Wenn man zurücklässt, was nicht mehr passt

Tatsächlich ist in der von Ihnen genannten Heilungsgeschichte die Sache mit dem Mantel (nach anderer Übersetzung: Gewand) auffällig anders, denn diese Geschichten klingen in den Evangelien oft ähnlich. Bedeutet das Wegwerfen des Mantels also mehr, als es scheint?

Diese Geschichte um Bartimäus erstaunt aber auch deshalb, weil sie davon berichtet, dass der Blinde einfach aufspringt und zu Jesus läuft, als dieser ihn ermutigt. Das Wegwerfen des Mantels könnte also ein Zeichen für dieses ungestüme Loslaufen eines Blinden sein, der nur noch ein Ziel hat: seine Heilung durch Jesus. 

Darüber hinaus ist die ganze Erzählung vom Aufbruch des Bartimäus aus seinem bisherigen Dasein bestimmt. Das lässt sich gut an der Abfolge seiner Handlungen ablesen: Zuerst sitzt er am Wegesrand, dann hört er Jesus, ruft ihn, ruft lauter, wirft seinen Mantel ab, springt auf, läuft zu Jesus, kann wieder sehen und folgt Jesus nach. Indem Bartimäus also zu Jesus Vertrauen findet und ihm nachfolgt, verlässt er sein bisheriges Leben und wirft es wie einen Mantel ab.

Es ließe sich sogar noch einen Schritt weiter gehen. In Markus 2,21 benutzt der gleiche Evangelist das Bild des alten Mantels/Gewands, um zu zeigen, dass eine neue Zeit angebrochen ist und der alte Mantel nichts mehr taugt, nicht mehr repariert werden kann. Möglicherweise sieht der Evangelist Markus auch Bartimäus auf dem Weg in die neue Zeit, indem er Jesus nachfolgt.

Als was sich dieses Wegwerfen des Mantels auslegen lässt, ist sicher nicht eindeutig. Dazu fehlen heute oft auch genügend Informationen, welche Bedeutung dieses Kleidungsstück zu dieser Zeit für einen blinden Mann wie Bartimäus hatte und wer dieser überhaupt war. Im Zusammenhang des Markusevangeliums aber scheint es als nachvollziehbar, dass das Wegwerfen des Mantels in dieser Heilungsgeschichte auch symbolisch für die direkte Umkehr des Bartimäus und seine unmittelbare Nachfolge Jesu steht.