Geschlechtersensible Liturgie

Sprache muss geübt werden

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In der Pfarrei St. Ursula in Oberursel gibt es jetzt einen Leitfaden für das Feiern einer „geschlechtersensiblen Liturgie“. Ein Thema, dem nicht alle in der Gemeinde positiv begegnen. Ein Ansporn, weiter für die Praxishilfe zu werben. Von Barbara Schmidt



Überreichung der Praxishilfe „Wege zu einer geschlechtersensiblen Liturgie” an den Pfarrgemeinderat: (von links) Pfarrer Andreas Unfried, Marcelline Schmidt Vom Hofe, Gabriele Alsheimer, Renate Kexel und Kerstin Schmitt.


Eine geschlechtersensible Liturgie hält die Pfarrei St. Ursula in Oberursel für „an der Zeit“. Die Pfarrgemeinderatsvorsitzende Marcelline Schmidt Vom Hofe weiß darum, dass auf dieses Thema auch in der katholischen Kirche nicht alle gleich positiv reagieren. „Viele sind erst mal aggressiv und geladen“, kann sie aus der Erfahrung einer Veranstaltung über das Gendern sagen. Am Ende seien alle aber „ganz ruhig rausgegangen“  aus diesem Abend, erzählt sie, und nicht nur Pfarrer Andreas Unfried kann sich ein Schmunzeln nicht verkneifen. Wenn die Menschen zuhörten, mehr über das Wieso und Warum erführen, meint die PGR-Vorsitzende, „das hilft sehr.“

Auch für die Beteiligten ein Lernprozess

Eine Hoffnung, die auch der Ausschuss „Wir können mehr! Frauen in der katholischen Kirche“ teilt, der die Praxishilfe „Geschlechtersensible Liturgie“ über einen Zeitraum von zwei Jahren im Auftrag des Pfarrgemeinderats erarbeitet hat. Dass es auch für die Beteiligten selbst ein Lernprozess war, sich mit dem Thema auseinanderzusetzen, spricht Renate Kexel an, die gemeinsam mit Kerstin Schmitt und Gabriele Alsheimer die liebevoll gestalteten Praxishilfe-Heftchen samt einer Art Lesezeichen mit Beispielen für vielfältige Gottesanreden und die alternative Formulierung von Gebeten offiziell an den PGR übergibt. Mitgearbeitet haben zudem Clara Jung, Hannah Olbrich, Helga Boas, Pastoralreferentin Susanne Degen und die Ausschussvorsitzende Susann von Winning.
In den nächsten Wochen sollen alle, die irgendwie mit Liturgie befasst sind, von den Priestern bis zu den Organisten und Wort-Gottes-Feier-Beauftragten oder den Mitgliedern der Ortsausschüsse, ein Exemplar erhalten. Alle sollen ja künftig „damit arbeiten, verstehen lernen und gucken, wozu man selber steht“, wie es Marcelline Schmidt Vom Hofe formuliert. Eine geschlechtersensible Sprache „muss geübt und trainiert werden, um aus dem alten Fahrwasser heraus zu kommen“, meint Renate Kexel. „Wir wollten nicht nur sagen: Macht mal, sondern auch sagen, wie es gehen könnte“, ergänzt Kerstin Schmitt.
Die Praxishilfe beginnt mit dem Rat, durch eine geschlechtersensible Beteiligung an der Liturgie, bei der auch Mädchen und Frauen deutlich vertreten sein sollten, schon rein optisch heutiges Gemeindeleben zu spiegeln, in dem doch ein gleichberechtigtes Miteinander herrsche. Wenn bei einem festlichen Hochamt nur Männer am Altar zu sehen seien, „passt das für uns nicht mehr ins Bild“.
Dass geschlechtersensible Sprache heute auch Menschen berücksichtigen muss, die sich weder als Mann noch als Frau empfinden, hätten insbesondere die jüngeren Ausschussmitglieder deutlich gemacht, meint Renate Kexel. Statt in Fürbitten etwa von Teilnehmern zu sprechen, wird entsprechend geraten, lieber eine Formulierung wie „alle, die teilnehmen“ zu wählen.
Vielfältige Gottesanreden sollen auch im Blick auf den Schöpfer, der menschliche Vorstellungen und Kategorien übersteigt, helfen, nicht ein geschlechtsspezifisches, sondern ein offenes Bild von Gott zu fördern. So finden sich der „Gott des Lebens“ oder „Gott unserer Sehnsucht“ in der Vorschlagsliste.

Workshop für Interessierte geplant

Die Arbeit des Ausschusses ist mit der Fertigstellung der Praxishilfe übrigens nicht am Ende. So ist im November ein Workshop zu deren Themen geplant. Auch die Lieder für Gottesdienste würden noch das genauere Hinschauen lohnen, meint nicht nur Gabriele Alsheimer, dass noch so manches Feld auf die Gruppe wartet.

Von Barbara Schmidt

 

ZITIERT

„Wir können mehr!“
„Wir sind eine Gruppe von Frauen aus der Pfarrei St. Ursula, die sich im Ausschuss ,Wir können mehr – Frauen in der katholischen Kirche‘ zusammengeschlossen haben. Immer wieder stoßen wir Frauen in unserer Kirche an Grenzen, nur weil wir Frauen sind. Das möchten wir ändern. Wir möchten nicht länger auf eine eigene Rolle, eine eigene Würde und einen eigenen Bereich beschränkt werden. Wir möchten vollwertige und gleichberechtigte Mitglieder sein, auf allen Ebenen, in allen Bereichen und auf Augenhöhe. Dafür machen wir uns stark!
Wenn auch Sie sich für mehr Geschlechtergerechtigkeit in unserer Kirche interessieren und im Ausschuss mitarbeiten möchten, nehmen Sie bitte Kontakt mit uns auf – unter wirkoennenmehr@pfarrei.kath-oberursel.de – Wir freuen uns auf Sie!“

Susann von Winning, Vorsitzende des Ausschusses