Tag der Priester und Diakone
Sind viele Predigten zu harmlos?
Manche Predigt sei zu harmlos, meint Franziskanerpater Franz Richardt aus dem Kloster Ohrbeck. Er sprach beim Tag der Priester und Diakone darüber, ob das Bild des verzeihenden Gottes die Gefühlswelt der Menschen ganz erfasst.
Gelächter schallt durch das Erdgeschoss des Priesterseminars, Kaffeetassen klappern – einmal im Jahr sind die Priester und Diakone des Bistums zum Einkehrtag nach Osnabrück eingeladen, immer am Montag der Karwoche. Nach dem Begrüßungstrunk geht es in die Kleine Kirche zum gemeinsamen Gebet. Generalvikar Theo Paul richtet Grüße aus von Bischof Franz-Josef Bode, der nach einer Bandscheibenoperation noch nicht wieder fit ist und deshalb fehlt. Die Predigt hält Franziskanerpater Franz Richardt, zunächst aber beginnt ein Gebet: „Oh Gott, komm mir zu Hilfe …“
In seinem Vortrag stellt Pater Franz die Überlegung an, ob nicht manche Predigt heutzutage zu harmlos sei. Es gebe viele Predigten, die sich auf das Bild des barmherzigen Gottes beziehen. Wo in früheren Zeiten das Bild des strafenden Gottes oft dazu diente, die Menschen in Angst zu halten, ist es heute ersetzt worden durch eine Vorstellung des alles verzeihenden Gottes. Dieser bleibe auch harmlos. „Es gibt die Kritik, dass wir den leichten, den lieben Gott verkünden, der alles verzeiht“, sagt Pater Franz zu den Priesterkollegen. Zur Liebe gehöre aber Konsequenz, auch zur Liebe Gottes zu den Menschen.
Pater Franz erinnert sich an eine Predigt, die er hörte und die sich auf die biblische Geschichte vom Volk Israel in der Wüste bezog, in der es heißt: „Der Herr ging an Mose vorüber und rief: Jahwe ist ein barmherziger und gnädiger Gott, langmütig, reich an Huld und Treue.“ In der Predigt war es unter anderem darum gegangen, ob Gott nicht kommen und richten müsse. Aber er sei gnädig und langmütig, dafür wolle man ihm danken, hieß es.
Gott sorgt für Gerechtigkeit
Weil ihm die Lesung unvollständig schien, schlug Pater Franz die Geschichte noch einmal in der Bibel (Exodus 34) nach und stellte fest, dass ein Vers in der Lesung gefehlt hatte, und zwar die Stelle, in der es heißt, dass Gott zwar barmherzig sei, aber den Sünder nicht ungestraft lässt: „Er verfolgt die Schuld der Väter an den Söhnen und Enkeln, an der dritten und vierten Generation.“ Offenkundig sorgt dieser Gott für Gerechtigkeit.
Ein anderes Beispiel findet sich in der Erzählung von den murrenden Israeliten in der Wüste, denen Gott zur Strafe Giftschlangen schickte. Aber auch einen Ausweg bot Gott an: Diejenigen, die eine von Mose angefertigte eherne Schlange anschauten, konnten gerettet werden. Das nennt Pater Franz die Konsequenz der Liebe Gottes. Es sei auch heute wichtig, darauf hinzuweisen, dass Gott konsequent ist. Der Mensch wünsche sich einen gerechten Gott. In der Bibel gebe es viele Geschichten über Unrecht und den Wunsch nach Gerechtigkeit. Viele Psalmen seien gute Beispiele dafür, denn sie greifen laut Pater Franz die Ohnmachts- und Vergeltungsgefühle der Menschen auf – zum Beispiel Psalm 58 („Wenn er die Vergeltung sieht, freut sich der Gerechte“) und 139 („Wolltest du, Gott, doch den Frevler töten“).
Pater Franz griff eine Erfahrung auf, die er selbst gemacht hat. An einem Morgen hatte er entdeckt, dass das Kloster in Ohrbeck mit Graffiti beschmiert worden war. Ein Anruf bei der Polizei brachte nur die Auskunft, es werde schwierig werden, den Täter zu ermitteln. Pater Franz war sehr wütend und wusste nicht, wohin mit seinen negativen Gefühlen. Das Beten der Laudes brachte an dem Morgen keine Besserung, aber in den Texten der Psalmen konnte er seine Gefühlslage wiederfinden.
Andrea Kolhoff