Gottesdienst bleiben - unter Auflagen - erlaubt.

Traurig, realistisch, richtig

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Pflegekräfte am Limit, Familien unter Druck, viele Menschen in Existenznot:
seit Wochen verschärfter Lockdown. Gottesdienste bleiben – unter Auflagen – erlaubt. Einige Gemeinden aber haben sie ausgesetzt. Eine Nachfrage.


Offene Kirchen ja, aber keine Präsenzgottesdienste – damit wollen mehrere Pfarreien im Bistum ein Zeichen der Solidarität setzen.

Rückmeldungen von Gläubigen, dass Kirche ihren Beitrag zur Kontaktvermeidung leisten sollte, der Anstieg von Fallzahlen, Signale von Ordnern, nicht mehr zur Verfügung zu stehen, und das Pausieren der Gottesdienste in den benachbarten evangelischen Kirchengemeinden: Das waren in der Pfarrei St. Elisabeth an Lahn und Eder die Gründe, Präsenzgottesdienste zunächst bis 31. Januar auszusetzen. Pfarrer Chris-tof Strüder, der Vorstand des Pfarrgemeinde- und des Verwaltungsrats sowie das Pastoral- und Verwaltungsteam schlagen jetzt vor, die Aussetzung bis 14. Februar zu verlängern und ab Aschermittwoch wieder Gottesdienste zu feiern. „Bislang haben alle Rückmeldungen Zustimmung signalisiert“, berichtet Strüder. Ihm ist wichtig, dass keine Kontroverse in der Gemeinde entsteht. „Außer dem Covidvirus brauchen wir kein Spaltervirus“, unterstreicht er.

In einer Videokonferenz hätten viele angemerkt, „dass es eine große Hilfe gewesen wäre, wenn die Entscheidung von übergeordneter Stelle abgenommen worden wäre oder wenn es zumindest deutlichere Aufforderungen gegeben hätte, dass wir selbst verantwortlich entscheiden sollen, zum Beispiel ab einer gewissen Inzidenz“, ergänzt Strüder.
Ihn persönlich hat die E-Mail einer Frau sehr gefreut, in der es heißt: „Ich bin zuversichtlich, dass wir diese Krise gemeinsam durchstehen und eventuell gestärkt aus ihr hervorgehen. Dazu trägt auch bei, dass Sie die Gremien so intensiv in die Entscheidungsfindung mit einbeziehen.“ Generell werde das Aussetzen der Gottesdienste als „traurig, aber realistisch und richtig empfunden“, so Strüder.
Zahlreiche besorgte Stimmen aus der Pfarrgemeinde und Bedenken von Ordnern, ihren Dienst zu tun, führten auch in der Pfarrei St. Peter, Montabaur, zu der Entscheidung, Präsenzgottesdienste auszusetzen – allerdings erst an den Sonntagen nach Weihnachten. „Pastoralteam und Pfarrgemeinderat haben einmütig die Entscheidung getroffen“, berichtet Pfarrer Heinz-Walter Barthenheier. Weihnachtsgottesdienste seien jedoch noch gefeiert worden, „weil sie für viele Menschen ein Ort der Hoffnung und des Trostes waren“.

Bei verstärkten staatlichen Coronamaßnahmen könnten Präsenzgottesdienste nicht wieder aufgenommen werden, so Barthenheier. „Wenn die Infektionszahlen weiter zurückgehen, werden wir voraussichtlich mit dem Aschermittwoch die Präsenzgottesdienste wieder aufnehmen“, kündigt er an. Die Entscheidung stoße auf breite Zustimmung in der Gemeinde. „Jedem wird man es allerdings nie recht machen können“, gibt er zu bedenken.
„Unmittelbar vor Weihnachten stiegen bei uns die Inzidenzzahlen in Richtung der 200-er Marke, örtlich lagen sie bei über 300“, berichtet Christian Fahl, Pfarrer in St. Petrus, Herborn, und Herz-Jesu, Dillenburg. „Nicht wenige unserer Ordner bekamen bei diesen Werten ein mulmiges Gefühl, auch Sorgen kommunaler Amtsträger erreichten uns“, begründet er die Entscheidung, Präsenzgottesdienste auszusetzen. Den Beschluss haben er als Pfarrer, das Pastoralteam und die Vorstände beider Pfarrgemeinderäte gefasst.
Die Reaktionen seien gemischt ausgefallen. „Viele haben sich für unsere Entscheidung bedankt“, sagt der Pfarrer. „Von manchen wurde die Absage auch als Zeichen der Solidarität mit jenen gesehen, die ihren Betrieb schließen mussten.“ Manche Gemeindemitglieder seien jedoch über die Absage von Präsenzgottesdiensten „verwundert, teils auch wütend“ gewesen. „Alles Gefühle, die für mich verständlich sind“, betont Fahl. „Wenn die Inzidenz nicht dauerhaft über 150 steigt, werden wir ab Aschermittwoch erst einmal in den beiden großen Kirchen in Herborn und Dillenburg wieder beginnen.“ 

Heike Kaiser