Impuls zum Sonntagsevangelium am 05.Mai 2024

Wie sprechen Sie Jesus an?

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Christus Pantokrator
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kna / Romano Siciliani / Cristian Gennari

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Christus Pantokrator

Das Evangelium des 6. Sonntags stammt aus der Abschiedsrede Jesu. Ein zentraler Satz: „Ich nenne euch nicht mehr Knechte; denn der Knecht weiß nicht, was sein Herr tut. Vielmehr habe ich euch Freunde genannt.“ Dürfen wir umgekehrt auch Jesus unseren Freund nennen? Oder besser Herr? Meister? Bruder?

„Darum bitten wir durch Christus, unseren Herrn“, so heißt es meist in den Gebeten der Messfeier. Falsch ist das nicht, aber zumindest für die Evangelien auch nicht typisch. Schaut man in das Neue Testament, findet sich der Titel „Herr“ (Kyrios) vor allem in den späteren Schriften. Etwa im Philipperhymnus: „Jesus Christus ist der Herr, zur Ehre Gottes, des Vaters.“ (Philipperbrief 2,11) Oder im vorletzten Vers der Bibel: „Komm, Herr Jesus!“ (Offenbarung 22,20) 

Der Hintergrund dieser Wortwahl ist ein doppelter: In der griechischen Übersetzung des Alten Testaments, der Septuaginta, ist Kyrios (hebr.: adonai) die Umschreibung für Gott, dessen Name nicht genannt wird; in dessen Nähe wird Jesus nun gerückt. In der griechisch-römischen Tradition ist Kyrios hingegen eine Anrede für den Kaiser; dass Jesus von den Christen so genannt wird, ist auch eine klare Abgrenzung zum Kaiserkult. 

„Meister“ ist in der Einheitsübersetzung mit Abstand die häufigste Anrede für Jesus. Über 50-mal findet sie sich in den Evangelien. Übersetzt werden mit diesem Wort zwei verschiedene Vokabeln. Zum einen Rabbi (aramäisch Rabbuni), also religiöser Lehrer; Maria Magdalena nennt Jesus so, als sie den Auferstandenen erkennt (Johannes 20,16). Dass Jesus keine Ausbildung zum Rabbi durchlaufen hatte, war zu dieser Zeit noch egal. Erst nach der Zerstörung des Tempels, in deren Folge es keine Priesterschaft mehr gab, wurde Rabbi zum formellen Titel für in der Tora geschulte Leiter einer jüdischen Gemeinde – und so ist es bis heute. 

Zum anderen wird das griechische Wort „epistates“ durchgehend mit „Meister“ übersetzt. Der epistates ist in der Umwelt Jesu ein höhergestellter Mann, insbesondere ein Beamter. Der Evangelist Lukas bevorzugt diese Anrede für Jesus – auch, um sein Machtpotenzial zu betonen. Dass Jesu Befehl genügt, um ein Wunder zu bewirken, kommt für Lukas mit epistates am besten zum Ausdruck (5,5; 8,24; 17,13). Er ist eben mehr als (nur) ein Lehrer.

Vor 50 Jahren gab es diese Gebetssprache, die man jetzt oft hört, noch nicht: „Darum bitten wir durch Jesus, unseren Bruder.“ Im Aachener Norden hat sich sogar eine neu entstandene Pfarrei diesen Namen gegeben: Christus, unser Bruder. Geht das? Oder ist das zu nah? 

Sicher ist: Die Anrede „Bruder“ betont Jesu Menschlichkeit. Indem er als Mensch auf die Welt gekommen ist, ist er Bruder der Menschen geworden. Er kennt Familie und Freunde, Arbeit und Feierei, Trauer und Freude. Deshalb schreibt der jüdische Theologe Schalom Ben-Chorin: „Jesus ist für mich der ewige Bruder, nicht nur der Menschenbruder, sondern mein jüdischer Bruder.“ Der Herr und Meister ist er für ihn nicht.

Jesus selbst hat die Anreden nicht gegeneinander ausgespielt. Einerseits betont er bei der Fußwaschung: „Ihr sagt zu mir Meister und Herr und ihr nennt mich mit Recht so; denn ich bin es“ (Johannes 13,13); andererseits sagt er: „Wer den Willen Gottes tut, der ist für mich Bruder und Schwester“ (Markus 3,35). Christlich betrachtet sind es wohl zwei Seiten ein und derselben Medaille.

„Jesus ist euer Freund“ – das ist ein typischer Satz aus der Erstkommunionvorbereitung. Weil Freund eben so kindgerecht ist, so positiv. Freund, dasist Spaß und Vertrauen, Streit und Versöhnung und in jedem Fall: Augenhöhe.

Im Evangelium nennt Jesus seine Jünger Freunde. Das Gegensatzwort ist aber weder Feinde noch Schüler; das Gegensatzwort zu Freunde ist Knechte, also Menschen, die nach dem Prinzip Befehl-und-Gehorsam zu handeln haben. In der antiken Welt ein sehr verständlicher Vergleich. 

Jesus nennt die, die ihm nachfolgen, Freunde, weil „ich euch alles mitgeteilt (habe), was ich von meinem Vater gehört habe“ (Johannes 15,15). Es geht also um eigene Entscheidungen, nicht um stumpfen Gehorsam. Doch die Freundschaft kennt Bedingungen: „Ihr seid meine Freunde, wenn ihr tut, was ich euch auftrage.“

Christus: Fast scheint es so etwas wie der Nachname Jesu zu sein. „Herr Jesus Christus“, fast klingt es wie „Herr Jochen Müller“. 

Christus, die griechische Übersetzung des hebräischen Wortes „masiah“, Gesalbter, hat sich sehr früh als zweiter Name für Jesus eingebürgert. Dabei ist es eigentlich kein Name, sondern ein Glaubensbekenntnis. „Dies ist aufgeschrieben, damit ihr glaubt, dass Jesus der Christus ist“, heißt es am Ende des Johannesevangeliums, und gemeint sind die Erscheinungen des Auferstandenen. 

Denn es ist die Auferstehung, durch die Gott den irdischen Jesus zum himmlischen Christus erhebt. In der Apostelgeschichte (2,36) heißt es: „Mit Gewissheit erkenne also das ganze Haus Israel: Gott hat ihn zum Herrn und Christus gemacht, diesen Jesus, den ihr gekreuzigt habt.“

Susanne Haverkamp