Anfrage

Warum werden unschöne Verse weggelassen?

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Mir ist beim Lesen der Psalmen aufgefallen, dass in liturgischen Büchern immer Zeilen fehlen – und zwar die, die lieblos, rachsüchtig und brutal sind. Ist es nicht Augenwischerei oder gar Verfälschung, wenn weggelassen wird, was nicht in unser Gottesbild passt?

Was Ihnen beim Lesen der Psalmen aufgefallen ist, haben andere in Bezug auf Lesungstexte gefragt. Auch hier wird oft weggelassen, was nicht ins Bild passt. Ins Gottes-, aber etwa auch ins Frauenbild. Andererseits erinnere ich mich an die Frage einer Lektorin, die in einer Werktagsmesse von Mord und Todschlag lesen musste und „Wort des lebendigen Gottes“ kaum über die Lippen bekam. „Wer sucht das aus?“, fragte sie. 

Ausgesucht hat die Lesungen (und die Psalmen) eine Arbeitsgruppe, die 1964 zur Liturgiereform eingesetzt wurde, um zukünftig eine größere Auswahl an biblischen Texten zu Gehör zu bringen. Diese Gruppe, unterstützt von weiteren Spezialisten aus den Bereichen Liturgie, Exegese, Katechese und Pastoral, machte Vorschläge für eine neue Leseordnung. Ich kenne keine Liste dieser Spezialisten, bin aber ziemlich sicher, dass so gut wie keine Laien und schon gar keine Frauen dabei waren.

Kriterien für die Auswahl der Texte waren die Viefalt aus Altem und Neuem Testament, die theologische Wichtigkeit, aber auch die Verständlichkeit. „Aus pastoralen Gründen wurden Texte von besonderer Schwierigkeit vermieden“, heißt es im Lektionar. Womit sicher auch ein rächender, mordender Gott gemeint ist. Hier liegt (neben der Länge der Lesungen) auch ein Grund für die Auslassung von Versen. Andernfalls, heißt es im Lektionar, wären manche Texte weggefallen, „weil sie den ein oder anderen Vers enthalten, der aus seelsorglichen Erwägungen weniger vorteilhaft ist“. Und Gleiches gilt für die (Antwort-)Psalmen.

Ist das richtig? Oder paternalistisch? Oder verfälschend? Mir scheint: Auch schwierige Bibeltexte könnten verkündigt werden. Aber dann müsste man sie einordnen und erklären, was im Gottesdienst oft kaum möglich ist. Deshalb haben die unschönen Teile vielleicht eher ihren Platz in Bibelkreisen. Um dort festzustellen, dass auch ein vermeindlich brutaler Text zu spannenden Gesprächen führen kann.

Susanne Haverkamp