Die erste Bischöfliche Bevollmächtigte im Bistum Limburg
Wechsel zwischen den Welten

Foto: F.Schuld/Bistum Limburg
Hildegard Wustmans ist seit 100 Tagen in ihrem Amt als Bischöfliche Bevollmächtigte im Bistum Limburg.
Hildegard Wustmans ist habilitierte Theologin und hat sowohl in Deutschland als auch in Österreich und Brasilien Erfahrungen gesammelt. Was hat sie persönlich dazu bewegt, diesen Weg einzuschlagen? „Ausschlaggebend war mein einjähriges sozial-pastorales Praktikum nach dem Abitur in einer Pfarrei im NordostenBrasiliens“, erzählt Wustmans. Dieses Jahr habe sie nachhaltig geprägt. „Ich durfte erleben, dass die katholische Kirche im besten Sinne des Wortes Welten öffnen kann – spirituell, interkulturell und menschlich. Ich habe eine Kirche an der Seite der Armen kennengelernt, kam in Kontakt mit der Befreiungstheologie und der feministischen Theologie.“ Auch die Marienfrömmigkeit habe sie dort anders erlebt als in Kevelaer am Niederrhein, ihrer Heimat. „Ich habe verstanden: Praxis ist potenzielle Theorie.“
Zurück in Deutschland studierte sie Theologie in Würzburg. Ein Freisemester führte sie wieder nach Brasilien. Es folgten Promotion und Habilitation. Nicht, weil sie es auf einen Lehrstuhl abgesehen hatte, erklärt sie, „sondern aus dem Wunsch, mehr zu verstehen. Ich wollte – und will – Glauben reflektieren und theologisch weiterdenken.“ Deshalb möchte sie auch in Leitungsaufgaben immer inhaltlich arbeiten. Wustmans beschreibt ihre aktuelle Professur an der Goethe-Universität in Frankfurt als ideal dafür: „Der Austausch mit Studierenden tut mir gut und hilft mir, die Dynamiken des Ordinariats mit etwas Abstand zu betrachten – ohne dabei die Bedeutung institutioneller Strukturen zu leugnen. Aber die Strukturen und was wir tun, müssen dienlich sein.“
Es war eine Zeit des Umbruchs, des Suchens und der Neuausrichtung
Mit dem Bistum Limburg ist Wustmans seit dem Jahr 2001 verbunden. Von 2006 bis 2009 leitete sie das Dezernat Kinder, Jugend und Familie im Bischöflichen Ordinariat, bevor sie als Professorin für Pastoraltheologie nach Linz ging. Inhaltlich sei diese Zeit geprägt gewesen vom Weltjugendtag 2005 in Köln, der Errichtung von drei Jugendkirchen sowie den sogenannten Profilkirchen. Darunter das Zentrum für Trauerpastoral und das Zentrum für christliche Meditation und Spiritualität in Frankfurt. „Gleichzeitig war es eine Phase größerer Einschnitte“, sie nennt den SPeK-Prozess: Sparen und Erneuern in den Kirchengemeinden. „In diesem Sparprozess wurden auch Dezernate zusammengeführt“, erklärt sie. 2008 trat Bischof Kamphaus in den Ruhestand, sein Nachfolger wurde Franz-Peter Tebartz-van Elst. „Es war eine Zeit des Umbruchs, des Suchens und der Neuausrichtung“ – für das Bistum und sie.
2017 kehrte Wustmans als Dezernentin für Pastorale Dienste ins Bistum Limburg zurück. Fünf Jahre später übernahm sie zusätzlich kommissarisch die Leitung des Diözesansynodalamts. Seit Februar diesen Jahres bildet Hildegard Wustmans gemeinsam mit Generalvikar Wolfgang Pax ein Führungsteam im Ordinariat, in enger Abstimmung mit dem Bischof. Auf die vergangenen Jahre schaut sie durchaus auch emotional zurück: „Mir haben sich im Lauf der Jahre Chancen eröffnet, die ich ergriffen habe – und ich bin dankbar dafür. Oft war ich die Erste: Die erste Frau, die das Dezernat Jugend leitete. Die erste Pastoraltheologin in Österreich.“ Die unterschiedlichen Welten von bischöflicher Behörde und Universität sind ihr vertraut. Doch nur eines von beidem zu tun, reizt sie nicht. Deshalb der bewusste Wechsel – zwischen den Welten, zwischen Theorie und Praxis. Dabei falle ihr auf, wie ähnlich sich die Systeme sind, gerade was die Stellung von Frauen betreffe: „Beide sind nach wie vor hierarchisch geprägt und tun sich, wie viele Organisationen mit Tradition, mit Kulturwandel oftmals schwer.“
Ich kann nur sagen, dass ich außerordentlichen Respekt vor der Ausübung seines Amtes habe
Wie waren die ersten rund hundert Tage im neuen Amt als Bischöfliche Bevollmächtigte? „Mir und uns geht es da wohl wie allen, die Neuland betreten. Es gibt eine Rahmung, aber vieles muss sich im Alltag entwickeln und wir können jetzt auch noch nicht alle Herausforderungen erkennen und folglich bearbeiten.“ Eckpunkte sind im Bistumsstatut formuliert. Über einen Geschäftsverteilungsplan haben Generalvikar und Bevollmächtigte ihre Zuständigkeiten abgesprochen. Schließlich wolle man dort gemeinsam agieren, wo es inhaltlich sinnvoll und geboten ist. Zugleich ist es für Mitarbeitende wichtig, an wen sie sich wenden können, wer für welche Themen und Aufgaben verantwortlich ist. Natürlich sei gerade die Zusammenarbeit mit dem Generalvikar und ihr im direkten Gespräch mit dem Bischof wichtig und intensiv. Dabei zeige sich, unter welchem hohen Arbeitsdruck der Bischof steht, welche Erwartungen an ihn herangetragen werden. „Ich kann nur sagen, dass ich außerordentlichen Respekt vor der Ausübung seines Amtes habe und in direktem Kontakt auch immer wieder und gerne dazulerne“, sagt Hildegard Wustmans. Und es ist ihr wichtig, mit Menschen aus dem Bistum in Kontakt zu kommen und zu bleiben: „So habe ich mich beispielsweise in allen Vorständen in den Regional-synodalräten vorgestellt – da ich für die Regionenbegleitung zuständig bin. Diese Kontakte sind wichtig, denn was ich oder wir tun, ist ja kein Selbstzweck.“
Kirchlich ist vieles in Bewegung. Wustmans denkt da an die Veränderungen in der Grundordnung, aber auch an Segensfeiern für wiederverheiratet Geschiedene oder homosexuelle Paare. Man habe durch die erschreckenden Tatsachen über sexualisierte Gewalt und spirituellen Missbrauch vieles in der Organisation nachhaltig umgestellt. Es wurde mit der Fachstelle gegen Gewalt ein Kompetenzzentrum etabliert. Wustmans weiter: „In all diesen Punkten wurde deutlich, dass wir lernfähig und auch lernwillig sind. Wir lassen uns auf Prozesse ein und sind bereit, uns von Begegnungen und Argumenten zu neuen Wegen führen zu lassen, die wir bislang vielleicht so gar nicht in Betracht gezogen haben. Das macht mich zuversichtlich und für mich macht das auch unseren Glauben aus.“
Zur Sache
Die Position der Bischöflichen Bevollmächtigten entstand durch den Transformationsprozess und ist im Bistumsstatut verankert. Gemeinsam mit dem Generalvikar leitet die BischöflicheBevollmächtigte das Ordinariat. Beide üben die Dienstaufsicht über die Bereichs- und Regionalleitungen aus, vertreten das Bistum nach außen und sind für die Abstimmung der Verwaltung zuständig. Entscheidungen werden einvernehmlich getroffen; bei Uneinigkeit entscheidet der Bischof.