Reaktionen aus der kirchlichen Friedensbewegung auf den Krieg

"Solidarität, Wut, Entsetzen"

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Keine Atom-Bomben auf deutschem Boden, Abrüstung, keine Rüstungsexporte: Das waren in den letzten 60 Jahren die Forderungen der Ostermärsche in Deutschland. „Adressat war immer die eigene Regierung. Nur sie kann die Forderungen wahrnehmen“, sagt Alois Bauer, Friedensreferent im Bistum Mainz. Der Krieg Russlands gegen die Ukraine hat viele alte Gewissheiten in Frage gestellt. Auch die kirchliche Friedensbewegung in der Region, die sich seit Jahrzehnten bei den Ostermärschen engagiert hat, diskutiert. Was ist jetzt richtig, was ist falsch? Theresa Breinlich hat in den Bistümern nachgefragt.



Wenn demonstrieren nicht hilft …

 

„Die Debatte ist eröffnet. Wir können uns jetzt nicht mehr ausruhen“

Winfried Montz, Leiter der Abteilung Weltkirche im Bistum Limburg, ist sehr beeindruckt vom Willen der Ukrainer für ihre Existenz und die Demokratie zu kämpfen.


Winfried Montz, Weltkirchen-
Experte im Bistum Limburg
Foto: Bistum Limburg

Er hält Kontakt zu den Menschen vor Ort, die er 2019 bei einem Besuch in Charkiw, Kiew und am Rand der Donbass-Region getroffen hat. Überrascht hat ihn die Brutalität des Krieges. Derzeit stehe die praktische Hilfe im Vordergrund. Über Caritas International würden sie versuchen, die Menschen zu unterstützen. Es sei sehr bewegend, dass auch die, denen sie nicht direkt helfen können, sehr dankbar für die gezeigte Solidarität seien. „Das zeigt die Stärke des Miteinanders, der Verbundenheit und des Gebets“, meint er. Und auch die Hilfe für die Flüchtlinge steht jetzt im Vordergrund.

Welche friedenspolitischen Konsequenzen dieser Krieg hat, darüber müsse jetzt eine differenzierte gesellschaftliche Diskussion stattfinden, auch innerhalb der Ostermarschbewegung. „Wer hat welche Interessen, die Wirtschaft, die Politik, die Ukrainer? Friedensgruppen? Sie werden die Lage unterschiedlich bewerten. Wie kann man die Verteidigung mit Waffen zur Existenzsicherung unterstützen, ohne neue Angriffskriege zu ermöglichen? Die Debatte ist eröffnet. Wir können uns jetzt nicht mehr ausruhen“, sagt er.  Die 100 Milliarden Euro, die die Bundesregierung der Bundeswehr zur Verfügung stellen möchte, findet er keine gute Idee. „Hier muss vorher eine gesellschaftliche Debatte stattfinden. Was ist mit anderen Abteilungen, die sich auch um Stabilität und Sicherheit bemühen, etwa um Entwicklung und den Klimawandel?“, fragt Montz.  
 

„Wir brauchen viel mehr Mittel für Konfliktprävention und Mediation“

Der russische Angriff und die Brutalität hat Alois Bauer, Friedensreferent des Bistums Mainz sowie Mitglied im Vorstand bei Pax Christi Rhein-Main, schockiert. Seit den 1990-er Jahren habe das Bistum engen Kontakt zur Ukraine. 2019 ist er in das Land gereist, auch bis zur Grenze der Donbas-Region. Bauer hat bereits Demonstrationen und Mahnwachen besucht und dort auch gesprochen.


Alois Bauer ist der Referent für
den Frieden im Bistum Mainz.
Foto: Bistum Mainz

Im Moment gehe es darum, Solidarität zu zeigen, Wut und Entsetzen auszudrücken. Der Blick auf die Opfer und die Hilfe stehen im Vordergrund. Gleichzeitig müssten aber auch Bemühungen um Diplomatie und Verhandlungen für einen Waffenstillstand laufen. „Es muss eine diplomatische Lösung geben. Anders endet kein Konflikt“, meint Bauer.
Auch sieht er die 100 Milliarden Euro Sondervermögen für die Bundeswehr kritisch. „Es hat darüber überhaupt keine Debatte stattgefunden. Der Afghanistan-Einsatz hat militärisch laut ZDF 12,3 Milliarden gekostet, zusammen mit der Entwicklungshilfe über 17 Milliarden Euro. Er hat uns aber nicht mehr Stabilität gebracht. Wir brauchen viel mehr Mittel für Konfliktprävention, Mediation, Diplomatie, die OSZE, aber auch für Konfliktnachsorge.
Den Kampf gegen die Klimaerwärmung dürfen wir nicht vergessen“, meint er. Bauer setzt auf eine enge Partnerschaft Westeuropas mit Russland. Zukünftig könnten beide Seiten davon profitieren, wenn sie Technologien zur nachhaltigen Energiegewinnung austauschen. Er ist überzeugt: „Mehr Waffen bedeutet nicht mehr Sicherheit. Jede Waffe, die es gibt, kann angewendet werden. Wir müssen überlegen, was wir für künftige Konflikte lernen. Die Politik muss jetzt eine Vision für eine friedliche Welt entwickeln.“
 

„Waffenlieferungen? Das erzeugt nur wieder neues Leid“

So viel Geld, 100 Milliarden Euro, für Rüstung auszugeben, das sei der falsche Weg, ist sich Egon Jöckel, Geschäftsführer von Pax Christi
Bistum Fulda und Leiter der Gruppe Gelnhausen sicher. Das Geld müsse ja irgendwo
herkommen und an anderer Stelle gespart werden.


Egon Jöckel streitet für Pax
Christi im Bistum Fulda.
Foto: privat

Man müsse jetzt genau schauen, wofür das Geld ausgegeben wird. Auch müsste untersucht werden, wohin die Mittel in der Vergangenheit gegangen sind.
Der Angriffskrieg auf die Ukraine sei zu verurteilen, keine Frage, und er müsse sofort gestoppt werden. Jöckel erklärt, dass jetzt alle Möglichkeiten der Diplomatie ausgeschöpft werden müssten, um einen Waffenstillstand zu erreichen. Das sei auch Forderung der Ostermärsche in der Region. „Alle Kanäle müssen jetzt genutzt werden, um auf Russland einzuwirken“, sagt er. Er wünscht sich eine Sicherheitspartnerschaft mit Russland.
Von Waffenlieferungen an die Ukraine hält er wenig. „Das erzeugt nur wieder neues Leid“, meint er. Einen Punkt, findet er wichtig zu erwähnen. Kriegsdienstverweigerern aus der Ukraine oder aus Russland sollte in Deutschland Asyl gewährt werden.
Die Gruppe Pax Christi Rhein-Main bereitete sich auch vor, sich um die ankommenden Flüchtlinge zu kümmern. Hier hätten sie schon viel Erfahrung.