Wie sich der Theologe Josef Epp trotz schwerer Verluste den Glauben bewahrte

Was tust du nur, Gott?

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Josef Epp
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Foto: privat

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Josef Epp: Durch schmerzhafte Verluste veränderte sich sein Glaubensleben

Josef Epp fühlte sich als junger Theologe auf der Erfolgswelle und unverwundbar. Doch dann starb seine Frau und Jahre später auch seine Tochter. Sein Glaube hat sich dadurch verändert, verloren hat er ihn nicht.

Mit Mitte 20 dachte Josef Epp, nichts könne ihm etwas anhaben. Er hatte sein Theologiestudium in Eichstätt zügig und mit Bestnoten abgeschlossen. Er machte Karriere und war bald für die Ausbildung von Religionslehrern im Bistum Augsburg verantwortlich. Er fand eine Frau und heiratete sie. „Ich war auf der Erfolgswelle und sehr von mir eingenommen. Ich fühlte mich wie Siegfried: unbesiegbar, unverwundbar“, sagt Epp heute. „Aber ich habe übersehen, dass beim Bad im Drachenblut ein Eichenblatt an meiner Ferse klebte.“

Als 1987 seine Tochter Johanna geboren wurde, stieß seine Vorstellung von Unbesiegbarkeit erstmals an eine Grenze. Die Ärzte diagnostizierten bei ihr eine mehrfache Behinderung. Johanna war minderwüchsig, hatte einen Herzfehler, war in ihrer Koordination und Motorik eingeschränkt. Epps Lebens- und Arbeitstempo wurde seiner Tochter nicht gerecht: „Sie brauchte Geduld und Verständnis.“

Seine Frau Brigitte half ihm, damit zurechtzukommen. „Es gab immer wieder Situationen, wo ich gegenüber der Johanna zwar geduldig, aber innerlich ein Stück verzweifelt war. Dann hat sie gesagt: ‚Lass ihr Zeit, sei geduldig. Die Johanna ist, wie sie ist‘“, sagt Epp. Seine Tochter war, so erinnert er sich ein klassisches Papa-Kind: „Sie hing sehr an mir. Ich konnte sie, wenn sie krank war oder weinte, am besten beruhigen.“

Nach Johanna bekam das Ehepaar aus dem Allgäu noch zwei weitere Kinder, Rebekka und Clemens. Doch nach der dritten Geburt erholte sich seine Frau nur langsam. Ärzte fanden heraus, dass ihr Herz schwer angeschlagen ist. Die einzige Hoffnung: eine Transplantation. „Das war ein Schock. Aber in dieser Situation kam der alte Überflieger-Josef wieder durch: Ja, das ist eine schwere Krankheit. Aber man kann ja transplantieren. Das ist doch ein reparabler Schaden. Das Leben kann weitergehen“, sagt Epp. Erst ein Gespräch mit dem behandelnden Arzt kurz vor der Transplantation machte ihm klar, dass die Operation auch schiefgehen kann: „Ich musste ertragen, dass da etwas ist, was ich nicht kontrollieren kann.“

Buch Josef Epp
Das Buch von Epp ist im Patmos Verlag erschienen.

Die Herztransplantation im Winter 1993 gelang. Doch obwohl Brigitte Epp hochdosierte Medikamente bekam, stieß ihr Körper das neue Organ immer wieder ab. Drei Monate nach der Transplantation starb sie an einem Herzstillstand. 

Für Josef Epp war der Tod seiner Frau ein Schock. Eine Krankenhausseelsorgerin betreute ihn in den ersten Stunden danach. An diesem Abend machte er eine Erfahrung, die er später, als er selbst als Krankenhausseelsorger arbeitete, immer wieder beherzigte: „Es ist nicht so wichtig, was jemand tut oder sagt. Es ist wichtig, dass jemand da ist. Diskret, zurückhaltend – und doch da. Das habe ich als unheimlich wertvoll erlebt.“

Seine Kinder waren damals zwei, vier und sechs Jahre alt. Fortan musste er, unterstützt von seiner Mutter und Schwiegermutter, den Alltag ohne Frau wuppen: den Beruf, die Familie, die Sorge um die behinderte Tochter. „Ich musste in die Vollen gehen. Ich habe mich um alles gekümmert“, sagt Epp. Zeit für seine Trauer blieb kaum. „Irgendwann war ich an einem Punkt, an dem ich nicht mehr auf die Beine kam. Ich hatte ein depressives Syndrom.“ Er sah ein, dass es so nicht weitergehen konnte – und nahm sich Auszeiten. Er sprach viel mit einem befreundeten Priester und auch mit dem Arzt, der einst die Herzkrankheit seiner Frau diagnostiziert hatte und zu einem Freund geworden war.

Er war es auch, der Epp anbot, als Klinikseelsorger im Krankenhaus in Ottobeuren zu arbeiten. Seine eigenen Erfahrungen helfen ihm in dem neuen Beruf. „Sie sind ein riesiger Schatz, weil sie mich davor bewahren, überheblich zu werden. So als würde ich alles nur von außen betrachten“, sagt Epp. Andererseits sagt er: „Jede Trauererfahrung ist individuell und ich darf den Menschen nicht mein Erleben überstülpen.“

Im Jahr 2014 hatte seine Tochter Johanna einen schweren epileptischen Anfall und starb. „Meine Kinder und ich waren in den letzten Stunden bei ihr. Wir saßen an ihrem Bett und konnten uns verabschieden“, sagt Epp. Dabei habe er auch Dankbarkeit empfunden. „Wir wussten: Wir sind einen langen Weg miteinander gegangen und dieser Weg kommt jetzt zu einem Ende.“ Mit dabei war auch Epps neue Lebensgefährtin Sigrid, die die Familie seit langem kannte und unterstützte.

Hat er jemals gedacht: Ich kann nicht mehr? „Ja“, sagt Epp. „Als die Sigrid 2010 die Diagnose Krebs bekam. Da habe ich gesagt: Lieber Gott, nicht noch einmal. Es reicht.“ Seinen Glauben hat er dennoch nie infrage gestellt. „Ich habe aber zu Gott gesagt: Ich verstehe dich nicht. So wie ich dich erlernt habe, bist du nicht.“ Noch heute hat er ein Problem, wenn Menschen sagen, dass man nicht tiefer als in Gottes Hände fallen könne. „Dann sage ich: Ich hatte schon das Gefühl, tiefer gefallen zu sein.“

Epps Lebensgefährtin hat ihre Krebskrankheit überwunden und gilt für den Moment als genesen. Er hat lernen müssen, mit Rückschlägen zu leben – und sich nicht unterkriegen zu lassen. Ein Stück weit ist er mit Gott versöhnt. „Ich denke an den Satz von Paulus: Nichts kann uns trennen von der Liebe Christi. Manchmal ist das schwer zu ertragen, wenn man selbst am Boden liegt“, sagt Epp. „Aber manchmal ist es auch hoffnungsvoll: Wenn ich spüre, diese Liebe ist an keinen Ort, keine Zeit und keine Vergänglichkeit gebunden.“

Zur Sache: Wie Josef Epp Gott auf seinem Lebensweg erfahren hat, erzählt er in seinem Buch: Wenn alles anders kommt. Zwischen Erschütterung und Neuorientierung – Was mich durch Krisenzeiten trägt. Patmos Verlag, 152 Seiten, 19 Euro.

Kerstin Ostendorf