Wie ein Täufling seine Taufpatin gefunden hat

Taufpatin mit Herz und Hand

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Mit der Taufe beginnt der christliche Lebensweg. Lebenslang an der Seite: die Taufpaten. Normalerweise. Bei Janine Schaprian war das anders. Sie ist 31, ihre Taufpatin Barbara Günzel kennt sie erst seit einem Jahr. Seitdem ist die für sie da – nicht nur bei Fragen zum Glauben, ein wichtiges Thema derzeit sind Mäuse. Von Sarah Seifen.

Barbara Günzel legt ihre Hand auf die Schulter von Janine Schaprian. Foto: Sarah Seifen
Mit dem Taufbecken, an dem sie vor zwei Monaten getauft wurde, verbindet Janine Schaprian eine Wende in ihrem Leben. Taufpatin Barbara Günzel steht hinter ihr: die Hand unterstützend auf ihrer Schulter. So wie sie es bereits bei der Taufe machte. Foto: Sarah Seifen

Sie streicht ihr mit der Hand über die Schulter. „Alleine fühlen sollen Sie sich auch nicht“, sagt Barbara Günzel zu ihrer Patentochter Janine Schaprian. Es klingt liebevoll, obwohl die beiden Frauen sich siezen. Lange kennen sie sich noch nicht. Kein Jahr ist es her, dass die 31-jährige Janine Schaprian ihre Taufpatin ausgewählt hat. Als sie letztes Jahr im November dann in der Marburger Pfarrkirche St. Peter und Paul getauft wurde, war es dieser besondere Moment, der die beiden Frauen verbindet. Auf Lebenszeit. Barbara Günzel legte ihr die Hand auf die rechte Schulter, während Janine Schaprian das Wasser übergegossen und die Taufworte gesprochen wurden. „Man fühlt sich geborgen. Dass man nicht alleine ist. Da steht eine hinter mir. Im wahrsten Sinne des Wortes“, erinnert sich die Frischgetaufte. Nur eine Woche später in der Fuldaer St. Michaelskirche tat Günzel es noch einmal – zur Unterstützung bei der Firmung.

Am Taufbecken am Eingang der Marburger Kirche tunken zwei Jungs ihre Finger ins Weihwasser. „Als du hier getauft wurdest, hab’ ich dich auf dem Arm gehalten, weil ich deine Patin bin“, erzählt ihre Begleiterin einem der beiden. Der andere stampft auf den Marmorboden: „Aber ich möchte auch, dass du meine Patin bist.“ Die Taufpaten haben seine Eltern ausgewählt. Und an ihre Taufe erinnern können sich die zwei Kinder wohl nicht mehr.

Auch die 72-Jährige Barbara Günzel hat noch zwei andere Patenkinder. Beides sind Nichten, die sie von Geburt an begleitet. „In den meisten Fällen ist der Pate ja jemand aus der Verwandtschaft.“ Sie sei mit für die Erziehung da und auch für die finanzielle Unterstützung im Falle des Todes der Eltern zum Beispiel, erklärt Günzel ihre Patenaufgabe. „Und religiös sollte man sein. Nur auf dem Fussballplatz spielen – das reicht nicht.“ Für ihr neues Patenkind betet die Ruheständlerin vor allem. Aber: „Ich nehme auch teil an ihrem Leben, gerade an ihrer Doktorarbeit“, erzählt sie.

„Ich bete für sie und nehme Anteil an ihrem Leben.“
Taufpatin Barbara Günzel

Janine Schaprian kommt direkt von ihrer Arbeit zur Kirche St. Peter und Paul. Dann tauschen sich die beiden Frauen erstmal über ihren Tag aus. „Den Mäusen geht es gut“, sagt Schaprian. „Und wir haben einen Wasserschaden im Haus“, antwortet Günzel.
Schaprian ist Molekularbiologin. Vor zehn Jahren kam sie zum Studium nach Marburg, jetzt arbeitet sie an ihrer Dissertation in Pharma-Medizin. Sie forscht am Institut für Blutkrebs. „Dafür muss ich Tierversuche mit Mäusen machen.“ Ihre Lippen presst sie zusammen. „Aber ich kann kranken Menschen helfen.“

Schon mit 19 Jahren ist Schaprian nach Deutschland gekommen. Aufgewachsen ist sie auf den Kapverdischen Inseln, wo mehr als 90 Prozent der Einwohner römisch-katholisch sind. Auch die Biologin wurde katholisch erzogen. „Aber mein Opa hat immer gesagt, dass die Kinder nicht getauft werden. Das sollten wir später selbst entscheiden“, sagt sie.

Die endgültige Entscheidung für die Taufe hat Janine Schaprian bis vor einem Jahr vor sich hergeschoben: „Ich wollte es schon immer machen. Der katholische Glauben gehörte schon immer zu meinem Leben dazu. Aber ich gehörte nicht ganz zur Kirche dazu.“ Anfang 2017 packte sie es an: „Ich habe Pfarrer Klaus Nentwich angerufen und ihm meinen Wunsch gesagt. Dann haben wir uns zum Gespräch getroffen.“ Es folgte der Glaubenskurs „Strom aufwärts“ bis hin zu Taufe und Firmung im November letzten Jahres. Pfarrer Nentwich hat auch die zwei Frauen, Barbara Günzel und Janine Schaprian, zusammenführt. „Er hat mich gefragt, wen ich mir als Paten vorstellen kann. Erst wollte ich eine Tante von den Kapverden fragen, aber sie ist nicht getauft“, sagt Schaprian. Der Pfarrer habe ihr dann eine Frau aus der Gemeinde vorgeschlagen und die beiden waren sich gleich sympatisch. Also entschied sich Janine Schaprian für diese Frau, Barbara Günzel.
Eine weitere Entscheidung traf die 31-Jährige: Sie wollte in einer Sonntagsmesse getauft werden, damit viele Gemeindemitglieder dabei sein konnten. Außerdem sollte die Taufe am Taufbecken stattfinden, nur das Glaubensbekenntnis sprach sie am Altar. „Es ist ja besonders in dieser Kirche hier. Man fängt bei der Taufe an, hier vorne am Taufbecken. Das ist der Startpunkt als Christ. Durch den Mittelgang geht man nach vorne bis zu Jesus. Der Tabernakel kann als Sarkophag gelten und darüber das Bildnis ist die Himmelfahrt Jesu. Das ist der Lebensweg, den man geht“, erklärt Barbara Günzel und zeigt mit dem Zeigefinger quer durch die Kirche.

Diesen Lebensweg begleitet die Patin seit der Taufe. Auf die anstehende Hochzeit von Janine Schaprian im Sommer freuen sie sich schon. „Mein Mann ist evangelisch, aber ich will katholisch heiraten, weil es für mich dazu gehört und dafür musste ich getauft sein“, sagt Schaprian. „In der katholischen Kirche ist die Ehe ja ein Sakrament“, unterbricht sie ihre Taufpatin. „Da versprichst du vor Gott, dein Leben lang zusammen zu bleiben.“

Auch Barbara Günzel lebt in einer konfessionsverbindenden Ehe. Die beiden Frauen haben viele Gemeinsamkeiten. In allem einig sind sie sich aber nicht. Sie diskutieren gerne. „Wenn wir Kinder haben würde ich sie taufen lassen, aber erst wenn sie ein bisschen älter sind, so mit fünf Jahren“, sagt Schaprian. Günzel: „Ein Kind wird sofort getauft. Bei meinen zwei Kindern war das selbstverständlich.“ Aber es sei ja früher so gewesen, trotzdem wäre es schön, von Anfang an zu wissen, dass Gott das Kind behütet.

Lebensweg mit prägenden Erfahrungen

Marburger Katholische Tracht
Diese „Marburger Katholische Tracht“ trug ein Kommunionkind im Jahr 1950. Als Geschenk ihrer Patin soll sie Janine Schaprian nun an ihre Taufe und an Marburg erinnern. Foto: privat

Günzel selbst wurde wenige Tage nach ihrer Geburt getauft. Geboren wurde sie auf der Schwäbischen Alb während der Flucht ihrer Eltern aus Schlesien. „Früher war das ja ganz anders, da ist man so mitgetrabt im Glauben.“ Nicht nur positive Erlebnisse hat die 72-Jährige damals gemacht. Als Kinder mussten sie und ihre Geschwister morgens zu Fuß zur Messe laufen. Drei Stunden vorher durften sie nichts mehr essen und „wehe, wir waren nicht ordentlich geputzt“, erzählt sie. „Man wird härter im Nehmen. Nimmt sich nicht alles so zu Herzen.“

Diese Botschaft möchte sie Janine Schaprian mitgeben, aber vor allem ihren festen Glauben, den sie über ihr Leben aufgebaut hat.Dafür steht ein Teil der „Marburger Katholischen Tracht“, die ein Geschenk zur Taufe von der Patin an ihren „Schützling“ war. „Getragen 1950 zur Erstkommunion“, steht handgeschrieben auf einem Zettel, der unter dem Halsschmuck auf Pappe geklebt ist. Nun hängt das Stück in der Marburger Wohnung von Janine Schaprian. Farbenfroh mit einem goldenen Kreuz in der Mitte, erinnert es sie an ihre Taufe und ihre Patin.
Bald wird das Geschenk aber abgehangen, berichtet die 31-jährige Frau. Denn in etwa einem halben Jahr, dann, wenn die Promotion abgeschlossen ist, wird sie zu ihrem Mann nach München ziehen. „Und das ist noch ein Grund, warum ich ihre Patin geworden bin“, fällt Barbara Günzel ein, „ich bin oft in München. Zwei meiner Brüder und eine Tochter leben dort. So kann der Kontakt bestehen bleiben.“

Geschenkmäuse und Vorfreude auf die Zukunft

Eine neue Gemeinde in München haben sie schon ausgeguckt: die Pfarrei Herz Jesu. Die moderne Architektur gefällt den zwei Frauen.
Zur Taufe gab es noch ein weiteres Geschenk: eine Maus aus Filz. „Die ist wenigstens auch alltagstauglich“, sagt Günzel und lacht. „Ich fiebere so mit bei ihrer Arbeit und ich wünsche mir, dass sie die Dissertation gut abschließen kann.“ Dann, in München, soll mehr Zeit sein für den Ehemann und für Kinder, das wünscht sie ihrer Patentochter.

 


HINTERGRUND

Das Patenamt im Laufe der Zeit

Taufpaten sind in der Kirche seit dem 3. Jahrhundert bekannt. Sie begleiteten einen Erwachsenen, der sich im Katechumenat auf die Taufe vorbereitete. Ein Christ musste für den Täufling bürgen, dass er würdig ist, die Taufe zu empfangen. Seit dem 5./ 6. Jahrhundert ist die Kindertaufe vorherrschende Regel in der christlichen Kirche. Dabei übernehmen die Paten gemeinsam mit den Eltern stellvertretend für das Kind die Absage gegen den Teufel und das Sprechen des Glaubensbekenntnis. Sie sind in Vorausschau Garanten für den Glauben des Kindes.
Heute sind die Voraussetzungen für die Taufpatenschaft und die Aufgaben der Paten im kirchlichen Gesetzbuch, dem Codex Iuris Canonici, geregelt. Zu den Aufgaben bei der Erwachsenentaufe gehört es, dem Täufling bei der Feier beizustehen und ihn in der christlichen Gestaltung seines Lebens zu begleiten. Bei der Kindertaufe soll der Pate zusammen mit den Eltern das Kind zur Taufe bringen und bei der christlichen Erziehung helfen (Canon 872). Der Täufling selbst oder seine Eltern – im Fall der Kindertaufe – suchen den Paten aus. Als Taufpate zugelassen wird, wer katholisch getauft und gefirmt, mindes-tens 16 Jahre alt ist und ein Leben führt, „das dem Glauben und dem zu übernehmenden Dienst entspricht“ (Canon 874). Christen anderer Konfessionen können Taufzeugen sein. Für das Firmpatenamt gelten die gleichen Gesetze. Es wird empfohlen, dass der Tauf- und Firmpate eine Person ist (Canon 893).
Traditionell übernehmen Paten zwei wichtige Aufgaben: Sie begleiten das Kind bei seiner Entwicklung und sorgen für es im Fall frühen Todes der Eltern. Auch Nicht-Christen benennen für ihre Kinder häufig Paten, die diese Aufgaben übernehmen. (sas)