Anstoß 6/2020

Traumwandlerisch sicher

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Noch steht er - der Weihnachtsbaum. An dem ein oder anderen Abend hat er noch ein wenig Glanz in die ersten Wochen des neuen Jahres gerettet.

Nun hat er ausgedient und wartet nur noch auf die halbe Stunde, die es zum Abschmücken und Zersägen braucht. Aus der Traum.
Ein Wort aus den lichterfüllten Tagen geht weiter mit in meinen Alltag: traumwandlerisch sicher. Es gehört zu Josef. Mehr als einmal verlässt er sich „traumwandlerisch sicher“ auf das, was er nachts im Traum gehört hat. Nachdem er im Wachen Gedanken gewälzt hat, ob er sich im Stillen von Maria trennen soll, scheint es nach dem Traum keinen Zweifel mehr zu geben. Er weiß, was er zu tun hat und nimmt sie zu sich. Als Marias Kind geboren war, hat es sich vielleicht auch wie ein Traum angefühlt: abgerissene Randgestalten, Hirten, die selbst kein Dach über dem Kopf haben und weitgereiste, weise Fremde, die einen Palast erwartet hatten, kommen, um zu gratulieren. Potenial für einen reichlich verworrenen Traum.
Ein weiterer nächtlicher Traum ruft zum Aufbruch, alle Sachen zu packen und fortzugehen in die Fremde, damit das Kind nicht in Gefahr gerät. Wieder handelt Josef traumwandlerisch sicher und tut, was er im Traum gehört hat.
Traumwandlerisch sicher wissen, was zu tun ist – das wäre ein Traum! Es ist aber nicht der Alltag, sicher auch damals bei Josef nicht. Doch in der Regel bleibt uns nichts anderes, als Für und Wider abzuwägen; in Gedanken oder im Gespräch, Möglichkeiten durchzuspielen und letztlich etwas anzugehen, ohne das traumwandlerisch sicher ist, wie es ausgeht.
Das Entscheidende ist, dennoch anzufangen, sich auf den Weg zu machen – im Idealfall von einem Traum, einer Vision, einem Ziel geleitet. So wie – lange vor Josef – Mose und das Volk Israel aufgebrochen sind und dann erfahren haben: da teilt sich das Meer, da wird in der Wüste das Manna geschenkt, da kommt das verheißene Land in Sicht. Da wird das verheißene Land, obwohl zum Greifen nah, vielleicht aber auch (noch) nicht erreicht: ein Aufbruch scheitert, ein Plan gelingt nicht, Versöhnung bleibt aus.
Traumwandlerisch sicher hoffen dürfen wir trotzdem: Am Ende wird uns von Gott alles geschenkt.
Angela Degenhardt Sangerhausen