Christen demonstrieren in Hongkong

"Wir beten für unsere Stadt"

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Seit Wochen demonstrieren die Menschen in Hongkong. Darunter sind viele Christen. Sie kämpfen für mehr Freiheit und Demokratie. Sie befürchten, dass auch die Religionsfreiheit eingeschränkt wird, wenn der Einfluss der Regierung in Peking auf Hongkong wächst.

Foto: kna/Michael Lenz
Gebet für den Frieden: Im Victoria Park in Hongkong haben Christen mit Kardinal Joseph Zen Ze-kiun eine Andacht gehalten. Foto: kna/Michael Lenz


Seit Wochen demonstrieren die Menschen in Hongkong für mehr Freiheit und Demokratie. Obwohl die chinesische Regierung in Peking mit der Niederschlagung der Proteste gedroht hatte, zogen am vergangenen Sonntag mehr als eine Million Menschen durch die Straßen Hongkongs. Bis zum Redaktionsschluss dieser Zeitung blieb die Situation in der Stadt friedlich.

Unter den Demonstranten sind auch viele Christen. „Wir beten für unsere Stadt und für Liebe statt Konfrontation“, sagt William Law. Der 42-Jährige ist mit seiner Frau in den Victoria Park gekommen. Einige Hundert Katholiken haben hier vor dem Beginn der Demonstrationen am vergangenen Sonntag eine Andacht gehalten. Sie haben gebetet und gesungen und sich trotz Polizeiverbots den Protesten angeschlossen. 

Unter den Gläubigen war auch Kardinal Joseph Zen. Er ist für seine Kritik an China und an der Chinapolitik des Vatikan bekannt. Es gebe angesichts der Politik Chinas keine andere Wahl, als zu protestieren, sagte Zen kürzlich internationalen Medien.

Auslöser für die Proteste war ein Gesetzentwurf über die Auslieferung von Straftätern an die Volksrepublik China. Mittlerweile hat Hongkongs Regierungs-
chefin Carrie Lam den Entwurf für „tot“ erklärt. Er steht aber nach wie vor auf der Tagesordnung des Parlaments. Das Gesetz könnte auch Auswirkungen für die christliche Minderheit in Hongkong haben. „In China wird die Kirche unterdrückt. Das könnte hier auch passieren“, sagt Edwin Chow, der Vorsitzende der katholischen Studentenvereinigung von Hongkong. „Manche von uns haben Verbindungen zur katholischen Untergrundkirche in China. Die könnten festgenommen und ausgeliefert werden.“ 

Christen sind von Carrie Lam enttäuscht

Seit Beginn der Massenproteste im Juni sind Chow und die Studentenvereinigung dabei. „Wir haben auch Gebetsveranstaltungen für Frieden und Demokratie in Gemeinden organisiert“, sagt der 19 Jahre alte Politologiestudent der Universität der Baptisten in Hongkong. 

Wie es nun weitergehen soll? Da ist Chow ratlos. „Keiner hat eine Idee.“ Von der katholischen Regierungschefin Carrie Lam ist er, wie viele andere Hongkonger Christen, enttäuscht. „Als Katholikin sollte sie die gleichen christlichen Werte vertreten wie wir“, sagt Chow. „Aber sie hört dem Volk nicht zu und geht nicht auf die Forderungen ein.“ 
Unter den Christen hat Carrie Lam keinen Rückhalt, seit sie erklärte, sie sei von Gott in ihr Amt berufen worden. Auch ihr Plan, die Religionen Hongkongs einer Religionsbehörde zu unterstellen, stieß auf wenig Gegenliebe.

Die Glaubensgemeinschaften der Stadt äußern sich nur vorsichtig: Sie rufen zum Dialog und zum Frieden auf. In den vergangenen Wochen hat es aber noch kein Gespräch zwischen der Stadtregierung und den Demonstranten gegeben.

vbp/kna