und zusammengemixt. Zehn Minuten, bevor die ersten Mittagsgäste eintrafen, waren 20 Liter Suppe nachgekocht. Anja Thiede lacht. „Es schmeckte, einige wollten sogar das Rezept haben, aber das war natürlich nicht möglich.“

Normalerweise geht es weniger hektisch zu, wenn in Twistringen einmal im Monat zur „Suppe am Sonntag“ eingeladen wird. Gemeindemitglieder sitzen nach dem Sonntagsgottesdienst zusammen, essen, trinken Kaffee, tauschen sich aus. „Alle gehen zufrieden nach Hause, die Leute sind so dankbar, ich habe noch nicht erlebt, dass jemand gemeckert hat“, sagt Anja Thiede. Das bestätigt auch Thomas Diephaus-Borchers: Gerade ältere Menschen, die allein leben, genießen das Essen in Gesellschaft. Viele stehen mit ihrem Rollator schon früh vor dem Pfarrzentrum, um einen guten Platz zu bekommen.

Wer einmal dabei war, kommt wieder, zum Kochen oder als Gast.

Anja Thiede, 52 Jahre alt, und Thomas Diephaus-Borchers (44) organisieren die „Suppe am Sonntag“. Das Angebot startete im Herbst 2017. Nach zwei Jahren Corona-Pause liegt die Besucherzahl mit 90 bis 100 Gemeindemitgliedern fast wieder auf dem Niveau der Vor-Pandemie-Zeiten. Die Idee hat sich Diephaus-Borchers aus einer kleinen Gemeinde in Münster abgeschaut. Auch Anja Thiede war sofort begeistert. „Wir haben auf einem Geburtstag morgens um drei Uhr darüber philosophiert, wie wir das Ganze umsetzen können. Ich selbst koche gern und gebe Kochkurse, und wir beide haben auch schon auf Freizeiten gekocht. Das macht uns einfach Spaß.“

Mittagstisch in Twistringen
"Suppe am Sonntag" im Pfarrzentrum Twistringen: Allen schmeckt es, alle unterhalten sich gut. Thomas Diephaus-Borchers und Anja Thiede sind zufrieden. Foto: Sabine Nölker

Mit einem Startkapital von 200 Euro „sind wir losgegangen und haben eingekauft“, sagt Thiede. Die beiden Initiatoren hatten sich zunächst vorgenommen, das Kochen komplett zu übernehmen. Doch dann wurden sie überrascht. Es fanden sich so viele Interessenten, „dass wir heute nur noch kochen, wenn eine Gruppe kurzfristig absagen muss“. Auch die Kochtermine für 2024 sind schon alle vergeben. Am Herd stehen Hauptamtliche, der Kirchenvorstand, Freundescliquen, Firmlinge, Jugendliche, Taufkatecheten, Geflüchtete, die Kita-Leitung oder Familien mit mehreren Generationen. Am 5. Mai, verrät Thiede, „ist unser Bürgermeister dran“. 

Mittlerweile gibt es diverse Suppenrezepte mit hochgerechneten Mengenangaben. Das jeweilige Kochteam trifft sich meistens samstags, kauft ein und macht sich in der Küche des Pfarrzentrums an die Arbeit. Sonntags wird dann noch Kaffee gekocht. „Wer einmal dabei war, kommt wieder, zum Kochen oder als Gast“, sagt Thiede. Der Teller Suppe ist kostenlos, man kann aber Geld ins Sparschwein stecken.

Was motiviert das Organisationsteam? Für Diephaus-Borchers, Mitglied im Kirchenvorstand, ist die „Suppe am Sonntag“ zwar das kleinste seiner Ehrenämter, aber das dankbarste. Auch Anja Thiede, die in Sachen Kirche und Politik viel unterwegs ist, unter anderem als Ortsbürgermeisterin, schwärmt von der „Suppe am Sonntag“: Die stärke das Gemeinschaftsgefühl, hole Menschen aus ihrer Einsamkeit und mache einfach Spaß.

Und dann erzählt Thomas Diephaus-Borchers noch von einem besonders schönen Erlebnis: „Einmal haben Geflüchtete gekocht. Sie haben nicht mal selbst was gegessen, weil es mitten im Ramadan war. Die ältere Generation, vermutete ich, wird vielleicht etwas zurückhaltend sein, wenn da plötzlich acht junge Syrer in der Küche stehen. Aber das Gegenteil war der Fall. Sie können sich nicht vorstellen, mit wie viel Liebe, Dankbarkeit und Fröhlichkeit die Jungs empfangen wurden. Das war unglaublich.“

Am Sonntag, 5. Mai, wird um 12 Uhr zur nächsten "Suppe am Sonntag" ins Pfarrzentrum eingeladen. Diesmal kocht der Bürgermeister von Twistringen.

Anja Sabel