Schätze aus Niedersachsen

Image

75 Jahre Niedersachsen – da werden viele Erinnerungen wach. An gute Zeiten und an schlechte, an eine unbeschwerte Jugend oder einen harten Neuanfang nach dem Krieg. Menschen aus dem ganzen Bundesland haben dem Landesmuseum Hannover ihre ganz persönlichen Schätze zur Verfügung gestellt – eine bunte Ausstellung über Aufbau und Wirtschaft, Arbeit und Kultur, Freizeit und Forschung. Zu sehen ist sie bis zum 2. Januar.

An den Kinderschuh denkt der Rettungsflieger noch heute

Das ICE-Unglück in Eschede 1998 war der bislang schwerste Eisenbahn-Unfall in der Bundesrepublik. 101 Menschen kamen ums Leben, 88 wurden schwer verletzt, weil der Hochgeschwindigkeitszug „Wilhelm Conrad Röntgen“ entgleiste und gegen eine Brücke prallte.

1000 Rettungskräfte waren im Einsatz, einer von ihnen war DRK-Rettungsflieger Rüdiger Engle. Als einer der ersten erreichte er die Trümmer des Zuges, die Bilder hat er noch heute im Kopf – die verzweifelten Versuche, an die Verletzten durch die aufgerissenen Lücken der Waggons zu kommen. Andere waren eingeschlossen und lange überhaupt nicht zu erreichen.

„Ich habe leider viel Zeit gehabt, Eindrücke zu sammeln“, erinnert sich Rettungsflieger Rüdiger Engle, dessen Helm mit einem Modell-Hubschrauber in der Ausstellung zu sehen ist. „Ich bin an einem kleinen Kinderschuh vorbeigegangen. Ich wusste, dieser Schuh gehört einem Kind. Aber das Kind ist nicht da. Das ist etwas, das man sein Leben lang mit sich herumträgt.“

Rüdiger Engle half, die Einsätze der Hubschrauber zu koordinieren, behielt im Chaos den Überblick. „Es ist wichtig, heute noch an diesen schrecklichen Tag zu erinnern“, sagt er.

Ein Bild mit Symbolcharakter

Ein Kriegsversehrter in den Straßen von Hannover füttert eine zutrauliche Taube. 1953, als das Bild entstand, sind längst noch  nicht alle Trümmer weggeräumt. Männer mit Holzkrücken oder amputierten Armen gehören zum Stadtbild. Gemacht hat das Foto der Vater von Michael Hagedorn. „Für mich symbolisiert es die Nachkriegszeit wie kaum ein anderes“, sagt er. Auch während des Krieges habe der Vater zur Kamera gegriffen, vielleicht sei es eine Art Selbstschutz gewesen. Später waren dann die Alltäglichkeiten am Rande seine Motive. „Dabei hat er sich nie erklärt oder seine Absichten in der Familie geäußert.“

 

 

„Mein Mann ist der wahre Schatz“

Das ist Rüdiger Bohnenstedt – nicht in echt, sondern als Modell. Geboren wurde er am 1. November 1946, und damit ist er exakt so alt wie das Land Niedersachsen. Für seine Frau Margret ist er der „wahre Schatz“, kennen gelernt hat sie ihren späteren Mann in der Nähe von Hildesheim. Sein ganz besonderes Geburtsdatum hat Rüdiger Bohnenstedt übrigens schon einmal zu Ehren gereicht: Bereits zum 60. Geburtstag des Landes war er als Gast der Landesregierung eingeladen.

 

Eisenrohr als friedlicher Protest

Harte Nuss: Mit 25 Kilo schweren, doppelwandigen Eisenröhren ketteten sich Anti-Atomkraft-Demonstranten an die Bahngleise, um die Castor-Transporte nach Gorleben zumindest zu verzögern. Einer von ihnen war Kristian Krupka: „Die Polizei brauchte Stunden, um die Rohre aufzusägen.“ Friedlicher Protest mit einfachen Mitteln war die Idee hinter der Aktion. Langfristig hatte sie Erfolg, Gorleben als Atommüll-Endlager ist erst kürzlich endgültig zu den Akten gelegt worden.

 

Das Landei und die weite Welt

Ein Titel, von dem viele Mädchen träumen: Heidekönigin sein. 1965 wurde dieser Traum für Anneliese Luhmann war. Stolz trägt sie auf dem Foto von damals die Krone auf dem Kopf. „Ich war ein naives und behütet aufgewachsenes Bauernmädchen – und als Heidekönigin öffnete sich mir eine ganz andere Welt“, erinnert sie sich. Anneliese Luhmann reiste in offiziellem Auftrag durchs ganze Land, traf Schauspieler und Bundeskanzler Willy Brandt, wurde vom indischen Konsul zum Abendessen eingeladen, ein britischer Besatzungssoldat machte ihr einen Heiratsantrag und im Rennwagen von Fritz Huschke von Hanstein durfte sie eine Runde drehen.

 

Im Schnee-Chaos ein Herz für Tiere

Schnee-Chaos im Winter 1978/79. Nicht nur für die Menschen eine extreme Herausforderung, für viele Tiere eine tödliche Gefahr. Werner Baringhaus-Tesch, engagierter Naturschützer und damals Zivildienstleistender an der MHH Hannover, findet eine ungewöhnliche Lösung, um Greifvögeln zu helfen, die vom Hungertod bedroht sind. Aus dem Klinik-Labor organisiert er lebende Mäuse und hängt sie in einer Zinkwanne unters Dach – Futter für Steinkäuze und Eulen. Viele kann er retten, einige überleben nicht – wie die Schleiereule, die ihn ausgestopft noch heute an den eisigen Winter von damals erinnert.

 

Lehrerin statt perfekte Hausfrau

Kochen, Backen, Putzen und Bügeln standen auf dem Stundenplan von Ulrike Reinecke, die von 1967 bis 1971 die Frauenfachschule in Braunschweig besuchte. Im Praxisunterricht musste sie ein perfekt reines Schulkleid tragen, einen Badeanzug nähen und Handtücher akkurat zusammenlegen. In der „Plättmappe“ hielt  Ulrike Reinecke Schritt für Schritt fest, wie die Wäsche gebügelt wird. Doch sie wollte nicht die perfekte Hausfrau werden sondern Lehrerin – ein Ziel, das sie über den Umweg Frauenfachschule erreicht hat.