Kampagne für den Religionsunterricht

„Schon eine krasse Gelegenheit"

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Ist der Religionsunterricht ein Fach wie jedes andere? Ist er langweilig? Lernt man dort etwas für das Leben oder vermittelt er nur frommes Wissen ohne gesellschaftliche Relevanz? Eine Kampagne macht Werbung für ein Fach, das heute immer mehr infrage gestellt wird – zu Unrecht.

Religionsunterricht ist mehr als das Auswendiglernen von Glaubenssätzen. Er trägt zur Allgemeinbildung bei und fördert Kompetenzen, die auch der Gesellschaft zugutekommen: Toleranz, Dialogfähigkeit, kritisches Denken, verantwortungsvolles, nachhaltiges Handeln und vieles mehr. In der öffentlichen Diskussion und in der Politik aber wird Religion als ordentliches Lehrfach an staatlichen Schulen immer wieder infrage gestellt. Die Schüler sehen das ganz anders: die Abmeldezahlen für das Fach Religion sind marginal. Eine bundesweite Kampagne „daRUm!“ des Deutschen Katechetenvereins (dkv) will daher den Wert und die Bedeutung des Religionsunterrichts für die Gesellschaft herausstellen.


 


„Religionsunterricht schärft den Blick“ – Postkarten mit
provokanten Sprüchen sollen den Wert des Faches Religion
ins Gespräch bringen. | Foto: dkv

Die Kampagne
Mit der Kampage will der dkv den Religionsunterricht ins Gespräch bringen, Menschen neugierig machen und Religionslehrern Wertschätzung und Respekt verschaffen. So wurden in vielen deutschen Städten bereits Veranstaltungen organisiert, öffentliche Relistunden gegeben sowie Plakate und Postkarten mit provokanten Sprüchen verteilt wie: „Das Leben ist kein Ponyhof. Religionsunterricht hilft, Hürden nehmen“ oder „Faszination Darkness. Religionsunterricht hilft bei der Unterscheidung der Mächte“. Darüber hinaus gibt es einen Film über die Bedeutung des Religionsunterrichts.

Ausschnitte aus den Dreharbeiten und einzelne takes sind kontinuierlich auf der Hompage der Aktion in der Rubrik „Nee, is nich egal!“ zu sehen. Im September soll der Film offiziell in die Kinos kommen. Auch ein Schülerwettbewerb hat bereits stattgefunden. Für alle, die auf der Suche nach Informationen über den Religionsunterricht in verschiedener Hinsicht sind, steht eine crossmediale Sonderseite zur Verfügung.


Was macht einen guten Religionsunterricht aus?
„Ein guter Religionsunterricht hilft Schülern, dass sie eben nicht mit jeder Herde mitziehen, sondern mit einem wachen Blick durch das Leben gehen“, erklärt Andrea Tüllinghoff, Religionslehrerin und Vorstandsmitglied des dkv Osnabrück. Er vermittelt christliches Grundwissen und Werte und hilft den Schülern, ihre Zukunft in politischer, sozialer und ökologischer Verant­wortung zu gestalten. Dabei gehe es auch um Herzensbildung, Diskussionsfreiheit und Tiefgang, für die im Religionsunterricht mehr als in allen anderen Fächern Platz sei, ergänzt ihr Kollege Matthias Wocken.

Auch wichtige Begegnungen finden statt: Im Religionsunterricht begegnen Schüler einem Lehrer, der sich einer Konfession oder Religion zugehörig fühlt und hier Position bezieht. Sie begegnen anderen Schülern des gleichen Glaubens aber auch Gästen aus anderen Religionen oder Konfessionen. „Das schult die Dialogfähigkeit, und die Schüler lernen Begegnung und Auseinandersetzung“, betont Jens Kuthe vom dkv-Vorstand Osnabrück. Fähigkeiten, die heute immer wichtiger werden, damit Feindseligkeit und Hass keine Chance bekommen. Also: „Schon eine krasse Gelegenheit“, wie eine Schülerin im Werbefilm der Aktion passend betont.


Wie hat sich der Religionsunterricht verändert?
„Der Unterricht ist aktueller und weniger statisch geworden“, erklärt Matthias Wocken. Zwar gebe es einen Lehrplan, den es zu beachten gelte, dennoch könne der Lehrer sich individueller als früher auf die Klasse und ihre Bedürfnisse einlassen und die Themen auf die Gruppe und aktuelle Anlässe abstimmen. Es werde viel mehr diskutiert, informiert und hinterfragt, als auswendig gelernt und vorgegeben. „Wir reagieren auf die Dinge und Fragen, die die Kinder aus ihrer multimedialen Welt mitbringen, was am Morgen getwittert wurde oder auf Instagram zu lesen war. Das ist eine ganze Menge mehr, wozu man Position beziehen muss“, meint Jens Kuthe. Schüler seien heute zwar oft deutlich kirchenferner als früher, aber deshalb nicht weniger hungrig nach Antworten auf Sinnfragen, wie auch die aktuelle Shell-Jugendstudie belegt:

Die Suche nach religiösen Inhalten ist bei den Jugendlichen sogar gewachsen, sie kommt nur mannigfaltiger daher. So zeige sich auch, dass immer weniger Jugendliche heute eine Anbindung an Gruppen oder Verbände hätten, die Halt geben, in denen man sich austausche und miteinander auseinandersetze. „Wir müssen uns in alles Mögliche hineindenken: Computerspiele, Youtuber, Musik und Film“, schmunzelt der Lehrer. So mache Religionsunterricht heute auch widerstandsfähiger gegen die Kraft der Medien, schrankenlosen Konsum und ein­seitige Leistungsorientierung.


Wie können Familien unterstützen?
Wenn Familien nachfragen, aufmerksam sind, Raum geben für Fragen, Gespräche und Aktivitäten, „dann fällt das auf fruchtbaren Boden“, ist Matthias Wocken überzeugt. Dabei müssten Eltern und Großeltern keine theologischen Experten sein. „Könnte sein“, diese Antwort sei heute in Ordnung. Dabei sei es wichtig, offen zu sein, miteinander zu reden und nicht sofort zu verurteilen. Eine solche Offenheit lasse auch die Kirche selber zu. „Man muss nicht auf alles eine Antwort haben.“ Wocken ermuntert die Familien, offen zu sein, sich gemeinsam auf die Suche und auf den Weg zu machen und einen Bezug zur Kirche hinzubekommen – „wie auch immer. Es gibt so viele Möglichkeiten und Angebote im Jahresverlauf, darunter sicher auch einiges, was Kinder anspreche. Dabei könne man auch mal besondere Orte aufsuchen, aus alten Konventionen ausbrechen, zum Beispiel bei Freiluft- oder Zeltgottesdiensten oder ungewöhnlichen Wallfahrten, bei denen ein leckerer Imbiss zum Abschluss lockt.

Astrid Fleute

Wer sich an der Kampagne beteiligen oder sie unterstützen möchte, findet Informationen hier