Tattoo-Event in der Osnabrücker Innenstadtkirche St. Johann

Wenn der Glaube unter die Haut geht

Nahaufnahme von einem Nacken, auf den ein Kreuz tätowiert ist

Foto: istockphoto/Rawpixel

Ein Kreuz, der Fisch als Symbol der Urchristen und betende Hände: Hinter solchen religiös motivierten Tattoos stehen immer Glaubensgeschichten von Menschen.

Wer sich ein Tattoo stechen lässt, verbindet damit fast immer eine persönliche Geschichte. Genau das greift das Bistum Osnabrück mit einem ungewöhnlichen Event auf. In der Innenstadtkirche St. Johann können sich am 21. September die Gäste christliche Motive tätowieren lassen oder von ihren religiösen Tattoos erzählen: ein Glaubensbekenntnis anderer Art.

Genau das gilt für Martina Kreidler-Kos. Die Leiterin des Seelsorgeamtes im Bistum Osnabrück wird sich in St. Johann zum ersten Mal ein Tattoo stechen lassen. Die Theologin hat sich für das dem Buchstaben „T“ gleichende franziskanische Tau-Kreuz an ihrem Handgelenk entschieden. „Dieses Zeichen möchte ich gerne an meinem Körper tragen, sodass es immer und für jeden sichtbar ist.“ Ist sie aufgeregt? Mit einem Lächeln nickt die 56-Jährige, „ein bisschen schon. Das geht mir unter die Haut“.

Ein Kreuz am Handgelenk bleibt unauslöschlich

Damit greift Kreidler-Kos das Motto des Tattoo-Events „Wenn der Glaube unter die Haut geht“ auf, das sie mit vorbereitet hat. Geboren ist die Idee dazu auf einer Konferenz über neue Wege für die Kirche. Dort hörte sie mit Kolleginnen und Kollegen von ähnlichen Tattoo-Veranstaltungen in Kirchen in Frankfurt und Wien. „Wir fanden, dass jetzt Osnabrück damit dran ist.“ Die bisherigen Reaktionen darauf sind etwas gemischt – die meisten finden es „cool“, aber einige Menschen haben sich auch kritisch geäußert.

Porträtfoto von einer Frau mit grauen lockigen Haaren
Martina Kreidler-Kos, Leiterin des Seelsorgeamtes im Bistum Osnabrück, lässt sich bei dem Event in der Kirche ein Tau tätowieren. Foto: Bistum Osnabrück

Denen erklärt sie gerne, warum sie das Event richtig und wichtig findet. Mal abgesehen davon, dass christliche Tattoos eine jahrhundertelange Tradition haben, erkennt Martina Kreidler-Kos fast immer ganz tiefe und berührende Geschichten dahinter. Von Stationen im Leben, von prägenden Menschen, von Erfahrungen mit Gott und Glauben. „Das ist ein Zeugnis auf der Haut“, sagt sie und nennt die Veranstaltung in St. Johann einen Glaubenstag. „Diese Geschichten möchten wir hören und darüber sprechen.“ Sie selbst hat oft erlebt, dass Tattoos ein Türöffner sein können: „Da geht das Herz auf, da kann man unglaublich viel erzählen.“

Das kann auch sie zu ihrem gewählten Motiv – eines von zehn christlichen Symbolen, die sich Gäste nach dem Auftaktgottesdienst auf Arme und Unterschenkel stechen lassen können (siehe auch „Zur Sache“). Dazu gehören Kreuze, Tauben, die Pfingstflamme, Anker und Fisch. Für Kreidler-Kos stand das franziskanische Kreuz fest. Schon immer hat sie sich für den heiligen Franziskus, seine Freude am Glauben und seine den Menschen zugewandte Spiritualität begeistert. „Das ist ein Stück Identität für mich, da bin ich verankert.“ Bisher trägt sie dieses Kreuz als Armband, als Anhänger an der Tasche, als Kette um den Hals. „Jetzt bleibt es unauslöschlich bei mir.“

Etwas, das bleiben soll: So verstehen auch Marisa Grummich und ihr Mann Martin ihre religiös motivierten Tattoos. Ein weiteres – die Pfingstflamme – soll jetzt in Osnabrück noch dazu kommen. Sie hat bis 2022 als Gemeindereferentin beim Bistum Osnabrück gearbeitet und ist nun beim Bonifatiuswerk in Paderborn, er engagiert sich beim dortigen Erzbistum als Pastoralreferent in der Gemeindearbeit und für junge Leute. Dass der Glaube ein wichtiger Teil ihres Lebens ist, wollen beide zeigen. Marisa Grummich deutet auf das Kreuz an der Innenseite ihres linken Oberarms, dann auf den Regenbogen und das Fisch-Symbol an ihrem rechten Knöchel. Pfeile, Linien, leuchtende Farben kennzeichnen diese Bilder – sie stehen für die Vielfalt, die Buntheit und die Veränderungen, die sie sich für das Christentum wünscht. Die Tattoos, sie sind so etwas wie ein sichtbarer Auftrag an sich selbst. „Das möchte ich leben“, sagt die 28-Jährige, die mit ihrer Freundin Eva Gutschner davon auch in dem Instagram-Kanal „Um.Gotteswillen“ erzählt. 

Nahaufnahme von einem bunten Tattoo, das einen Fisch zeigt
Marisa Grummich hat gleich mehrere christliche Tattoos. Eins davon zeigt einen Fisch. Foto: privat

Die Tattoos hängen mit Schlüsselmomenten in ihrer Biografie zusammen. Wie dem Freiwilligendienst in Thailand, bei dem Marisa Grummich Kirche ganz anders, ganz lebendig, ganz eng verbunden mit den Menschen und dem Glauben als gemeinsamen Nenner erlebt hat. „Das ist ein Teil meiner Geschichte, den ich immer bei mir tragen möchte“, sagt sie und versteht ihre Tattoos als Zeugnis dafür, was ihr in ihrem Glaubensleben wichtig ist. Ihr Mann Martin nickt mehrfach, vieles davon gilt auch für seine Tattoos. Bei einem Praktikum in Lettland hat der 37-Jährige spürbare Energie im Glauben kennengelernt: „Das hat mich geprägt.“ Zugleich sind mehrere seiner Tattoos „sichtbare Zeichen der Freundschaft auf meiner Haut“ und verknüpft mit Wegbegleitern. Das gilt für den Segenswunsch „Pax et Bonum“ (Frieden und Wohlergehen), das Nagelkreuz aus dem im Zweiten Weltkrieg zerstörten Coventry und die leuchtende Laterne im Wald: ein Symbol für das Licht im Dunkel, das sich jeder wünscht und das jeder weitergeben könnte. Wie ein Auftrag wirken zwei Bibelstellen aus den Jakobus-Briefen, die auf seinem Oberarm von einem aus praktischen Werken gespeisten Glauben sprechen – ganz so, wie Martin Grummich seinen Glauben versteht und danach handeln möchte.

Betende Hände auf der Wade mit persönlicher Geschichte

Wenn die Grummichs so von ihren Tattoos erzählen, wird schnell klar: Das öffnet die Türen zu weiteren Gesprächen – kein oberflächlicher Smalltalk, sondern wertvolle Zeit, in der Leben, Erfahrungen, Erinnerungen, Hoffnungen, Glaube miteinander geteilt werden. Und deswegen werden sie am 21. September auf dem Podium in St. Johann stehen und davon reden. Genau wie Tobias Otte, Pastoralreferent in einer Pfarreiengemeinschaft im Osnabrücker Umland und im Seelsorgeamt in der Abteilung Weltkirche bei den internationalen Freiwilligendiensten. Der 36-Jährige hat sich schon vor vielen Jahren auf seine linke Wade ein Motiv stechen lassen, das sich anlehnt an eine weltbekannte Zeichnung von Albrecht Dürer: zwei Hände, zum Gebet aneinander gelegt, umschlungen von einem Rosenkranz. Das traditionelle Motiv mag auf den ersten Blick verblüffen – ist aber verbunden mit einer sehr persönlichen Geschichte. 

Nahaufnahme von einer Wade, darauf ein Tattoo von betenden Händen
Das Tattoo von Tobias Otte ist angelehnt an ein Kunstwerk von Albrecht Dürer. Foto: Astrid Fleute

Wie bei Albrecht Dürers Kunstwerk selbst. Dessen Bruder hat ihm einer Erzählung nach damals im 16. Jahrhundert mit hart erarbeitetem Geld das Kunststudium ermöglicht. Als Ehrerbietung soll Dürer ihm deshalb die „betenden Hände“ gewidmet haben. Und da zieht Otte eine kleine Parallele zu seiner Biografie: Seine Familie, seine Brüder und Freunde haben ihn nach dem Abitur darin unterstützt, seinen Traum von einem ehrenamtlichen Dienst in Mexiko zu realisieren. „Sonst hätte ich das nicht machen können.“

15 Monate hat er dort in einer Kirchengemeinde gearbeitet. Seine Art, Kirche und Glaube zu denken, ist zutiefst von dieser Zeit beeinflusst: unmittelbar, vertrauensvoll, in der alltäglichen Begegnung. Sein Tattoo ist daher nicht nur Glaubensbekenntnis, sondern auch ein Dankeschön: an die Menschen, an Gott, „an die Möglichkeiten, die ich habe. Und diese Dankbarkeit, die will ich mir bewahren“.

Das könnte Sie auch interessieren: Glaubenszeichen auf der Haut

Petra Diek-Münchow
Zur Sache

Das Tattoo-Event startet am 21. September in der Innenstadtkirche St. Johann in Osnabrück um 11 Uhr mit einem Gottesdienst. Danach können sich Gäste kostenlos ausgewählte Tattoos mit kleinen christlichen Motiven stechen lassen. Die Anmeldungen sind abgeschlossen, aber sollten dazwischen noch freie Plätze übrig sein, können sich Besucher auch spontan tätowieren lassen. Außerdem werden mehrere Menschen von ihren Tattoos und den Glaubensgeschichten dahinter erzählen. Auch für Kinder gibt es ein Programm mit Klebe-Tattoos und Ausmalbildern. Das Projekt wird gefördert durch das Bonifatiuswerk der deutschen Katholiken. Wer weitere Fragen hat, kann eine E-Mail schreiben: info@bistum-os.de