Anstoss 43/2018

Warum nur ist die Welt so …?

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Als Kinder waren meine Schwestern und ich oft auf dem Friedhof. Es gab nämlich dort etliche Gräber mit Verstorbenen unserer Familie.


Die Bepflanzung der Gräber beschränkte sich keineswegs nur auf Efeu. Es gab entsprechend der Jahreszeit immer auch blühende Pflanzen, die entsprechend gegossen werden mussten.
Im Herbst, wenn die zahlreichen Eichen ihre Blätter fallen ließen, war ständiges Laubharken angesagt. Einmal, es war im Sommer, kamen die Nachbarskinder mit. Sie waren noch nie auf diesem Friedhof gewesen. Deshalb kannten sie auch nicht die überlebensgroße Jesusstatue, die in der Nähe der Friedhofsmauer steht. Wer das sein soll, wollten sie wissen. Mit Jesus wussten sie nicht viel anzufangen, also erzählte ich ihnen mit kindlicher Unbefangenheit von Gott. Und, dass der alles kann. Wirklich alles.
Na, das wollten die anderen nun genau wissen. Sie stellten eine Gießkanne mitten auf den Weg und forderten mich dazu auf, Gott zu sagen, er möge diese Kanne bitte beiseite nehmen. Das wäre dann der Beweis, dass ich ihnen kein Märchen erzählt habe und, dass es Gott tatsächlich gibt. Es wäre wirklich sehr hilfreich gewesen, wenn Gott die Gießkanne umgesetzt hätte. Dann hätten mir die Nachbarskinder geglaubt. Aber ich hatte Gott nicht darum gebeten. Denn irgendwie wusste ich, dass Gott so etwas nicht macht, sich dafür aber um die wirklich wichtigen Dinge kümmert.
Manchmal, inzwischen einige Jahrzehnte älter, bestürme ich Gott mit nahezu kindlicher Vehemenz, damit er, der Allmächtige, einschreitet und Abhilfe schafft. Es gibt so viele Situationen und Ereignisse, in denen ich machtlos bin, etwas dagegen zu tun. Warum musste dieser oder jener so grausam sterben? Warum haben manche Menschen schwere psychische Krankheiten, die sie ungewollt zur Gefahr für andere werden lassen? Warum lässt du, Gott, entsetzliches Leid zu, das meistens diejenigen trifft, die dafür nichts können?

Selbst Papst Franziskus stellt diese Frage: „Warum nur ist die Welt so, wenn du doch dein Leben hingegeben hast? Ist das etwa eine Illusion, ein Alibi, um uns zu vertrösten?“ Er meint, dass solche Anfragen an Gott zum Glauben dazu gehören, ja, dass sie für den Glauben unabdingbar sind. Vielleicht kann ein selbstverständlicher Glaube gefährlich werden. Nämlich dann, wenn ich mich innerlich zur Ruhe setze.“
 
Andrea Wilke, Erfurt