Die letzten Worte Jesu am Kreuz

Sieben letzte Worte

Es sind sieben berühmte Worte beziehungsweise Sätze, die Jesus am Kreuz spricht. Doch was haben sie uns heute zu sagen?

Mit dem Palmsonntag beginnt die Karwoche, in der Christen in besonderer Weise auf das Leiden Jesu blicken. Nimmt man alle vier Evangelien zusammen, sagte Jesus am Kreuz noch sieben Sätze, in der Tradition die „Sieben Worte Jesu vom Kreuz“ genannt, musikalisch vertont, oft meditiert. Die letzten Worte, das letzte Vermächtnis eines Sterbenden. Was war ihm wichtig?

Tobias Götting, Pastor der evangelisch-lutherischen

Ansgar-Kirche in Hamburg-
Langenhorn, hat darüber am Karfreitag 2010 eine ungewöhnliche Predigt gehalten, die er auch beim ökumenischen Predigtpreis eingereicht hat. So sind wir darauf gestoßen. Und finden sie auch heute noch wert, gelesen und bedacht zu werden. Gerade in der Karwoche:

 

Das Wort von der Vergebung:

„Vater, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun.“

Unter deinem Kreuz, Jesus, muss ich anderes erbitten:
Vater, vergib auch uns, wir wissen nur zu oft, was wir tun.
Und was wir lassen
und was wir tun sollten.
Und Jesus, Bruder am Kreuz
bittest du auch für uns um Vergebung?
Ich glaube: ja.


Dein Wort des Aneinanderweisens:

„Frau, siehe, das ist dein Sohn“ und „Johannes, siehe, das ist deine Mutter.“

Du wolltest nicht, dass jemand allein wäre.
Mit seiner Trauer.
Mit seinem Leben.
Mit seinen Hoffnungen.
Du willst, dass Menschen dieses Leben teilen.
Miteinander.
Als wären sie schon wirkliche Geschwister
oder Mutter und Sohn
oder Vater und Tochter.


Dein Wort von der großen Zukunft selbst für jenen Schurken, der neben dir am Kreuz hing:

„Wahrlich, ich sage dir: Heute wirst du mit mir im Paradies sein.“

Er hatte nichts mehr zu erwarten außer das Ende.
Er hatte seine gerechte Strafe bekommen,
und er hat sich nicht einmal dagegen aufgelehnt.
Aber er hat gespürt, dass es bei dir anders war.
Dass man dich aus dem Weg räumen wollte,
obwohl du nichts getan hattest.
Außer,
dass du den Blinden das Augenlicht schenktest.
Dass du die Lahmen gehen machtest.
Dass du die Kranken und die Gekränkten gesehen,
angesehen hast.
Sonst hattest du nichts getan.
Der Mörder neben dir am Kreuz,
er hat gespürt,
dass da die Liebe selber hing,
aufs Kreuz gelegt wurde,
und es war nicht zu spät für ihn.
So ist das mit der Gnade:
Es ist nie zu spät,
Gnade vor Recht ergehen zu lassen.
Du, sterbender, menschlicher Gott,
göttlicher Mensch,
du hast ihm einen Platz in Gottes Anderland
reservieren lassen:
„Heute wirst du mit mir im Paradies sein.“


Dein Wort der Verzweiflung:

„Eli, eli lema sachtani – Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?“

So rufst du, von Gott verlassener Gott.
So klagst du zu dem Gott, der eben nicht einfach
„alles so herrlich regieret“.
Mein Gott, warum hast du mich verlassen?:
So rufen viele in den schmerzvollen Nächten mit dem Krebs
und den vielen anderen tödlichen Frechheiten.
Und du leidest mit, Jesus, wenn einer deiner Brüder,
eine deiner Schwestern leidet.
Unsere Kreuze werden nicht kleiner durch dein Kreuz,
aber ich weiß keinen besseren Trost als den:
dass du weißt, was das heißt:
verlassen sein, verzweifelt sein.
Dein Leiden hat Gott verändert
und mein Bild von ihm.


Das Wort vom Durst:

„Mich dürstet.“

Es zeigt dich von deiner menschlichsten Seite, Jesus.
Du hattest Durst,
wirklichen Durst, nicht, weil – wie ich lese –
die Schrift erfüllt werden
müsse.
Die Zunge klebte dir am Gaumen vor Trockenheit.
Es tut weh, wenn man nichts zu trinken bekommt.
So viele haben Durst,
bis heute.
Wasser, zum Durstlöschen bitter nötig,
bitter, wie der Essig, den du bekamst.
Wasser, lebensnotwendig,
zu viele warten vergeblich darauf,
zu viele haben keinen Zugang zu frischem, klarem,
unverschmutztem Wasser.
An Wasser fehlt es uns nicht, Jesus.
Unser Durst schmeckt anders,
nach Leben.
Die Zunge klebt manchem am Gaumen
aus Angst,
aus innerer Leere.
Führ uns zum frischen Wasser,
zur Quelle des Lebens.
Wer von dir trinkt,
den wird nicht mehr
dürsten,
ist versprochen.


Dein Wort vom Ende allen Kampfes:

„Es ist vollbracht.“

Du hast ausgehalten.
Du hast nicht zurückgeschlagen.
Du hast der Liebe ein Gesicht gegeben,
ein schmerzverzerrtes,
ein bleibendes.
Und doch standen und stehen so viele Kreuze nach deinem
auf der Erde:
Das Kreuz der Armen.
Das Kreuz der Hungernden.
Das Kreuz der Verfolgten.
Das Kreuz der Unterdrückten.
Noch ist längst nicht alles vollbracht.
Nicht bei uns.


Dein Wort der Übergabe:

„Vater, ich befehle meinen Geist in deine Hände.“

Am Ende geht der Weg durch die Verzweiflung,
die Gottesferne hindurch
zu Gott,
in dessen Hand du endlich
unendliche Geborgenheit erwartetest.
So befehlen auch wir die,
die uns sterben,
in seine Hände.
Und wir ahnen und wir hoffen und wir glauben,
dass sie da besser noch aufgehoben sind
als bloß in unseren eigenen Händen.