Gemälde des Hamburger NS-Opfers Kurt Elvers kommt ins Bremer Focke-Museum

Sein Tod bleibt ungesühnt

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Bildübergabe Kurt Elvers
Nachweis

© Focke-Museum, Martin Luther

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Die Gebirgslandschaft des Malers Kurt Elvers befand sich lange in Familienbesitz. Bettina Loeffler und Sabine Pickuth aus Hamburg (2. und 3. v. l.) schenkten das Bild jetzt dem Bremer Focke-Museum. Links: Historiker Hans Hesse, der das Schicksal von Elvers erforscht hat. Mit im Bild: Anna Greve, Direktorin des Focke-Museums (2.v.r.) und Jan Werquet, Kurator und Stadthistoriker.

Eine Kirche vor schroffen Berggipfeln, ziehende Wolken, blühender Enzian – ein Alpenidyll. Der Maler Kurt Elvers hatte Talent, ohne Frage. Aber das ist nicht der Grund, weshalb sein Gemälde ins Bremer Focke-Museum umzieht. Vielmehr geht es um das Schicksal des jungen Kunststudenten, die Geschichte einer Denunziation in der Zeit des Nationalsozialismus und die tragischen Folgen.

Vermutlich wäre Kurt Elvers längst vergessen, hätte nicht der Historiker Hans Hesse diese biografische Leerstelle gefüllt. Bei Recherchen über die Entnazifizierung in Bremen stieß er auf Elvers – und somit auch auf die „Nordische Kunsthochschule“ (NKH), die einzige Neugründung einer Kunsthochschule im Dritten Reich. „Mich erschüttert die Brutalität, mit der hier ein Mitstudent zu Fall gebracht wurde“, sagt Hesse. Bereits 2011 veröffentlichte er seine Forschungsergebnisse als romanhafte Erzählung und schlug damit die Akten zum Fall Elvers auf. Dass die Geschichte Jahre später noch weitergehen wird, „damit habe ich nicht gerechnet“.

Kurt Elvers wurde 1919 in Hamburg geboren. Er absolvierte eine Schlosserlehre, um die Bauschlosserei seines Vaters zu übernehmen. Die Einberufung zur Wehrmacht durchkreuzte seine Pläne. Bis 1941 war er in der Normandie stationiert, wurde dann nach Polen verlegt. Durch einen Querschläger verwundet, kam Elvers im Januar 1942 ins Lazarett nach Bremen und begann – vom Frontdienst freigestellt – ein Kunststudium an der NKH.

Da handelten junge Menschen auch aus Rachsucht, Neid und Missgunst.

„Er war ein Soldat, der keiner sein wollte“, einer, der des Kämpfens überdrüssig gewesen sei, sagt Hans Hesse. Mehrfach habe er den Wunsch geäußert, nicht mehr an die Front zurückzukehren, sondern stattdessen sein Studium beenden zu wollen. Er war talentiert – und kritisch gegenüber dem NS-Regime. Es machte die Runde, dass Elvers „unvorsichtige Reden“ halte und damit „Unruhe“ stifte. Zum Verhängnis wurde ihm, als er im Sommer 1944 von dem Attentat der Offiziere um Stauffenberg auf Hitler erfuhr und sich gegenüber einigen Mitstudenten äußerte: „Schade, dass es nicht geklappt hat, sonst hätten wir jetzt Frieden.“ Ein Satz, der an einer Kunsthochschule, die eine „arteigene Kultur im Sinne Adolf Hitlers“ aufbauen wollte, nicht geduldet wurde. Kommilitonen denunzierten ihn bei der Gestapo. „Da handelten junge Menschen auch aus Rachsucht, Neid und Missgunst. Vielen war die Tragweite gar nicht bewusst“, sagt Historiker Hesse.

Kur Elvers
NS-Opfer Kurt Elvers. Foto: privat

Die Folgen waren dramatisch. Elvers wurde, weil er Soldat war, vor ein Kriegsgericht gestellt und zum Tode verurteilt. Verzweifelt versuchte sein Vater, eine Begnadigung zu erreichen. Er schickte zum Beispiel Gemälde seines Sohnes nach Berlin, um auf dessen Talent aufmerksam zu machen. Auch Interventionen einiger Professoren scheiterten. Am 20. Februar 1945 wurde Kurt Elvers in Hamburg auf dem Truppenübungsplatz Höltigbaum erschossen und zunächst auf dem Kriegsgräberfeld auf dem Ohlsdorfer Friedhof beerdigt. Ein halbes Jahr nach Kriegsende ließ ihn sein Vater ins Familiengrab umbetten.

Für die Familie begann ein Justizdrama, das bis ins Nachkriegsdeutschland hineinreichte. Mehrfach wollte der Vater die Schuldigen am Tod seines Sohnes zur Rechenschaft ziehen. Gerhard Barnstorf, der Hauptdenunziant, wurde zwar zu drei Jahren Arbeitslager verurteilt, musste die Strafe jedoch nie antreten. 1957 hob die Bremer Staatsanwaltschaft das Urteil auf und bescheinigte ihm, er sei lediglich „Mitläufer“ des NS-Regimes gewesen. Auch alle anderen Mitangeklagten wurden nicht verurteilt. Der Tod von Kurt Elvers – er bleibt ungesühnt.

Das Gemälde seines besten Freundes hing im Arbeitszimmer

Nachdem die Eltern gestorben waren, drohte die Grabstätte auf dem Friedhof in Hamburg-Ohlsdorf eingeebnet zu werden. Doch verschiedene Initiativen sicherten das Gedenken an Kurt Elvers: Ein Stolperstein wurde am Wohnort in Hamburg verlegt, der zweite vor der ehemaligen „Nordischen Kunsthochschule“, wo die heutige Hochschule für Künste beheimatet ist. Auf dem Ehrenfeld der Geschwister-Scholl-Stiftung des Friedhofs in Hamburg-Ohlsdorf erinnert seit 2012 ein Gedenkstein an Kurt Elvers. Im April 2015 wurde in Hamburg ein Kurt-Elvers-Weg eingeweiht.

Gemälde Elvers
Die Gebirgslandschaft ist das einzige Bild, das sich Kurt Elvers zuordnen lässt. Foto: Focke-Museum, Martin Luther

Lange Zeit war Elvers‘ Kunst ebenso unbekannt wie sein Aussehen. Bis eines Tages sein bester Freund, Heinz-Günther Lange, zum Gedenkstein kam und ein Foto mitbrachte. Es stellte sich heraus, dass sich auch ein Gemälde in seinem Besitz befand – die Gebirgslandschaft. Seine beiden Töchter, Bettina Loeffler und Sabine Pickuth, schenkten es jetzt dem Bremer Landesmuseum für Kunst und Kulturgeschichte. Historiker Hans Hesse hatte den Kontakt hergestellt. „Wir sind mit Kurt Elvers aufgewachsen, durch das Gemälde war er immer präsent“, berichtet Bettina Loeffler. Und weiter: „Wir sind sehr glücklich und dankbar, dass das Bild, an dem unser Vater so hing, ins Focke-Museum kommt. Hier passt es in die Thematik. Und der Person Elvers und seinem Bild wird so viel Respekt entgegengebracht.“

Heinz-Günther Lange wurde 98 Jahre alt. Bis zu seinem Tod hing das Gemälde seines besten Freundes in seinem Arbeitszimmer. Es ist das einzige Bild, das sich Kurt Elvers zuordnen lässt. Auf dem Passepartout befindet sich die Signatur „K Elvers 1943“. Der zuständige Kurator des Focke-Museums, Stadthistoriker Jan Werquet, spricht von einem „eindrucksvollen Selbstzeugnis eines Menschen, der den Mut hatte, Stellung gegen das NS-Regime zu beziehen und dafür mit seinem Leben bezahlte“. Und es sei ein berührendes Zeugnis einer Freundschaft in der Zeit der Gewaltherrschaft.

Dass das Bild nach Bremen zurückgekommen ist, dort, wo es entstanden ist, kommt für Historiker Hans Hesse einer späten Rehabilitation gleich. Und er ist überzeugt: „Die Geschichte von Kurt Elvers ist noch nicht zu Ende erzählt.“

Kommentar

 

Anja Sabel

Ohne Kurt Elvers wäre auch die Existenz der 1934 gegründeten „Nordischen Kunsthochschule“ (NKH) in Bremen bis heute weitgehend vergessen. An ihr sollten Künstler im Sinne Adolf Hitlers ausgebildet werden. Bis heute ist ihre Geschichte nicht ausreichend aufgearbeitet.