Hirtenbrief von Bischof Georg Bätzing
„Üben wir die Armut“
Das Wirken von Katharina Kasper ist eng mit dem jungen Bistum Limburg verbunden. Bischof Georg Bätzing sieht in der ersten Bistumsheiligen denn auch eine Frau, die „uns geistlich inspirieren und stärken kann für die Herausforderungen unserer Zeit“. Der Hirtenbrief des Bischofs im Wortlaut:
Liebe Schwestern und Brüder,
ist eine Heiligsprechung heute noch zeitgemäß? Diese Frage stellen mir viele, wenn ich von Katharina Kasper und ihrer Heiligsprechung am 14. Oktober in Rom berichte. Für mich als Bischof, für unser Bistum und für die Armen Dienstmägde Jesu Christi, die Gemeinschaft, die Katharina Kasper, die einfache Frau aus dem Westerwald, gegründet hat, ist die Heiligsprechung ein großartiges Geschenk. Ich freue mich sehr darüber, dass die Kirche Katharinas Lebens- und Glaubenszeugnis würdigt und ihr weltweit Beachtung schenkt. Katharina Kasper ist „ein Lichtblick für die ganze Welt geworden“, so hat es mein Vorgänger im Amt, Bischof Franz-Peter Tebartz-van Elst, einmal ausgedrückt. Ich glaube fest daran, dass uns Katharinas Zeugnis heute etwas sagen kann. Sie kann uns geistlich inspirieren und stärken für die Herausforderungen unserer Zeit.
Alles für Gott, mit Gott und durch den lieben Gott
Katharina Kasper wurde am 26. Mai 1820 als siebtes Kind einer armen Bauernfamilie in Dernbach bei Montabaur im Westerwald geboren. Sie begegnete früh Menschen in Not, wodurch die Sehnsucht wuchs, für sie da zu sein und zu helfen. Katharina, die selbst mit wenig auskommen musste, war lebenslang eine überaus gläubige und glückliche Frau. Am 15. August 1851, dem Fest der Aufnahme Mariens in den Himmel, legte sie mit ihren ersten Gefährtinnen die Gelübde in der Pfarrkirche von Wirges ab. Bis zu ihrem Tod leitete sie von da an die Gemeinschaft der Armen Dienstmägde Jesu Christi. Noch mitten in der Aufbauphase schrieb sie ihren Schwestern: „Nur eins ist notwendig, nur eins kann die Seele glücklich in Gott machen, dass sie alles für Gott, mit Gott und durch den lieben Gott tut.“ Katharina ist eng mit der Geschichte unserer jungen Diözese Limburg verbunden. Geboren im damals noch trierischen Gebiet, war sie sieben Jahre alt, als das Bistum Limburg neu gegründet wurde. Mit Bischof Peter Joseph Blum, dem dritten Bischof von Limburg, stand sie im regen Austausch, und mit ihm verband sie eine geistliche Freundschaft. Gemeinsam sorgten sie sich um Pflege und Bildung und halfen so den Menschen der damaligen Zeit.
Auch heute fühlen sich viele Menschen in unserem Bistum mit Katharina und den Schwestern verbunden. Sie haben von Kindesbeinen an etwas von Katharina erfahren oder die Schwestern in ihrem Dienst in den verschiedenen Einrichtungen erlebt; und das nicht nur in unserem Land, sondern mittlerweile in vielen Ländern und Kontinenten.
Lieben und üben wir die Armut
Der Glaube ist Dreh- und Angelpunkt ihres ganzen Tuns. Katharina lebte ihren Glauben mitten in der Kirche, die sie als ihre Heimat erfuhr. „Kirche“ meint für Katharina in erster Linie die Gemeinschaft, die Gott selbst gestiftet hat, um für die Armen da zu sein. Und den Armen galt Katharinas größte Sorge. Besonders kümmerte sie sich liebevoll um Kinder und Kranke. Sie half dort, wo sie Not erkannte, suchte Mitstreiterinnen, organisierte Hilfe, Pflege und Bildung. Dabei hatte sie vor allem die im Blick, die in der Gesellschaft zu kurz kamen, wie Mädchen in der damaligen Zeit oder Bedürftige, und sie zog keine Grenzen. In ihrer Zuwendung zu den Menschen zeigt sich Gottes Liebe.
Katharina denkt aber nicht nur an die materielle Not, wenn sie von der Armut der Menschen spricht und von der Armut als Fundament ihrer jungen Gemeinschaft. Sie meint auch die Armut vor Gott. In der Bergpredigt beginnt Jesus seine Unterweisung an die Jünger und an alle, die ihm zuhören wollen, mit den Worten: „Selig, die arm sind vor Gott; denn ihnen gehört das Himmelreich“ (Matthäus 5,3). Papst Franziskus hat in seinem Schreiben über den Ruf zur Heiligkeit in der Welt von heute „Gaudete et exsultate“ betont, dass diejenigen glücklich seien, „die ein armes Herz haben, in das der Herr mit seiner steten Neuheit eintreten kann.“
Denn ein volles, besetztes Herz, eine höchste Zufriedenheit mit sich selbst, lässt keinen Platz mehr für Gott. Einem armen Herzen dagegen kann Gott Geschenke machen, vor allem wenn wir entdecken, wie kostbar es ist, mit ihm verbunden zu sein. Das ist in der Taufe Wirklichkeit geworden. So wird die Armut zur Voraussetzung unserer Gottesbeziehung. „Im Herzen arm sein, das ist Heiligkeit“, sagt der Papst. In unserer geistlichen Armut, in unseren menschlichen Nöten und in der Verwiesenheit auf Gott ist Christus uns nahe. Denn er hat als Mensch im Leben und im Sterben unsere Armut geteilt. „Er, der reich war, wurde euretwegen arm, um euch durch seine Armut reich zu machen“ (2 Kor 8,9), heißt es im 2. Korintherbrief. Die Kirche soll Gottes barmherziges Werk für uns Menschen sein und uns in der Nachfolge Christi unterstützen. So bittet Katharina ihre Schwestern eindringlich: „Lieben und üben wir die Armut und kommen wir den Armen zu Hilfe, unterstützen wir dieselben nach Kräften.“ Alles tägliche Mitwirken an diesem Vorhaben Gottes macht für sie die Kirche auf Erden aus.
Als Zeugen für die Liebe zu den Armen säumen zahlreiche Christinnen und Christen den Weg der Kirche durch die Jahrhunderte. Katharina wird eine von sieben Heiligen sein, deren Beispiel konkreter Nachfolge Papst Franziskus mit der Heiligsprechung am 14. Oktober allen Gläubigen der Kirche zeigen will.
Bewegt von Gottes Geist
Im gläubigen Selbstverständnis Katharina Kaspers kommt dem Heiligen Geist besondere Bedeutung zu. Auf ihn wollte sie hören. Von ihm bekam sie den Impuls, etwas Gutes anzufangen: die Gemeinschaft der Armen Dienstmägde Jesu Christi. Der Name dieser Gemeinschaft ist Programm. „Arm“ – in den äußeren Lebensbedingungen und in der Offenheit jeder einzelnen Schwester für die Gaben, die Gott schenkt. „Dienst“ – für Menschen in jedwedem Anliegen. „Jesus“ – als die große Entdeckung und Liebe des Lebens, dem es nachzufolgen gilt.
Auch wir suchen unseren Weg als Gläubige in einer Zeit, die nicht einfach ist und große Herausforderungen mit sich bringt. Wenn wir von „Kirchenentwicklung“ sprechen, dann sind wir Katharinas Überzeugungen recht nah: Der lebendige Glaube jedes einzelnen ist für Katharina Kasper das A und O.
Wir brauchen einen persönlichen Glauben, der wächst und reift durch Gebet und die Feier des Glaubens. Dieser Glaube ist Geschenk und Ausdruck der Liebe Gottes. Es braucht Hoffnung, dass diese Liebe unter uns immer mehr sichtbar wird. Für Katharina erwächst aus diesem Glauben das Vertrauen. Ohne greifbares Vertrauen untereinander wird die Kirche in ihrer Verkündigung des Evangeliums kaum vertrauenswürdig sein können.
Glaube ohne Gottvertrauen wird unser Leben auch nicht verwandeln, wie wir es sakramental in jeder Heiligen Messe gläubig ersehnen. Wir brauchen eine Kirche, die hofft und hinhört, weil sie Gottes Willen als die Quelle ihrer Sendung erfährt.
Stets auf Gott ausgerichtet
Katharina Kasper hat ihre Entscheidungen und ihren Lebensweg stets auf Gott ausgerichtet. Und sie hat einen Anfang gesetzt, der bis heute wirkt. Kann es eine größere Ermutigung für uns als Kirche heute geben? Tun wir es ihr gleich. Folgen wir dem Beispiel der Heiligen Katharina und lernen Jesus Christus besser kennen, um ihm großmütiger nachzufolgen. Der Ruf zur Heiligkeit gilt ja auch uns. Katharina ist uns dabei wirklich ein Vorbild. Ein neues geistliches Lied bringt es schön auf den Punkt: „Bewegt von Gottes Geist, zeig du uns den Weg und bitte für uns, Katharina.“ Auf die Fürsprache der Heiligen Katharina Kasper erbitte ich Gottes Segen für uns alle.
Limburg an der Lahn, zum 14. Oktober 2018
Ihr Bischof
Georg Bätzing
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