Was bringt ein Benediktinerabt für das Bischofsamt mit?
Von der Klosterzelle ins Bischofshaus
Foto: Andreas Weller
Ordnung, oder besser „ordo“
Es heißt nicht umsonst „Ordensleben“. Ordnung ist für uns Mönche wichtig: die Tagesordnung genauso wie die Anordnung der Räume und geordnete Beziehungen. Gemeint ist damit aber keine äußerliche Kasernendisziplin, sondern etwas Tieferes und Geistliches. Im Hintergrund steht der lateinische Begriff „ordo“. Leben passiert nicht nur, es wird gestaltet und geprägt, und zwar so, dass die Dinge und Menschen zusammenpassen. Dazu gehört das rechte Maß, das heißt die Vermeidung von Übertreibungen.
Liberalität
Dieses Zusammenspiel von Ordnung und rechtem Maß erzeugt eine gewisse Liberalität. Wo die Verhältnisse wohlgeordnet sind, da entsteht der Raum, in dem sich Freiheit entfalten kann, ohne den Anderen zu beeinträchtigen. Es gehört zum Klosterleben, einander diesen Raum zuzugestehen, ein christliches „leben und leben lassen“. Das hat einerseits zu tun mit dem Respekt, der jedem Menschen und jedem Bruder entgegengebracht wird. Die Benediktusregel erinnert uns immer wieder daran, dass wir im anderen – im Bruder, im Kranken, im Gast, im Abt – Christus erkennen. Und, etwas pragmatischer, hat es auch zu tun mit unserem Gelübde der Stabilität: Der Benediktiner bindet sich ja fürs ganze Leben an eine konkrete Gemeinschaft. Da muss man lernen, so miteinander umzugehen, dass man es auch jahrzehntelang miteinander aushält. Konflikte werden nicht bis aufs Äußerste zugespitzt, sondern hoffentlich behoben und ansonsten geduldig ertragen.
Was der Abt mitbringt
Bischof Dominicus war zwölf Jahre lang Abt seiner Klostergemeinschaft. In diesem Amt werden die üblichen Führungsqualitäten gebraucht: Kommunikationsfähigkeit, Leitungstalent, Integrität, Anpassungsfähigkeit. Fürs benediktinische Führen und Leiten kommt dazu, dass wir immer mit Räten und Kapiteln zusammenarbeiten müssen. Wichtiges darf der Abt nur nach Beratung entscheiden, und für Grundlegendes braucht er auch die Zustimmung – der ganzen Gemeinschaft oder eines Rates. Dabei werden die anstehenden Fragen offen betrachtet und die Lösungen notfalls auch überarbeitet. Der Abt hat die letzte Verantwortung, aber die wird ergänzt durch die Mitwirkung der Brüder. Das ist gelebte Synodalität, seit Jahrhunderten erprobt und deshalb in den Klöstern selbstverständlich.
Nicht alle Mönche sind Seelsorger. Der Abt aber hat ausdrücklich auch Verantwortung für die Seelen seiner Mönche. Er soll dafür sorgen, dass „keiner betrübt wird im Hause Gottes“. Die Hierarchie ist in unseren Klöstern sehr flach. Beim Gebet, bei den Mahlzeiten und in der Rekreation kommt man zusammen. Jeder Bruder kann beim Abt anklopfen und bekommt sofort oder doch sehr bald eine Gelegenheit zum Gespräch. Das macht Personalentscheidungen nicht unbedingt leichter, aber es verleiht ihnen eine menschliche Qualität, die weniger bürokratisch wirkt, als das wohl oft in Ordinariaten der Fall ist. (Ich denke da natürlich nicht an Osnabrück, eine Diözese, über die ich als Süddeutscher fast nichts weiß!)
Verschiedenheit als Aufgabe
Dem Abt ist auch aufgetragen, auf die Bedürfnisse und Schwächen der einzelnen Rücksicht zu nehmen. Statt gleichem Recht für alle heißt es im Kloster eher: jedem das Seine. Behutsam soll alles so geordnet werden, dass die Starken nicht unterfordert, aber die Schwachen auch nicht erschreckt werden. Gleichmacherei und radikales Durchgreifen sind deshalb bei uns eher selten. Als Losung für den Abt heißt es in der Ordensregel einmal sehr schön: „Er soll der Eigenart vieler dienen.“
Das klingt jetzt alles eher kleinräumig. Kann man mit solchen Prinzipien auch eine deutsche Diözese leiten? Ich weiß es nicht. Allerdings: Unsere Kirche wird kleiner, und diese Schrumpfung bietet ja vielleicht auch die Chance, Formen der Ordnung und der Leitung zu gestalten, die mehr Menschlichkeit bieten und Raum für Unterschiede lassen, je nach regionaler Prägung, Vorgeschichte und eigener Tradition, und vielleicht auch nach der Eigenart der Menschen, um die es ja geht.
Herzensweite
Papst Gregor der Große (†604) hat eine Lebensbeschreibung des heiligen Benedikt verfasst, in der er eine Vision des Ordensgründers beschreibt: der habe kurz vor seinem Tod einmal die ganze Welt in Gestalt einer Kugel gesehen. Der Papst kommentiert: Weil Benedikt ein großes Herz hatte, konnte er die ganze Welt erfassen. Für uns Benediktiner gehören ein weiter Blick und ein großes Herz zu den erstrebenswerten Eigenschaften eines Mönchs. Der neue Bischof von Osnabrück bringt das mit, als Mönch und Abt, und auch als Missionsbenediktiner, der in vier Kontinenten Erfahrungen sammeln konnte. Dieses weite Herz wird sicher auch in Osnabrück nicht schaden.
Wie Bischof Dominicus durch die Abtei Königsmünster in Meschede geprägt wurde, lesen Sie in dem Artikel: "Prägung durch das Kloster".
Wie die Einführung von Bischof Dominicus am 8. September aussehen wird, verrät der Domzeremoniar Martin Rohner in dem Artikel: "Feierlich, aber schlicht".
Jeremias Schröder